Klimakämpfer Obama Grüner wird's nicht

US-Präsident Obama am Solar-Kraftwerk (in Arcadia, Florida): Neuer Stil, neuer Ton
Foto: Zach Boyden-Holmes/ AFPNun ist also Barack Obama schuld. Und mit ihm das ölabhängige, konsumversessene, oberflächliche, weltabgewandte Amerika. Der Messias vom Weißen Haus hat die Klimawende verheißen - und binnen zehn Monaten noch nicht durchgesetzt und abgehakt. Ohne gültiges Klimagesetz werden die Vereinigten Staaten im Dezember zur fahren.
Es ist Klimagipfel in Kopenhagen, und die USA liefern nicht. US-Präsident Barack Obama habe, so lässt sich unter anderem auch in einem Kommentar auf SPIEGEL ONLINE nachlesen, die Klimapolitik "nachrangig behandelt", seinen eigenen Anspruch als Weltbürger "verraten" und Europa "belogen". Er setze den "Klimakurs seines Vorgängers fort".
Hau den Obama. Das ist der neue Stil, der neue Ton. Da muss mal was raus. Enttäuschte Liebhaber sind besonders zickig.
Die Vorstellung, die US-Politik dürfe nicht anders sein als gut und rein, zählt zu den liebsten deutschen Klischees über die Vereinigten Staaten. Wird aber das Idealbild vom vorbildhaften Weltenlenker durch die Realität gestört, hagelt es Kritik. Die ist in ihrer Maßlosigkeit nur noch mit der vorangegangenen Erlösungserwartung zu vergleichen. Der supergute soll zwölf Jahre klimapolitische Stagnation im Nu vergessen machen und Europas Vorsprung bei der Transformation zur Null-Abgas-Welt in Windeseile wettmachen. Und wenn er das alles nicht rechtzeitig schafft, nun, dann setzt es Fettes.
Zu den Irrtümern über Obama zählt, dass der Mann nicht Gott und nicht König ist, sondern Präsident. Er mag zwar der mächtigste Mann der Welt sein, der mächtigste Mann Washingtons ist er deshalb noch lange nicht. Er lebt in einem Land, in dem es Gewaltenteilung gibt und das Prinzip des unabhängigen Abgeordneten. Und es gibt Interessen.
Da ist zum einen eine Opposition, die alles blockiert, was Obama vorschlägt, egal was es ist. Dann sind da Gewerkschaften, allzeit strukturkonservativ, die lieber sterbende Arbeitsplätze erhalten wollen als neue schaffen. Ferner gibt es Unternehmen, die das Recht auf ungebremste Verbrennung fossiler Brennstoffe als Voraussetzung ihres Gewinns sehen.
Und schließlich gibt es auch noch diverse Bundesstaaten, etwa zehn an der Zahl, in denen sich derlei Interessen bündeln. Die industrielle Struktur solcher Gebiete ähnelt der von Polen. Was Wunder, wenn die liebste Umweltpolitik dieser Bundesstaaten jener Polens ähnelt? Was Wunder, wenn sich Volksvertreter aus diesen Regionen, sofern den Demokraten zugehörig, Positionen zueigen machen, wie sie heute bisweilen noch in der IG Metall zu finden sind?
In Deutschland ist es Mode, sich für aufgeklärter zu halten
Hatte irgendjemand erwartet, dass es einfach sein würde, den Unternehmen und Verbrauchern in den USA neue Milliardenlasten aufzubürden? In Deutschland ist es Mode, sich für aufgeklärter zu halten. Man habe ja ein Handelssystem für Abgase, heißt es, das Luftverschmutzung teurer und auf Dauer unrentabel mache. Doch Vorsicht! Deutschlands wichtigstes Klimaschutzinstrument beruht auf einer europäischen Richtlinie, die hernach in nationales Recht verwandelt werden musste. Hätten deutsche Abgeordnete nach freier Debatte eine freie Entscheidung getroffen, wären sie vermutlich demselben Druck und denselben Interessen ausgesetzt gewesen wie heute ihre US-Kollegen.
Dank des europäischen Demokratiedefizits können sie sich nun ihrer Fortschrittlichkeit rühmen. Doch sogar unter diesen Bedingungen geht Deutschland bisweilen die Puste aus. Zum Beispiel vor einem Jahr, als es um die jüngste Version des europäischen Klimapakets ging. Eine Art Subventionsprogramm für neue Kohlekraftwerke wurde beschlossen. Damals hatte ohne Zweifel die Klimakanzlerin ihre Hand im Spiel.
Selbst wenn es Obama gleich morgen gelänge, den Kongress zu bezirzen, wären seine deutschen Kritiker lange noch nicht zufrieden. Denn der Gesetzesentwurf, der dort beraten wird, gehe nicht mal näherungsweise weit genug. Was der Kongress debattiere, sei lächerlich.
Nun, es kommt ganz auf den Maßstab an. Das erinnert an Walter Ulbricht, den einstigen Lenker der DDR. Der wollte einst den Westen "überholen ohne einzuholen".
So ein klimapolitsches Überholmanöver würde heute erfordern, dass die USA für das Jahr 2020 dieselben Reduktionsziele wie Europa akzeptieren, die Reduktionsmaßnahmen aber, weil sie später beginnen, schneller umsetzen. Präziser: etwa doppelt so schnell. Eine herkulische Aufgabe. Anders formuliert: eine Schimäre.
Fair wäre es zu vergleichen, was Amerika und Europa in Zukunft tun werden, sofern der Kongress das Gesetzgebungsverfahren abschließt. Da stellt sich heraus, dass beide Kontinente gleichauf liegen, egal welcher Maßstab: Kosten, Kosten als Anteil des Bruttosozialprodukts oder prozentuale Minderung von Emissionen.
Scheitert das Klimagesetz, will Obama mit einem Energiegesetz nachziehen
Zu den phantasiereicheren Vorwürfen an Obama zählt, der Mann habe sich nicht recht bemüht und lasse deshalb die Welt in im Stich. Zur Erinnerung: Kurz nach seiner Wahl, er war noch nicht im Amt, verpflichtete Obama seine Regierung zur Klimawende. Deshalb flossen im Konjunkturpaket 80 Milliarden Dollar in grüne Projekte, etwa Isolierungen von Häusern und modernisierte Stromleitungen. Die Abgasrichtlinien für Autos wurden verschärft. Die strengen kalifornischen Normen setzen sich nun durch, mit der Folge, dass eine Luxuskarosse süddeutscher Bauart in Amerika einen sparsameren Motor haben muss als in Deutschland.
Seit Obama regiert, darf die US-Umweltbehörde wieder durchgreifen. Für den Fall, dass der Kongress kein Klimagesetz verabschiedet, droht das Amt mit der Einführung des Emissionshandels auf dem Verordnungswege.
Scheitert das Klimagesetz, will Obama übrigens mit einem Energiegesetz nachziehen. Eine große Mehrheit scheint dafür sicher. Schärfere Abgasrichtlinien für Kraftwerke und striktere Effizienzvorgaben für Haushaltsgeräte sollen im Gesetzespaket enthalten sein. Sogar ohne Emissionshandel addieren sich die Maßnahmen zu einem eindrucksvollen Kurswechsel. Barack Obama hat "in den ersten acht Monaten seiner Amtszeit mehr für den Klimaschutz getan als sein Vorgänger in acht Jahren". Das schreibt die Heinrich-Böll-Stiftung, die als klimapolitische Leisetreterin bisher noch nicht aufgefallen war.
Zurück ins Zentrum der internationalen Klimadiplomatie hat Obama sein Land vom ersten Tag an geführt. Die Architektur eines künftigen Klimaabkommens ist zwischen den transatlantischen Partnern plötzlich nicht mehr umstritten. Es gibt keinen Dissens mehr über das Ausmaß des Klimawandels und dessen Bedrohlichkeit für die Menschheit. Dass alle Abgassünder zur Reduktion beitragen müssen, ist nunmehr ebenso Konsens wie die Einsicht, dass die Industrieländer die Führung übernehmen und den Entwicklungs- wie Schwellenländern helfen müssen.
Klimaschutz als Kern der politischen Agenda
Barack Obama stellt Klimapolitik sogar ins Zentrum der bilateralen Beziehungen mit Indien und China. Inzwischen hat er das Reduktionsziel vorgestellt, das die US-Unterhändler nach Kopenhagen mitnehmen werden. Der Präsident geht damit ein innenpolitisches Risiko ein. Schon einmal, bei den Klimaverhandlungen in Kyoto 1997, hatte die US-Regierung etwas versprochen, was der Senat nicht unterstützen wollte. Obama orientiert sich diesmal an Gesetzesvorlagen, deren Verabschiedung nicht gesichert ist. Das alles tut er, weil er Klimaschutz als Kern seiner politischen Agenda begreift.
Am 9. Dezember wird er nach Kopenhagen reisen und sein internationales Prestige einsetzen, um die Konferenz zu einem Erfolg zu machen. Er übernimmt jene Führung, die die Welt von ihm erwartet. Die Europäer haben die Wahl, auf Obama zuzugehen und damit die Chancen auf eine Verabschiedung des Klimapakets im Kongress zu erhöhen. Oder sie können die USA wegen mangelnder Ambition schelten und damit einen klimapolitischen Rückschlag riskieren.
Obama hat jedenfalls bisher getan, was einem einzelnen Menschen möglich war. Er ist der grünste Präsident der Geschichte seines Landes.