

Es gibt wohl nicht viele Länder, in denen Nordkoreas Diktator Kim Jong Il ein herzlicher Empfang bereitet wird. Russland ist da eine Ausnahme: Nachdem der gepanzerte Zug des "geliebten Führers" am Wochenende die Grenze zu Russland bei Chassan passierte, nahm ihn eine freundliche Delegation in Empfang. Militärkapellen spielten am Wegesrand, Damen in traditionellen russischen Gewändern überbrachten Gastgeschenke wie Salz und Brot. Einmal soll Kim sogar, so wissen russische Medien zu berichten, seine Sonnenbrille gelupft haben, um ein Präsent zu betrachten.
Keine Frage: In Russland darf sich Kim unter Freunden fühlen.
Sein Zug kam am Dienstag in Russlands sibirischer Provinz Burjatien zum Stehen: Kim Jong Il traf am Nachmittag mitteleuropäischer Zeit in Ulan Ude am Baikalsee ein. Hier empfängt Kreml-Chef Dmitrij Medwedew Nordkoreas Diktator zu einem Friedensgipfel der besonderen Art.
Kim, der sein Land und den Nachbarn Südkorea im vergangenen Jahr mit Artilleriegefechten an den Rand eines Kriegs manövriert hatte, pflegt wegen seiner Flugangst nur mit dem Zug zu reisen. Auf den Gleisen der Transsibirischen Eisenbahn aber dauert eine Fahrt bis in Russlands Hauptstadt rund eine Woche. Medwedew eilt deshalb eigens aus dem 4500 Kilometer entfernten Moskau nach Osten, um dem seltenen Gast seine Aufwartung zu machen. Der unternahm erst einmal eine Bootstour auf dem Baikalsee.
Es ist mehr als nur ein symbolisches Entgegenkommen: Der letzte Staatsbesuch des nordkoreanischen Despoten liegt neun Jahre zurück. Nun will der Kreml die Chance nutzen, um seinen ambitionierten Plan zur Befriedung der koreanischen Halbinsel voranzutreiben.
Moskau will bei dem Gipfel Chancen ausloten, Nordkorea durch gemeinsame Wirtschaftsprojekte enger an sich zu binden - und so langfristig zu zähmen. Bei dem Gipfeltreffen in Burjatien, einer Provinz zwischen dem Baikalsee und der Mongolei, wollen die Staatschefs über den Bau einer Gaspipeline durch Nordkorea beraten.
Enorme Summen für das angeschlagene Nordkorea
Russlands Gasmonopolist Gazprom erwägt, ab 2017 zehn Milliarden Kubikmeter Erdgas nach Südkorea zu liefern, der Transport soll über nordkoreanisches Territorium erfolgen. Allein die fälligen Transit-Gebühren dürften laut südkoreanischen Schätzungen rund 500 Millionen Dollar jährlich in die Kassen des Nordens spülen. Eine enorme Summe für das von ökonomischen Problemen geplagte Land, dessen gesamte jährliche Wirtschaftsleistung auf gerade mal 40 Milliarden Dollar geschätzt wird.
In Moskau stehen zudem weitere Unternehmen bereit, um ihr Engagement in Nordkorea auszuweiten. So hat die russische Unternehmensgruppe Trest mehrere Joint Ventures mit der nordkoreanischen Regierung geschlossen. "Momentan modernisieren wir eine Raffinerie, die ab 2012 bis zu 2,5 Millionen Tonnen Erdöl verarbeiten soll", berichtet Trest-Chef Artjom Ataljanz.
Binnen eines Jahres sollen auch die Renovierungsarbeiten an einem Stahlkombinat abgeschlossen sein. "Nur durch die Entwicklung der Wirtschaft des Nordens kann die verfahrene Situation in Korea gelöst werden", so der Unternehmer. Zudem böten das gute Ausbildungsniveau und die hohe Disziplin nordkoreanischer Arbeiter beste Voraussetzungen für eine Investition.
Moskau will seinen politischen Einfluss stärken
Der Kreml wiederum rechnet sich vor allem eine politische Dividende aus. "In Moskau hofft man, dass die Transit-Einkünfte die Aggressivität des nordkoreanischen Regimes mindern", analysiert die angesehene Moskauer Tageszeitung "Kommersant". Fortschritte in der Korea-Frage würden zudem Russlands Ansehen in der Welt guttun. Zudem teilt das Riesenreich eine direkte Grenze mit dem schwierigen Nachbarn im Osten.
Russland aber strebt danach, seine strukturschwache Region Fernost ökonomisch eng mit den Wirtschaftsgroßmächten Ostasiens zu verflechten: Japan, China und Südkorea. Der Korea-Konflikt aber ist für solche Pläne Gift. Von wirtschaftlichen Zugeständnissen wie einer Verlängerung der Transsibirischen Eisenbahn nach Korea erhofft sich der Kreml daher eine Stabilisierung seiner unruhigen südöstlichen Nachbarschaft.
Nordkorea scheint zu Gesprächen bereit. Vor einem Jahr noch ließ das kommunistische Regime vor allem Waffen sprechen: Pjöngjang versenkte ein südkoreanisches Marineschiff und nahm die Insel Yeonpyeong unter Artilleriebeschuss. Jüngst aber intensivierte das Land seine diplomatischen Bemühungen: Im Juli trafen sich nordkoreanische Emissäre mit US-Diplomaten, zum ersten Mal seit zwei Jahren.
Und offenbar ist inzwischen auch eine Delegation russischer Militärs zu einem fünftägigen Besuch in Pjöngjang eingetroffen. Nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums wollen die beiden Länder unter anderem über eine Erneuerung ihrer militärischen Zusammenarbeit beraten.
Medwedew will mit Kim auch über Pjöngjangs Atomwaffenprogramm sprechen - und könnte wirtschaftliche Unterstützung von einem Entgegenkommen Nordkoreas abhängig machen. Von einem "ziemlich ambitionierten" Unterfangen spricht der Moskauer Außenpolitikexperte Fjodor Lukjanow, Herausgeber der Zeitschrift "Russia in Global Affairs", angesichts der russischen Pläne. "Die Diskussion über das nordkoreanische Atomprogramm steckt seit langem in einer Sackgasse. Aber so ein Projekt kann das ganze Beziehungsmuster zu Pjöngjang ändern", so Lukjanow.
Es sei schließlich besser, dem Regime im Gegenzug für die Einstellung seines Atomprogramms nicht nur "einen Sack Reis" zu bieten - sondern Gas und Transit-Gebühren.
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Angenehmer Empfang in Russland: Nordkoreas Diktator Kim Jong Il ist auf Staatsbesuch im Nachbarland. Die freundlichen Damen in Ostsibirien überreichten ihm Brot und Salz.
Handshake am Baikalsee: Am Mittwoch traf der nordkoreanische Machthaber mit Russlands Präsident Dmitrij Medwedew zusammen.
Bei den Gesprächen ging es unter anderem um das umstrittene nordkoreanische Atomprogramm und den Bau einer Pipeline nach Südkorea.
Kim Jong Il hat Russland seit 2002 nicht besucht. Nun wagte er sich erneut über die Grenze - unter strengen Sicherheitsvorkehrungen.
Er besuchte unter anderem ein Wasserkraftwerk in Talkan und wurde dabei von eifrigen Fotografen begleitet.
Ein kleines Buffet und eine dekorativ geschnitzte Melone hatten die Gastgeber beim Besuch im Wasserkraftwerk bereitgestellt.
Damit Kim Jong Il leichter aus dem Zug steigen kann, ist eine Rampe vorbereitet, ausgelegt mit einem roten Teppich und ausgestattet mit einem Geländer.
Auch auf diesem Bild ist eine Rampe zu sehen, diesmal - laut den Angaben der Bildagentur - dient sie allerdings nicht dem Aussteigen der Fahrgäste. Offenbar hatte Kims Entourage im Panzerzug ein Auto mitgeführt, in dem der Diktator zu einem Termin in der Innenstadt von Ulan Ude gefahren wurde.
