Kampf gegen Taliban
"Krieg ist der einzig richtige Weg"
Die Taliban sind stärker denn je zuvor - in Afghanistan wie in Pakistan. Terror-Experte Ahmed Rashid sieht deshalb keine Alternative zum Krieg gegen die Militanten. Im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE erklärt er, warum er die pakistanischen Radikalen für viel gefährlicher hält als die afghanischen.
Rashid: Es ist ein düsterer Tag für Rawalpindi und für Pakistan. Die Taliban setzen den Krieg fort, den sie schon vor Jahren der Regierung und der Bevölkerung von Pakistan erklärt haben. In den vergangenen Wochen haben sie ihre Offensive verstärkt. Die pakistanische Armee bekämpft die Militanten seit Mitte Oktober in Südwaziristan, und die Taliban begegnen dieser Bedrohung, indem sie neue Fronten eröffnen. Sie verüben an immer neuen Orten Anschläge.
SPIEGEL ONLINE: Das heißt, Krieg gegen Taliban ist das verkehrte Mittel?
Rashid: Nein, im Gegenteil, man muss diese Leute mit militärischen Mitteln bekämpfen. Es bleibt gar nichts anderes übrig, schließlich haben die Taliban sich selbst für den gewaltsamen Weg entschieden. Krieg ist der einzig richtige Weg.
SPIEGEL ONLINE: Sie stimmen also mit den Anti-Terror-Kriegern überein, dass man kämpfen muss, "bis der letzte Taliban getötet" ist?
Rashid: Nicht alle Taliban, aber die Führung der Radikalen. Man muss die Top-Terroristen töten, ihre Infrastruktur zerstören, ihnen die finanziellen Mittel und das Kriegsgerät wegnehmen. Eine führungslose Terrororganisation wäre längst nicht mehr so gefährlich, womöglich würde sie sich im Gerangel um die Nachfolge selbst zerstören. Erst wenn die Anführer der Terroristen gefasst oder getötet sind, kann man, ja muss man mit den Taliban reden.
SPIEGEL ONLINE: Gilt diese Strategie Ihrer Meinung nach sowohl für Afghanistan als auch für Pakistan?
Rashid: Grundsätzlich ja. In beiden Ländern muss man ihre Spitzen bekämpfen. Aber es gibt grundlegende Unterschiede zwischen den Taliban in Afghanistan und Pakistan. Die afghanischen Taliban sind weitaus weniger ideologisch, die meisten sind arme Bauern, die sich den Radikalen aus persönlichen Gründen angeschlossen haben. Der eine hat vielleicht seinen Vater im Krieg verloren, von dem anderen wurde aus Versehen der Sohn durch das Militär getötet, vom Dritten wurden vielleicht Haus und Habe vernichtet. Die pakistanischen Taliban kämpfen dagegen aus ideologischen Gründen, sie wollen ein gesellschaftliches Modell, das auf den Vorstellungen des radikalen Islam beruht. Sie haben, im Gegensatz zu den meist ungebildeten afghanischen Bauern, eine Ausbildung in den Koranschulen genossen. In diesen Madrassas haben sie eine Radikalisierung erfahren, die sie viel gefährlicher macht als die afghanischen Taliban.
SPIEGEL ONLINE: Im Westen werden trotzdem immer wieder Stimmen laut, die Nato-Truppen sollten Afghanistan möglichst bald verlassen. Mit einer vom US-Militär geforderten Truppenaufstockung tut sich Präsident Obama noch schwer.
Rashid: Der Westen hat viel zu spät erkannt, welche Gefahr die Taliban darstellen. Anstatt sich auf diese Region zu konzentrieren, haben sich die USA in das Abenteuer Irak gestürzt. Hätten sie all ihre Kräfte in Afghanistan eingesetzt, wären die Führungen von Taliban und al-Qaida womöglich schon erledigt.