Parlamentswahl in Israel So wird die Knesset gewählt

Wahlplakate in Jerusalem
Foto: Ammar Awad/REUTERSWer oder was ist die Knesset?
Das israelische Parlament, die Knesset, besteht aus nur einer Kammer mit 120 Sitzen. Es ist gleichzeitig gesetzgebende und verfassunggebende Gewalt in Israel. Der Staat Israel hat (noch) keine geschriebene Verfassung im klassischen Sinne: Maßgeblich ist neben der Unabhängigkeitserklärung von 1948 eine Sammlung von Grundgesetzen, die die Knesset im Laufe der Jahre verabschiedet hat und noch verabschieden wird. Mittlerweile gibt es mehr als ein Dutzend Grundgesetze.
Darüber hinaus hat die Knesset eine wichtige Funktion im demokratischen System der "Checks and Balances": Die Abgeordneten der Knesset sprechen dem Regierungschef und seinen Ministern bei Amtsantritt das Vertrauen aus, wählen alle sieben Jahre den weitgehend repräsentativ agierenden Staatspräsidenten und kontrollieren die Regierung. Sie können mit einem konstruktiven Misstrauensvotum den amtierenden Ministerpräsidenten absetzen. Dazu ist die absolute Mehrheit von 61 Stimmen notwendig.

Das Knesset-Gebäude in Jerusalem
Foto: ABIR SULTAN/ EPA-EFE/ REXDie Knesset wird turnusgemäß alle vier Jahre neu gewählt. Häufig kommt es jedoch zu vorzeitigen Neuwahlen. Dazu kann sich etwa das Parlament, wie kürzlich geschehen, per Sondergesetz mit einfacher Mehrheit selbst auflösen und einen neuen Wahltermin festsetzen. Auch wenn das Haushaltsgesetz innerhalb einer festgelegten Frist keine Mehrheit findet, wird neu gewählt. Außerdem kann auch der Staatspräsident auf Empfehlung des Premierministers das Parlament auflösen.
Wie wird gewählt?

Israelische Wahlurnen
Foto: XinHua/DPADie Zusammensetzung der Knesset wird in allgemeiner, landesweiter, direkter, gleicher und geheimer Verhältniswahl bestimmt. Wahlberechtigt sind israelische Staatsbürger ab 18 Jahren, das sind dieses Mal gut 6,34 Millionen Menschen. Das gesamte Land zählt als ein einziger Wahlkreis. Briefwahl ist allerdings nicht möglich. Jeder Wähler hat eine Stimme. Es gibt für jede der etwa 40 Parteien beziehungsweise Listen einen eigenen Wahlzettel, der in der Wahlkabine ausgewählt, in einen Umschlag gesteckt und dann in die Wahlurne geworfen wird. Nach der Wahl kommen schätzungsweise 250 Tonnen Müll zusammen.
Kandidaten für einen Knesset-Sitz müssen mindestens 21 Jahre alt sein. Zur Wahl stehen Parteien oder Listen, auf denen sich mehrere Parteien zusammengeschlossen haben. Die Kandidaten auf den Listen werden je nach Partei entweder durch ihre Mitglieder oder Sympathisanten in Vorwahlen gewählt, zum Teil aber auch nur durch die Parteiführungen bestimmt. Die 120 Sitze werden unter den angetretenen Wahllisten proportional zu ihrem Stimmergebnis verteilt. Bekommt beispielsweise eine Liste oder Partei zehn Sitze, werden die ersten zehn Kandidaten auf ihrer Liste berücksichtigt. Seit 2014 gilt eine Sperrklausel von 3,25 Prozent der gültigen Stimmen, zuvor waren nur zwei Prozent nötig, um in die Knesset einzuziehen.
Wird der Kandidat der größten Fraktion automatisch Premierminister?
Nicht unbedingt: Jede Partei oder Liste mit Mandaten in der Knesset kann einen Premier vorschlagen. Da eine niedrige Sperrklausel gilt, gibt es im Parlament relativ viele Parteien. Nach der jüngsten Wahl errangen zehn Parteien oder Bündnisse Sitze im Parlament. Um zu regieren, muss ein Kandidat mit anderen Gruppen koalieren, um auf eine Mehrheit von mindestens 61 Stimmen zu kommen. Premier Netanyahu bildete 2015 zunächst gemeinsam mit vier weiteren Parteien eine Koalitionsregierung. Letztendlich beauftragt der Staatspräsident einen Kandidaten mit der Regierungsbildung. Er ist nicht verpflichtet, dafür die stärkste Kraft im Parlament auszuwählen. So hat etwa 2009 der damalige Präsident Shimon Peres Benjamin Netanyahu mit der Regierungsbildung beauftragt, obwohl dessen Likud nur zweitplatziert war, aber größere Chancen hatte, eine Mehrheit hinter sich zu versammeln. Nach Erhalt des Regierungsauftrags hat der Kandidat regulär 28 Tage Zeit, eine Koalition zu formen, mit Option auf Verlängerung von 14 Tagen.
Wie waren die Sitze in der Knesset zuletzt verteilt?
Welche Parteienbündnisse treten an?
Die zentrale Wahlkommission hat am 11. März 2019 etwa 40 Parteien oder Listen zugelassen, darunter:
Wie ist die Gemengelage vor der Wahl?
In Israel bestimmt nach wie vor die Sicherheitslage die politische Debatte: Zuletzt gab es wieder Raketenangriffe aus Gaza, für die die dort regierende Hamas verantwortlich gemacht wird. Darunter leidet Netanyahus Selbstinszenierung als einzig wahrer Verteidiger Israels. Ihm hilft allerdings, dass es seit Längerem keine größeren Anschläge mehr gab. Hardliner werfen Netanyahu trotzdem vor, er würde nicht entschlossen genug gegen die Aggression aus Gaza vorgehen. Für die nationalistischen Wähler und Siedler hat er deswegen kurz vor der Wahl eine Annexion von Teilen des Westjordanlands erneut ins Spiel gebracht. Zudem kann er außenpolitische Erfolge vorweisen: die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem und jüngst die von Trump angekündigte Anerkennung der 1967 besetzten und 1981 annektierten Golan-Höhen als Teil Israels. Auch das Atomabkommen mit Iran, gegen das Netanyahu immer opponierte, wurde von den USA aufgekündigt.
Der Premier gerät jedoch von anderer Seite unter Druck: Der Generalstaatsanwalt will Netanyahu wegen mutmaßlicher Korruption und Untreue anklagen. Das überschattet nun den Wahlkampf und könnte seinen Likud Sitze kosten. Die jetzt formierte und recht aussichtsreiche Liste Blau-Weiß hat sich auch deswegen hauptsächlich ein Anti-Netanyahu-Programm gegeben. Trotzdem werden einer rechten Koalition unter Netanyahu die besten Chancen eingeräumt.
In diesem Wahlkampf geht es auch um die Grundsatzfrage, welche Richtung Israel künftig einschlagen will: Netanyahu hat die israelische Gesellschaft mit seiner rechtsnationalen und in weiten Teilen populistischen Politik stark polarisiert. Unter ihm haben die Unabhängigkeit der Justiz und die Rechte von Minderheiten und Nichtregierungsorganisationen gelitten.