Der nordkoreanische Machthaber fährt stets Zug, auch beim Ausflug nach Russland stieg er in seinen Sonderzug. Kim leidet angeblich an Flugangst.
Die Bahn überquerte im Osten des Landes bei Chassan die Grenze.
In Chassan wurde Kim Jong Il bereits erwartet, wenngleich die Wachen etwas weniger freundlich schauten als die traditionell gekleideten Damen.
Im Zugfenster spiegelt sich eine nordkoreanische Flagge. Auch ein Treffen mit Präsident Medwedew ist vorgesehen.
An Bahnübergängen sperrten Militärlastwagen die Straße ab, um den Despoten zu schützen
Welche Körbchengröße ist das? Nordkoreas Machthaber Kim Jong Il schaut sich beim Besuch einer Textilfabrik Büstenhalter an - das undatierte Foto wurde jetzt von der staatlichen koreanischen Nachrichtenagentur KCNA veröffentlicht.
Prüfender Blick: Kim Jong Il an einem Stand mit Seifen und Shampoos. Es ist die immer gleiche Prozedur - der Machthaber erscheint, inspiziert die Produktion seiner fleißigen Werktätigen und nimmt für den Fotografen eine Probe ihres Könnens in die rechte Hand. Nur beim...
...Besuch der Victory Car Plant musste er improvisieren. Anerkennend fährt seine Hand über den Kühlergrill des Trucks.
Die Sonnenbrille trägt Kim Jong Il fast immer, den weißen Kittel nur, weil er auf diesem Bild zu Besuch in einer Hühnerfarm zu sehen ist - Eier, Eier, Eier.
Gummistiefel in etlichen Farben: Kim Jong Il besucht eine Fabrik in Nordkorea. Das Foto wurde am 3. Dezember 2010 veröffentlicht.
Griff ins Regal: Kim Jong Il überzeugt sich von der Qualität nordkoreanischer Lebensmittel.
Seine Begleiter machen sich eilige Notizen in ihre Blöcke, Kim Jong Ils Miene verrät nur wenig über seinen Gemütszustand: Der nordkoreanische Machthaber bei einem Industrieunternehmen.
Dann mal Prost: Kim Jong Il an einem Getränkestand
Die Abfüllanlage läuft und läuft: Kim Jong Il bei einem Getränkehersteller.
Besuch in einer Textilfabrik: Das undatierte Foto von Kim Jong Il wurde am 7. Mai 2011 veröffentlicht.
Nordkoreas Machthaber Kim Jong Il: Dieses Mal an einem Gemüsestand
Kim Jong Il beim Lebensmittelhersteller Sonhung: Gespannte Blicke auf die Hand des Machthabers
Prächtig, wie die wachsen: Kim Jong Il in einem Gewächshaus, in dem Blumen gezüchtet werden
Unterwegs in der nordkoreanischen Provinz Pyongan: Kim Jong Il besucht ein Chemieunternehmen.
Lacht er etwa? Wirklich? Kim Jong Il zusammen mit Soldaten auf einem Gelände des nordkoreanischen Militärs - das undatierte Foto wurde am 4. August 2010 veröffentlicht.
Fotos und Dokumente: Kim Jong Il beim Besuch einer Ausstellung
Kim Jong Il besucht mal wieder eine Industrieanlage: Das Foto wurde am 1. Februar 2011 veröffentlicht.
Kim Jong Il lässt keinen Winkel der Textilfabrik aus: Das undatierte Foto von seinem Besuch wurde am 7. Mai 2011 veröffentlicht.
Und dieses Mal: ein Chemie-Unternehmen. Das undatierte Bild wurde am 8. Mai 2011 von der nordkoreanischen Nachrichtenagentur KCNA veröffentlicht.
Bestes nordkoreanisches Schreibwerkzeug: Kim Jong Il bei einem Hersteller von Stiften
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