
Wladimir Putin: Russlands Naturbursche
Keine Quadriga für Putin Kreml redet Preis-Blamage klein
Moskau/Berlin - Die Kritik war heftig, dann folgte die Ausladung: Wladimir Putin wird nun doch nicht für seine Führungsqualitäten mit dem deutschen Quadriga-Preis ausgezeichnet. Noch am Dienstag hatte die Jury entschieden, trotz der Kritik an der Auszeichnung Putins festzuhalten.
Nun hieß es, man sei "betroffen von der massiven Kritik in den Medien und Teilen der Politik an einer Entscheidung, die die bisherige Praxis der Kooperation und Verständigung aufnimmt und weiterentwickelt". Putins Nominierung als einer der vier Preisträger 2011 stehe "in einer Reihe mit bisherigen Entscheidungen, jeweils einen der vier Jahrespreise an Persönlichkeiten zu geben, die sich in besonderem Maße für die Beziehungen zum geeinten Deutschland eingesetzt haben", hieß es in der Erklärung weiter.
Auch die weiteren drei Nominierten, die mexikanische Außenministerin Patricia Espinosa, die türkischstämmige Autorin und Lehrerin Betül Durmaz und der palästinensische Premierminister Salam Fayyad werden nun keinen Preis bekommen. Die Vergabe fällt einfach aus. Wie es mit der Quadriga weitergeht, wird sich in den kommenden Wochen zeigen.
Schon in den nächsten Tagen wird sich zeigen, wie der Kreml mit der Preisaberkennung umgeht: Von Montag an finden in Hannover deutsch-russische Regierungskonsultationen statt, bei denen sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der russische Präsident Dmitrij Medwedew treffen. Große Delegationen aus Berlin und Moskau wollen dann über die bilaterale Beziehung reden und Verträge abschließen.
Am Samstagnachmittag erklärte Putins Sprecher, die Entscheidung des Kuratoriums schade den Beziehungen zwischen beiden Ländern nicht. "Dies hat nichts mit den deutsch-russischen Beziehungen zu tun", so Dimitri Peskow. Die russische Regierung werde "alle Entscheidungen dieser Organisation mit Respekt behandeln". Die Bundesregierung hatte sich aus dem Streit um die Preisvergabe herausgehalten und darauf verwiesen, dass es sich bei der Quadriga-Ehrung um eine Privatinitiative handle. Das Kuratorium hatte die Preisverleihung, die am 3. Oktober stattfinden sollte, offenbar im März mit Putins außenpolitischem Referenten abgestimmt.
Nach Ansicht des Politologen Wladislaw Below wird das deutsch-russische Verhältnis durch den Vorgang keinen Schaden nehmen. "Die Beziehungen sind fest und gut", sagte der Deutschland-Experte in Moskau. Doch: "Für Putin ist das ein Affront, sein Image wird dadurch beschädigt." Der Regierungschef stehe nun mit der "schlecht vorbereiteten Preisvergabe" unmöglich da.
Mathiopoulos kritisiert "heftig aufgekommenen Moralismus"
Die Historikerin Margarita Mathiopoulos, die Mitglied des Kuratoriums ist, kritisierte die öffentlichen Reaktionen auf die Pläne, Putin auszuzeichnen. Der "heftig aufgekommene Moralismus von verschiedenen politischen und publizistischen Ecken", erstaune sie, sagte Mathiopoulos der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Sie fragte: "Sind wir in dieser Republik nicht auch von Politikern wie Hans Globke, Herbert Wehner oder Joschka Fischer mitregiert worden? Hatten alle drei nicht auch eine kontroverse Vergangenheit?" In der Tat sei Putin kein "lupenreiner Demokrat". Aber auch "in lupenreinen Demokratien sind nicht unbedingt alle politisch Verantwortlichen lupenreine Demokraten".
Der Preis wird verliehen an "Vorbilder, die Aufklärung, Engagement und Gemeinwohl" verpflichtet sind. Dass ausgerechnet der russische Ministerpräsident ausgezeichnet werden soll, dessen Demokratieverständnis höchst umstritten ist, hatte einige Kuratoriumsmitglieder und frühere Preisträger erzürnt. Putin sollte laut Kuratorium "für seine Verdienste für die Verlässlichkeit und Stabilität der deutsch-russischen Beziehungen" geehrt werden.
"Leadership braucht Entschlossenheit"
Die Quadriga ist 1993 aus dem Verein Werkstatt Deutschland hervorgegangen, die Verleihung des Quadriga-Preises ist seit dem Jahr 2003 die wichtigste Aktivität des Netzwerks. Jeweils am 3. Oktober, meist im Konzerthaus am Gendarmenmarkt, trifft sich die Prominenz der Hauptstadt in Smoking und Abendkleid, um die Preisträger und sich selbst zu feiern. Die rund 200.000 Euro teure Preisverleihung sei ein "originärer Beitrag zu einer demokratischen und dennoch repräsentativen Feierkultur des Tages der Deutschen Einheit".
Michail Gorbatschow bekam schon eine goldene Quadriga in die Hand gedrückt, auch Helmut Kohl, Gerhard Schröder oder im vergangenen Jahr Karl-Theodor zu Guttenberg und der griechische Premier Georgios Papandreou. 2007 bekam der SPIEGEL als "Institution der Republik" den Preis.
Bereits am 7. Dezember vergangenen Jahres vereinbarte das Kuratorium, dass in diesem Jahr Personen unter dem Motto "Leadership" ausgezeichnet werden sollten. Das zu prämierende Anführertum definierte man unter anderem so: "Leadership braucht die Entschlossenheit für das Notwendige."