Kataloniens Unabhängigkeit Spanisches Gericht ordnet Haft für wichtigste Separatistenführer an

Der Katalonien-Konflikt spitzt sich gefährlich zu: Ein Gericht in Spanien hat Untersuchungshaft für die beiden wichtigsten Separatistenführer angeordnet. Ihre Anhänger rufen zu Protesten auf.
Jordi Cuixart (l.) und Jordi Sánchez (r.)

Jordi Cuixart (l.) und Jordi Sánchez (r.)

Foto: JAVIER BARBANCHO/ REUTERS

In Spanien ist gegen zwei Anführer und Organisatoren der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung Haftbefehl erlassen worden. Eine Richterin in Madrid ordnete für Jordi Sánchez und Jordi Cuixart Untersuchungshaft an. Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden Chefs der einflussreichen Organisationen Katalanische Nationalversammlung (ANC) und Omnium Cultural "aufrührerisches Verhalten" vor.

Konkret geht es um einen Vorfall in Barcelona am 20. September, im Vorfeld des Referendums. Demonstranten hatten dabei Angehörige der spanischen Guardia Civil stundenlang eingekesselt, als die Beamten Büros der Regionalregierung durchsuchten. Sánchez und Cuixart werden für den Vorfall verantwortlich gemacht.

Omnium und ANC sind die zwei wichtigsten zivilgesellschaftlichen Organisationen der katalanischen Separatistenbewegung. Sie fordern schon seit Jahren die Abspaltung der Region von Spanien - und waren mit den von ihnen initiierten Massenprotesten maßgeblich dafür verantwortlich, dass 2012 erstmals ein katalanischer Regierungschef die Unabhängigkeit ins Spiel brachte.

Die beiden Bewegungen bringen immer wieder Hunderttausende Menschen auf die Straße. Auch an der Organisation des Referendums waren beide beteiligt. Sowohl Omnium als auch ANC betonen dabei ausdrücklich den friedlichen Charakter ihrer Proteste. Beide sind tief in der katalanischen Zivilgesellschaft verankert und haben in so gut wie jeder Gemeinde der Region Unterstützer und Sympathisanten.

Reaktionen: "Permanente Mobilisierung"

ANC-Chef Sánchez sagte in einem vor dem Haftbefehl aufgezeichneten Video: "Das Gericht hat entschieden, uns die Freiheit zu nehmen. Aber am 1. Oktober (dem Tag des Referendums - d. Red.) haben wir entschieden, die Türen zur Freiheit zu öffnen. Wir werden sie gewinnen." Sánchez rief die ANC-Anhänger zur "permanenten Mobilisierung" auf.

Jordi Bosch, Sekretär von Omnium Cultural, sprach von einem "politischen Urteil." Barcelonas Bürgermeisterin Ada Colau, die selbst keine Separatistin ist, nannte das Urteil "Barbarei" und sprach von einem "großen Fehler", der "uns vom Dialog entfernt."

Der katalanische Regierungschef Carles Puigdemont schrieb auf Twitter: "Spanien wirft Kataloniens Anführer der Zivilgesellschaft ins Gefängnis, weil sie friedliche Demonstrationen organisiert haben. Traurig, wir haben wieder politische Gefangene."

In Barcelona und anderen katalanischen Städten schlugen Tausende Menschen spontan aus Protest mit Löffeln auf Kochtöpfe. Zu diesen sogenannten Caceroladas ist es in den vergangenen Wochen immer wieder gekommen, wenn die Empörung in Katalonien über Madrid besonders groß war - etwa nach den Razzien oder bei der Rede von König Felipe VI. nach dem Referendum.

Für Dienstag hat Omnium Cultural schon zu Massenprotesten aufgerufen. Die ersten Veranstaltungen sollen um zwölf Uhr vor Universitäten starten, wo die beiden Organisationen viele Anhänger haben. Um 19 Uhr soll es Demonstrationen vor Einrichtungen der spanischen Regierung in Barcelona, Girona, Tarragona und Lleida geben. Omnium rief ausdrücklich zu friedlichen Kundgebungen auf.

Omnium Cultural und ANC - was steckt hinter den Organisationen?

Omnium Cultural wurde 1961 gegründet, mit dem Ziel, den Erhalt der katalanischen Sprache und Kultur zu fördern. Unter dem spanischen Diktator Franco war die Organisation einige Jahre lang verboten. Dennoch gelang es ihr, fortzubestehen und Katalanisch zu unterrichten. Politisch aktiv ist die Organisation vor allem seit 2010, als das spanische Verfassungsgericht Teile eines neuen Autonomiestatuts für Katalonien kippte.

ANC, die "katalanische Nationalversammlung", wurde erst 2012 gegründet. Die Organisation ist aus den Protesten gegen die Einschränkungen der katalanischen Autonomie entstanden. Sie bekam in Folge der Wirtschaftskrise in Spanien viel Zulauf, als es Proteste gegen die Massenarbeitslosigkeit gab. Ebenso wie Omnium Cultural ist auch ANC eine echte Volksbewegung, die großflächig in Katalonien verankert ist. Die frühere ANC-Funktionärin Carme Forcadell ist heute Präsidentin des katalanischen Regionalparlaments und Verfechterin der Unabhängigkeit.

Pass von katalanischem Polizeichef eingezogen

Ebenfalls am Montag war der katalanische Polizeichef Josep Lluís Trapero nach einer Anhörung in Madrid unter Auflagen auf freien Fuß gesetzt worden. Die Auflagen für Trapero sehen vor, dass er Spanien nicht verlassen darf und sich alle zwei Wochen bei Gericht melden muss. Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Antrag auf Untersuchungshaft für Trapero ebenfalls auf "aufrührerisches Verhalten" verwiesen. Darauf stehen bis zu 15 Jahre Gefängnis.

Bei dem von der spanischen Justiz als rechtswidrig eingestuften Referendum sprachen sich am 1. Oktober 90 Prozent der Abstimmungsteilnehmer für eine Abspaltung der Region aus, die Wahlbeteiligung lag bei 43 Prozent.

Mit Material von AFP und Reuters
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten