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Prozessauftakt: Tod in einer Diktatoren-Dynastie

Foto: HEON-KYUN/ EPA/ REX/ Shutterstock

Toter Halbbruder von Kim Jong Un Giftmord vor Gericht

Im Februar 2017 starb Kim Jong Nam, Halbbruder von Nordkoreas Diktator, nach einer Attacke mit Nervengift. Nun startet der Prozess gegen die mutmaßlichen Mörderinnen - die sich angeblich in einer TV-Show wähnten.

Wie weit geht der nordkoreanische Diktator Kim Jong Un für den Machterhalt? 2013 ließ er seinen einflussreichen Onkel hinrichten. Und auch seinen Halbbruder Kim Jong Nam soll er auf dem Gewissen haben. Davon zumindest sind US-amerikanische und südkoreanische Geheimdienste überzeugt. Bewiesen ist das nicht.

Kim Jong Nam war im Februar in Malaysia getötet worden. Unter welchen Umständen, das sollen nun malaysische Richter klären: Ab Montag müssen sich zwei Frauen vor Gericht verantworten, die den Mord ausgeführt haben sollen - in einem Flughafen, am helllichten Tag und vor laufenden Überwachungskameras. Die Angeklagten sehen sich als Opfer eines Komplotts.

Was bislang zu dem Fall bekannt ist:

Die Tat

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Am 13. Februar wird ein Mann mit hellem Jacket am Flughafen von Kuala Lumpur von den Sicherheitskameras gefilmt. Im Abflugbereich schaut er auf eine Anzeigentafel, dann stellt er sich in eine Check-In-Schlange. Plötzlich taucht eine junge Frau in einem hellen Oberteil hinter ihm auf - LOL steht auf ihrem Shirt, die Abkürzung für den Ausdruck "laut loslachen". Blitzschnell fasst sie dem Mann von hinten ans Gesicht, sie und eine weitere Frau, die ebenfalls in der Nähe des Mannes steht, verlassen kurz darauf in verschiedene Richtungen die Szenerie. Beide sollen als nächstes eine Toilette aufgesucht haben, wohl um sich die Hände zu waschen. Dann verlassen sie den Flughafen.

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Der Mann bricht zusammen und stirbt auf dem Weg ins Krankenhaus. Laut Pass hieß er Kim Chol. DNA-Proben ergeben später aber, dass es sich um Kim Jong Nam handelt. Die malaysische Polizei zufolge wurde er mit dem Nervengift VX getötet - einem hochgiftigen Kampfstoff.

Das nordkoreanische Regime akzeptiert die Ermittlungsergebnisse nicht. Demnach handelt es sich bei dem Opfer nicht um Kim Jong Nam. Außerdem sei der Mann an einem Herzinfarkt gestorben. Der Fall sorgte für eine diplomatische Krise zwischen Malaysia und Nordkorea.

Das Opfer

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Kim Jong Nam ist der älteste Sohn von Kim Jong Il, dem verstorbenen zweiten Diktator Nordkoreas. Seine Mutter war eine bekannte Schauspielerin und Geliebte des Machthabers. Der versteckte den unehelichen Sohn zunächst vor der Öffentlichkeit und auch vor seinem eigenen Vater, Kim Il Sung. Berichten zufolge soll er den Jungen aber sehr verwöhnt haben. Später schickte er ihn auf eine Schule in Genf.

Nach seiner Ausbildung in der Schweiz bekam Kim Jong Nam in seiner Heimat einen Regierungsposten zugesprochen - Beobachter erwarteten, dass er Nachfolger seines Vaters werden würde.

Doch ein Zwischenfall im Mai 2001 vereitelte diese Pläne: Kim Jong Nam wurde mit einem falschen Pass am Flughafen Tokios aufgegriffen. Japan ist vielen Nordkoreanern als ehemalige Kolonialmacht bis heute verhasst. Drei Tage blieb Kim Jong Nam in japanischem Gewahrsam. Angeblich erklärte er im Verhör, er habe einen Vergnügungspark in Tokio besuchen wollen. Der Vorfall war für das Regime in Pjöngjang extrem peinlich - und führte de fakto zum Bruch des Diktators mit seinem Sohn.

Kim Jong Il mit seinem ältesten Sohn Kim Jong Nam (Archivbild von 1981)

Kim Jong Il mit seinem ältesten Sohn Kim Jong Nam (Archivbild von 1981)

Foto: HANDOUT/ AFP

Kim Jong Nam ging anschließend ins chinesische Exil. Dort soll er als mögliche Alternative protegiert worden sein, falls die mächtige Volksrepublik der Eskapaden von Kim Jong Un, nach dem Tod von Kim Jong Il an die Spitze des Regimes gerückt, überdrüssig würde.

Die meiste Zeit soll Kim Jong Nam mit seiner Geliebten auf Macau verbracht haben, dem Las Vegas Asiens. Von dort kritisierte er immer wieder öffentlich das nordkoreanische Regime und sagte dessen Kollaps voraus. Bereits 2012 soll Kim Jong Un den Mord an seinem Bruder befohlen haben. Warum es fünf Jahre dauerte, bis der angebliche Auftrag ausgeführt wurde, gehört zu den offenen Fragen.

Die Angeklagten

Zwei junge Frauen wurden nach dem tödlichen Angriff auf Kim Jong Nam festgenommen: Die Indonesierin Siti Aishah, 25, und die aus Vietnam stammende Doan Thi Huong, 28.

Polizeiaufnahmen von Siti Aishah und Doan Thi Huong

Polizeiaufnahmen von Siti Aishah und Doan Thi Huong

Foto: AP/ Royal Malaysia Police

Beide bestritten nicht, an der Attacke beteiligt gewesen zu sein - ihren Anwälten zufolge seien sie aber davon ausgegangen, an einer TV-Show beteiligt gewesen zu sein. Demnach sei ihnen gesagt worden, sie sollten dafür "Streiche" ausführen. Recherchen der "Zeit" zufolge sollen sie den Übergriff vorab fast ein Dutzend Mal geübt haben.

Die Vietnamesin war die junge Frau mit dem "LOL"-Shirt. Sie soll sich nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters einen Tag vor der Attacke noch die Haare kurz geschnitten und viel Bargeld bei sich gehabt haben. Genauso wie die zweite Frau lebte sie vorher in bescheidenen Verhältnissen.

Siti Aishah stammt aus den Slums Jakartas, hat einen Sohn und ist geschieden. Bevor sie nach Kuala Lumpur kam, um dort Arbeit zu finden, soll sie ein ruhiges Leben geführt und in der Schneiderei ihrer Schwiegereltern gearbeitet haben.

Der Prozess

Der Prozess gegen die beiden mutmaßlichen Mörderinnen wird am Gericht in Shah Alam, außerhalb der malaysischen Hauptstadt, stattfinden. Dutzende Dokumente, Aufnahmen von Überwachungskameras und die Aussagen von mehr als 30 Zeugen sollen dabei ausgewertet werden.

Einer ihrer Verteidiger, Gooi Soon Seng, warf den malaysischen Behörden vor, dass der Prozess nicht fair geführt werde. Ihm zufolge werden der Verteidigung wichtige Informationen vorenthalten. Seine Mandantin Siti Aishah werde auf unschuldig plädieren. Sie bleibt dabei, dass sie dachte, es habe sich um einen Streich gehandelt. Den beiden Frauen droht bei einer Verurteilung die Todesstrafe.

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