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CO2-Reduzierung Obama bekehrt Chinas Klimakiller

Die US-Regierung spricht von einem "historischen Schritt": Washington und Peking haben sich neue Klimaziele gesetzt. China will spätestens 2030 den Höhepunkt seiner CO2-Emissionen erreichen. Doch Umweltschützern reicht das nicht.

Peking/Washington - Barack Obama sieht bereits "einen Meilenstein in den Beziehungen zwischen den USA und China". In der Großen Halle des Volkes in Peking präsentierte der US-Präsident zusammen mit Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping die neuen Klimaziele der beiden Großmächte: Xi kündigte an, dass Peking spätestens 2030 den Höhepunkt seiner klimaschädlichen Kohlendioxid-Emissionen erreichen will. Bis dahin soll der Anteil erneuerbarer Energien auf etwa 20 Prozent steigern.

China verpflichtete sich aber nicht direkt zu einer Reduktion von Treibhausgasen. Um den Energiehunger in dem Boomland zu decken, setzt die Volksrepublik weiterhin auf den Bau von neuen Kohlekraftwerken. China hatte bislang eine Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Energien um 15 Prozent bis zum Jahr 2020 bekannt gegeben.

Die USA wollen nach Angaben von Obama bis zum Jahr 2025 den Ausstoß von Treibhausgasen um 26 bis 28 Prozent im Vergleich zum Jahr 2005 reduziert haben. US-Regierungsvertreter lobten die Einigung als Durchbruch. "Es ist ein historischer Schritt", sagte ein Regierungsbeamter. China habe erstmals einem solchen Abkommen zugestimmt. Die USA könnten ihre Ziele mit den bestehenden Gesetzen erreichen.

Bislang hatte Washington eine Reduktion der Treibhausgase um 17 Prozent bis 2020 unter dem Niveau von 2005 angestrebt. Mit dem neuen Ziel verschaffen sich die USA mehr Zeit, aber setzen sich dafür auch größere Ziele.

Erstmals tun sich damit die zwei größten Wirtschaftsmächte und CO2-Umweltverpester der Welt zusammen, um die Treibhausgase bis 2025 zu drosseln. Diese seltene Allianz zwischen zwei Weltmächten, die sich bisher in diesen Fragen oft vehement gegenübergestanden haben, könnte wegweisend sein für andere Industriestaaten - und für den Pariser Klimagipfel Ende nächsten Jahres. Bislang hatten sich unter anderem jedoch die USA und China gegen verbindliche Minderungsziele gesperrt.

Innenpolitischer Sieg für Obama

Hinter den Kulissen war das Abkommen seit neun Monaten heimlich in Arbeit. Obama schlug den gemeinsamen Ansatz in einem Brief an Xi vor und schickte seinen Klimabeauftragten, Bill Clintons Ex-Stabschef John Podesta, vorab nach Peking, um die wichtigsten Punkte auszuhandeln. Die letzten Details besprachen Obama und Xi bei ihren Treffen in den letzten zwei Tagen persönlich.

"Meiner Meinung nach ist es das wichtigste bilaterale Klimaabkommen aller Zeiten", sagte David Sandalow vom Center on Global Energy Policy der Columbia University und ein früherer Top-Beamter im US-Umweltministerium. "Es sendet das Signal, dass die zwei größten Ausstoßer (von CO2) der Welt zusammenarbeiten, um das Problem zu lösen."

Der frühere US-Vizepräsident Al Gore, einer der prominentesten Klimaadvokaten, nannte den Deal "einen maßgeblichen Schritt vorwärts im weltweiten Bemühen, die Klimakrise zu lösen".

Für Obama ist das Abkommen auch innenpolitisch ein Sieg, vor allem nach der herben Niederlage bei den Kongresswahlen. Bei denen hatte der Milliardär Tom Steyer als Top-Wahlkampfspender der Demokraten ein Vermögen in Kandidaten investiert, die sich vor allem in der Klimakrise engagierten. Das Thema blieb im Wahlkampf aber außen vor, und die meisten der von Steyer unterstützten Kandidaten verloren.

Im Kongress, der ab Januar in beiden Kammern in der Hand der Republikaner ist, könnte der Deal auf heftigen Widerstand stoßen. Viele klimafeindliche Konservative ziehen da jetzt ins Parlament. Senator James Inhofe, einer der berüchtigtsten Zweifler an der Erderwärmung und anderen wissenschaftlichen Erkenntnissen, wird wahrscheinlich den Vorsitz des wichtigen Umweltausschusses zugesprochen bekommen.

Erst am Dienstag hatten die Republikaner als eine ihrer Top-Prioritäten genannt, Obamas Klimapolitik zu bekämpfen und auch die US-Umweltbehörde EPA "weitmöglichst in die Schranken zu weisen", unter anderem durch scharfe Budgetkürzungen. Neue Klimagesetze dürfte Obama nicht durch diesen renitenten Kongress bekommen - nur an ihm vorbei. Schon lehnte der designierte Mehrheitsführer im Senat, der Top-Republikaner Mitch McConnell, den Deal kategorisch ab - als "unrealistischen Plan", der "höhere Stromkosten und weit weniger Jobs" nach sich ziehen würde.

Umweltschützern geht die Einigung nicht weit genug

Doch Umweltschützern geht die Ankündigung nicht weit genug. Greenpeace wertete die Ankündigung lediglich als ersten Schritt in die richtige Richtung. "Es gibt die klare Erwartung an die beiden Wirtschaftsmächte, großen Ehrgeiz zu zeigen", sagte Li Shuo, Klimaexperte von Greenpeace. Die Einigung zwischen Obama und Xi dürfe nur ein Mindestmaß an Klimazielen darstellen und nicht das Maximum.

Klimaexperte Tao Wang vom Tsinghua-Carnegie Center for Global Policy nannte die Ziele ein grundsätzlich positives Signal. Er kritisierte jedoch, dass sie nicht weit genug gingen.

Erst im Oktober hatte sich auch die EU neue Klimaziele gesetzt. Deutschland und die anderen 27 EU-Staaten einigten sich, den Kohlendioxid-Ausstoß bis zum Jahr 2030 im Vergleich zu 1990 verbindlich um mindestens 40 Prozent zu senken. Beim Anteil der Ökoenergien aus Sonne oder Windkraft setzten sich die EU-Staaten ein Ziel von mindestens 27 Prozent verpflichtend auf EU-Ebene. Beim Energieeinsparen soll der Wert von ebenfalls 27 Prozent unverbindlich auf EU-Level sein - nationale Unterziele soll es nicht geben.

als/mpi/dpa/Reuters/AFP/AP
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