Kenia Die Schuldigen der Massaker sitzen heute im Kabinett
Kenia ist im Sommer 2008 wieder vom Radar der Weltöffentlichkeit verschwunden - ganz so wie das "Floß in der Nacht", als das der Schweizer Soziologe Jean Ziegler Afrika einmal bezeichnet hat. Nun treibt es einer ungewissen Zukunft entgegen.
Als die Kenya National Commission on Human Rights einige Monate nach den Unruhen in der ersten Jahreshälfte ihren Bericht über die Vorkommnisse vorlegte, blieb das Interesse gering. Dabei hatten die Menschenrechtler um Maina Kiai gute Arbeit geleistet. Und: In ihrem Bericht wurden Namen von Menschen genannt, die für die Gewalt verantwortlich waren, insgesamt 209.
So soll der Spitzenpolitiker William Ruto bereits im August 2007 die Vertreibung von Kikuyu aus dem Rift Valley geplant haben. Seine Parteifreundin Sally Kosgei von der Partei ODM (Orange Democratic Movement) soll Gewalt nicht nur geplant, sondern auch finanziert haben. Najib Balala soll Jugendliche mit 500 Schilling (rund fünf Euro) pro Kopf zu Gewalttaten angestiftet haben. Alle diese Herrschaften sind heute Minister in Kibakis Kabinett: als Landwirtschaftsminister (Ruto), als Hochschulministerin (Kosgei), als Tourismusminister (Balala).
Leider ist es ist nicht ganz leicht, dem Land eine günstige Prognose auszustellen. Es bleibt tief zerrissen, und die Zweifel an der Ehrenhaftigkeit seiner politischen Führung haben sich eher verstärkt. Es bleibt ein ungutes Gefühl, ein Land in so einem Zustand nach fünf Jahren zu verlassen. Viele Menschen sind mir ans Herz gewachsen, andere weniger - wie man vermuten kann. Natürlich denke ich manchmal mit Sorge zurück. Besonders an jene, die uns geholfen haben, uns in dieser fremden Welt zurechtzufinden: Betty und ihr Sohn Ryan, Andrew und Levy, Kim und Ben. Sie haben auch aufgepasst, dass uns in den fünf Jahren nichts zustieß. Selbstverständlich ist das keineswegs.
Ich weiß nicht, aus welchen Erkenntnissen die vielen Statistiken genährt werden, die Afrika immerfort auf dem Weg der Besserung sehen.
Ich kann diese Tendenz nicht erkennen. Man muss einen Blick auf die großen Staaten werfen, um zu begreifen, in welch verheerendem Zustand Afrika ist: Der Sudan (38 Millionen Einwohner) befindet sich im Zerfall. Die Konflikte in Darfur sind ungelöst und weiten sich auf Zentralafrika aus, und der Süden spaltet sich entweder demnächst ab, oder es droht ein erneuter Waffengang mit dem Norden.
Äthiopien (79 Millionen Einwohner) ist ein armer, ziemlich undemokratischer Staat, in dem innenpolitisch die Opposition brutal unterdrückt wird, und der außenpolitisch in eine mörderische und nahezu aussichtslose Auseinandersetzung mit den Islamisten in Somalia verstrickt ist.
In Nigeria (140 Millionen Einwohner) werden ununterbrochen Wahlen gefälscht, zudem ist der Staat hochgradig korrupt und ausgelaugt, obwohl er wegen seiner Ölvorkommen steinreich sein müsste. Unzählige Banden terrorisieren dort recht ungestört im Namen des Volks die Bevölkerung.
Im Kongo (67 Millionen Einwohner) ist die staatliche Autorität seit dem Sturz Mobutus atomisiert, außerdem wird der Osten von seiner Nachbarn Ruanda und Uganda und deren lokalen Helfershelfern ausgebeutet. Weite Teile des Landes befinden sich in den Händen von Milizen, und ein Ende ist nicht in Sicht.
Südafrika (48 Millionen Einwohner) steht die Tragödie womöglich erst bevor. Die weiße Mittel- und Oberschicht nimmt Reißaus, weil sie für sich keine wirtschaftliche Zukunft sieht, und der African National Congress zerfällt in einen radikalen Flügel um ANC-Führer Jacob Zuma und einen pragmatischeren um den Staatspräsidenten Thabo Mbeki, der Cliquenwirtschaft betreibt, und dessen Leute sich als "fat cats" die Stammplätze an den Futtertrögen des Landes gesichert haben. Darüber hinaus macht das Land hauptsächlich durch seine überbordende Kriminalität und ausländerfeindliche Ausschreitungen Schlagzeilen.
Daneben irrlichtern mittelgroße, wirtschaftlich einst erfolgreiche Staaten wie Côte d'Ivoire (21 Millionen Einwohner) und Simbabwe (12 Millionen Einwohner) zwischen Bürgerkrieg und Rekordinflation hin und her. Von Somalia (rund 10 Millionen Einwohner) ganz zu schweigen. Liberia (3,4 Millionen Einwohner) und Sierra Leone (5,2 Millionen Einwohner) wurden immerhin befriedet.
Richtig gut entwickeln sich nur Botswana (1,9 Millionen Einwohner) und Mauritius (1,25 Millionen Einwohner), und auch die Seychellen (85.000 Einwohner) bieten wenig Anlass zur Sorge.
Anders als Kenia.