Obamas neue Klima-Regeln Doch noch kurz die Welt retten

Barack Obama wagt das Solo: Er diktiert Amerikas Kohlekraftwerken verbindliche CO2-Reduktionen, am Parlament vorbei. Dahinter steckt eine neue Regierungstaktik - und ein globaler Führungsanspruch.
US-Präsident Obama: "Unseren Kindern zuliebe"

US-Präsident Obama: "Unseren Kindern zuliebe"

Foto: AP/dpa

Der Spruch stammt aus einer Zeit, zu der Barack Obama noch als Politik-Messias durchging: Seine Präsidentschaft werde bedeuten, dass "der Meeresspiegel weniger schnell steigt und unser Planet zu heilen beginnt". So sagte es der Wahlkämpfer Obama im Jahr 2008.

Den großen Worten aber folgte: nicht viel. Der US-Präsident fand keine Mehrheit im Parlament, ein Klimaschutzgesetz scheiterte am Widerstand von Republikanern und einigen Demokraten aus Bundesstaaten mit Kohleförderung. Amerika blieb seiner Linie treu: Daheim den menschengemachten Klimawandel ignorieren, auf internationaler Ebene blockieren. So haben die USA das Kyoto-Protokoll nie ratifiziert. Und China, weltweit größter CO2-Emittent, konnte sich immer wieder auf die Amerikaner beziehen: Wenn die nicht vorangehen, warum sollte man dann selbst etwas tun?

"Sehnsüchtig erwartet"

Nun hat Obama die Taktik gewechselt, setzt auf Klimaschutz im Alleingang, ohne das US-Parlament. An diesem Montag hat er, wie bereits im letzten Sommer angekündigt, seine Umweltschutzbehörde (Environmental Protection Agency - EPA) neue Regeln für die rund 600 Kohlekraftwerke im Land verkünden lassen: Bis zum Jahr 2020 sollen deren CO2-Emissionen um 25 Prozent gesenkt werden; für 2030 sind minus 30 Prozent vorgesehen. Als Basis gilt das Jahr 2005. In einem Jahr soll die Regelung in Kraft treten, es liegt jetzt an den Bundesstaaten, diese Ziele umzusetzen. Sie sollen zum Beispiel über Systeme zum Emissionshandel, mehr Energieeffizienz oder grüne Technologien erreicht werden.

"Diese Ankündigung wurde von Umweltschützern sehnsüchtig erwartet", sagt Alexander Ochs, Direktor für Klima und Energie beim Washingtoner Worldwatch Institute, SPIEGEL ONLINE. Für Obama sei das der Versuch, "klimapolitisch relevant zu bleiben". Der Alleingang ohne Parlament erfolge "im Schulterschluss mit vielen Bundesstaaten und Gemeinden, die erste eklatante Auswirkungen des Klimawandels längst spüren", so Ochs.

EPA-Chefin McCarthy: Neue Klimaschutz-Regeln

EPA-Chefin McCarthy: Neue Klimaschutz-Regeln

Foto: CHIP SOMODEVILLA/ AFP

Obamas EPA-Trick geht so: Die einst vom Republikaner Richard Nixon gegründete Umweltbehörde hat das Recht, Standards festzulegen. Das klingt zwar alles nicht mehr so erhaben wie einst - dafür aber könnte es funktionieren. EPA-Chefin Gina McCarthy spricht bei der Präsentation des Plans statt über schmelzende Polarkappen dann auch lieber über die an Asthma leidenden Kinder Amerikas - Stichwort: Luftverschmutzung. Obama selbst meldet sich mit einer Videobotschaft zu Wort, aufgezeichnet in einem Washingtoner Kinderkrankenhaus: "Unseren Kindern zuliebe" müsse mehr getan werden.

Auf diese Weise hat Obama den Kongress bereits umgangen, als er neue Effizienzstandards für Autos sowie Regeln für neu zu errichtende Kohlekraftwerke festzurren ließ. Diesmal geht er noch einen Schritt weiter: Erstmals geben sich die USA ein verbindliches Klimaschutzziel. "Das ist einer der bedeutendsten Schritte, die je ein Präsident in der Klimapolitik unternommen hat", kommentiert die "New York Times". Immerhin verursachen die Kohlekraftwerke allein rund 40 Prozent der CO2-Emissionen Amerikas.

Mit ein wenig Abstand betrachtet liegt die Bedeutung allerdings eher in der Symbolik als in den Zielmarken. Dies ergibt sich aus dem Jahr 2005, das die EPA als Basis ihrer Berechnungen genommen hat. Denn in den Jahren seither ist der CO2-Ausstoß der US-Kraftwerke bereits deutlich gefallen: um 13 Prozent. Das liegt unter anderem am Naturgasboom in den USA.

Der Präsident regiert durch

Es dürfte also nicht allzu schwer sein, das Minus-30-Prozent-Ziel bis 2030 zu erreichen. Zugleich wird wohl Obama sein altes, wenn auch unverbindliches Versprechen vom gescheiterten Kopenhagener Klimagipfel 2009 einlösen können: die gesamten Treibhausgasemissionen in den USA bis 2020 um 17 Prozent zu senken. Schon damals galt 2005 als Basis-Jahr.

Die Klimaschutz-Vorgaben belegen den neuen Regierungsstil des Präsidenten. In den vergangenen Monaten scheint sich Obama damit abgefunden zu haben, dass er gegen den blockierten Kongress regieren muss. Im Weißen Haus läuft das unter dem Motto "Präsident statt Premierminister". Egal ob bei der Waffenplage, in der Einwanderungs- oder Wirtschaftspolitik: Überall versucht Obama, mit sogenannten Exekutivanordnungen weiterzukommen, wo ihm das Parlament den Weg versperrt. Gelingt nicht der große Wurf, dann soll es wenigstens kleine Fortschritte geben.

Die Botschaft aber sitzt dieses Mal: Obama macht den Klimaschutz zu einer politischen Priorität; und er signalisiert der Welt die Bereitschaft, die USA in dieser Sache von einer Blockade- zur Führungsmacht zu wandeln.

Obama wird bald die Gelegenheit haben, seine neue Entschlossenheit unter Beweis zu stellen. Im Inland ist mit juristischen Klagen und dem Widerstand der Republikaner zu rechnen. Und schon im kommenden Jahr sollen bei einer Klimakonferenz in Paris neue, global verbindliche Zielmarken aufgestellt werden. Dann ist Obama am Zug.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten