Karikatur-Nachdruck Chefredakteur von "France Soir" gefeuert

Wegen des Nachdrucks der Karikaturen des Propheten Mohammed ist der Chef der französischen Boulevardzeitung "France Soir" entlassen worden. Der ägyptischstämmige Zeitungs-Besitzer entschuldigte sich für die Veröffentlichung.

Paris/Gaza - Die Entlassung von "France-Soir"-Chefredakteur Jacques Lefranc sei "ein kraftvolles Signal, dass wir die persönlichen Glaubensvorstellungen und Überzeugung jedes Einzelnen respektieren", hieß es in der Erklärung von Raymond Lakah von gestern Abend. "Wir entschuldigen uns bei der muslimischen Gemeinschaft und bei allen, die über die Veröffentlichung empört sind."

Unter der Schlagzeile "Voltaire hilf, sie sind verrückt geworden!" beschäftigt sich heute "France Soir" abermals kämpferisch mit den feindlichen Reaktion in der islamischen Welt. "Der Fanatismus nährt sich nur aus der Kapitulation der Republikaner und Laizisten. Man weiß, zu welchen Niederlagen solch ein Geist von München führt." Das Pariser Blatt ging jedoch nicht auf die Entlassung ihres Chefredakteurs ein.

Als erste Zeitung in Frankreich hatte "France Soir" gestern die Karikaturen gedruckt, die im vergangenen Jahr zuerst in der dänischen Zeitung "Jyllands-Posten" veröffentlicht worden waren. Zur Begründung hatte "France Soir" erklärt, genau wie den dänischen Kollegen gehe es dem Blatt nicht um Provokation, sondern um das Gleichgewicht zwischen Glauben und Meinungsfreiheit in einer Demokratie. "Ja, man hat das Recht, Gott zu karikieren", hieß es auf der Titelseite. Man könne von den Karikaturen halten, was man wolle, sie seien weder rassistisch gemeint, noch setzten sie eine Gemeinschaft herab.

Das Boulevardblatt "France Soir" kämpft derzeit gegen Auflagenverluste. In den sechziger Jahren war es mit bis zu 1,3 Millionen Exemplaren Frankreichs auflagenstärkste Zeitung. Derzeit liegt die Auflage bei nur 45.000 Stück. Im vergangenen Jahr wurde ein Sanierungsplan in Kraft gesetzt.

Entschuldigung des "France-Soir"-Besitzers

Aus Protest gegen die Veröffentlichung der Bilder in europäischen Zeitungen verlangten bewaffnete Palästinenser am Vormittag in Gaza die Schließung von EU-Vertretungen. Etwa 50 maskierte Männer seien in den Vorgarten des EU-Büros in Gaza eingedrungen und hätten mehrere Schüsse abgefeuert, berichteten Augenzeugen.

Die Männer gehörten den al-Aksa-Brigaden der bisher regierenden Fatah-Organisation und dem radikalen Islamischen Dschihad an. Sie markierten den Eingang des Büros mit blauer Farbe und schrieben, das Gebäude sei bis zu einer Entschuldigung geschlossen. Sie trugen Schnellfeuergewehre und Panzerfäuste. Nach Augenzeugenberichten beendeten sie am späten Vormittag ihre Protestaktion.

Die Bewaffneten erklärten, die "europäische Provokation" mache alle Institutionen in Gaza und der ganzen Welt zum Ziel ihres Feuers. Beide Gruppen hatten in der Nacht eine Erklärung veröffentlicht, in der es hieß: "Jeder Norweger, Däne oder Franzose, der sich auf unserem Gebiet befindet, ist unser Ziel."

Die EU nannte die Drohungen inakzeptabel. Vor dem Büro seien inzwischen palästinensische Polizisten aufgezogen und die Mitarbeiter seien in Sicherheit, sagte ein EU-Vertreter. "Alles ist wieder normal."

Furcht vor Ausweitung des Boykotts

Inzwischen befürchtet die dänische Regierung eine Ausweitung von Boykottaktionen in der islamischen Welt. Außenminister Per Stig Møller begründete dies heute in der Zeitung "Børsen" mit dem Nachdruck der Zeichnungen in anderen europäischen Ländern. Damit werde die Aufmerksamkeit auch in Länder getragen, aus denen bisher keine Proteste gegen die zuerst in Dänemark veröffentlichten Zeichnungen gekommen seien.

Nach Angaben des Blattes bezog sich Møller damit vor allem auf Algerien und andere nordafrikanische Länder. Bisher hatte es Boykottaktionen vor allem in der gesamten Golfregion gegeben. Saudi-Arabien und Kuweit haben auch ihre Botschafter aus Kopenhagen abgezogen.

Nun hat auch die dänische Jazz- und Pop-Sängerin Jomi Massage die Veröffentlichung einer CD aufgeschoben. Zur Begründung sagte die Sängerin der Zeitung "Politiken", das Cover-Bild mit ihr in einer aus der dänischen Nationalflagge gefertigten Burka könne für noch mehr Spannung in der derzeit extrem angespannten Atmosphäre sorgen. "Es gibt so viel Zorn im Moment", sagte die Sängerin mit Blick auf die massiven Proteste wegen der bildlichen Darstellung Mohammeds.

Den Vorwurf von Selbstzensur wies sie zurück: "Für mich geht es jetzt um Respekt vor denjenigen, die für solche Bilder noch nicht bereit sind." Sie habe mit ihrer CD nicht zuletzt versuchen wollen, Brücken für einen nuancierten und offenen Dialog zwischen Kulturen zu schlagen.

Anzeigenboom in Saudi-Arabien

Während dänische Firmen wegen des Streits Verluste machen, spült die Kontroverse der Werbebranche in Saudi-Arabien inzwischen viel Geld in die Kassen. Die saudi-arabische Zeitung "Arab News" berichtete heute, die Werbeagenturen des islamischen Königreichs platzierten inzwischen täglich Dutzende großformatiger Anzeigen in den Zeitungen, in denen sie entweder erklärten, dass die Produkte ihrer Kunden nicht aus Dänemark stammten oder dass sich diese Firmen dem Boykott dänischer Produkte angeschlossen hätten.

Das Blatt schrieb weiter, die französische Supermarktkette Carrefour habe den Import dänischer Produkte nach Saudi-Arabien eingestellt und alle bereits eingeführten Waren aus Dänemark aus den Regalen genommen. "Es ist unbekannt, ob Carrefour nun auch französische und deutsche Waren entfernen wird, nachdem Zeitungen in diesen Ländern die Karikaturen ebenfalls abgedruckt haben", hieß es.

In Saudi-Arabiens armem Nachbarland Jemen sollen die einheimischen Importeure dänischer Produkte bis zum vergangenen Dienstag Verluste in Höhe von einer Milliarde Rial (rund 4,23 Millionen Euro) erlitten haben. Das geht aus einer Umfrage der Zeitung "al-Thawra" hervor.

Im Sudan hatte der Rat der Muslimischen Religionsgelehrten gestern Abend als Reaktion auf die Karikaturen eine Kampagne gegen die "Feinde des Islam" angekündigt. Sie forderten die Regierung auf, die diplomatischen Beziehungen zu Dänemark und Norwegen abzubrechen. Norwegen gehört zu den Nationen, die den Friedensprozess zwischen Khartum und der Rebellenführung im Südsudan hinter den Kulissen maßgeblich unterstützt hatten.

lan/AFP/dpa

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