SPD und Europa Angela, geh du voran

Die SPD gelobt, in den Koalitionsverhandlungen Merkels Europa-Kurs zu ändern. Aber das Finanzministerium, das als einziges Ressort die Mittel dazu bietet, wollen die Sozialdemokraten anscheinend nicht übernehmen. Ein Fehler.
Steinmeier, Oppermann, Gabriel mit Merkel: Wer gibt den Ton an?

Steinmeier, Oppermann, Gabriel mit Merkel: Wer gibt den Ton an?

Foto: Carsten Koall/ Getty Images

Geht es um Europa, macht Deutschlands Sozialdemokraten derzeit rhetorisch niemand etwas vor. "Ein einfaches 'Weiter so' in der Europapolitik darf es mit Schwarz-Rot nicht geben", fordert Michael Roth, europapolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Europa endlich besser zu machen, müsse einer der Leitsätze einer möglichen Großen Koalition werden, so Roth. "Das europäische Einigungswerk bleibt die wichtigste Aufgabe Deutschlands", lautet die entschlossene Vorgabe der Sozialdemokraten für die Europa-Runde der Koalitionsverhandlungen an diesem Mittwoch.

SPD-Vertreter haben sich viele wichtige Fragen an den möglichen Koalitionspartner CDU/CSU aufgeschrieben:

  • Ob das Europa der Zukunft nicht eher einen Schutzwall gegen Spekulanten brauche als einen gegen Flüchtlinge.
  • Wie Details einer Finanztransaktionssteuer aussehen sollen.
  • Wann endlich ein europäischer Sozialfonds entstehe, eine tragfähige Bankenunion oder ein Schuldentilgungsfonds.
  • Und ob eine Währungsunion ohne eine politische Union dauerhaft funktionieren könne.

Kommt aber die Frage auf, wer derlei Anliegen gegen Kanzlerin Angela Merkel durchsetzen soll, die Europapolitik zur Chefsache erklärt hat, haben die Sozialdemokraten keine rechte Antwort parat. Dabei wäre diese so einfach: Ein SPD-Vertreter müsste an die Spitze des Finanzministeriums rücken.

Politische Zugeständnisse im Gegenzug

Das Ministerium verfügt als einziges Fachressort über genug Mittel zum Widerstand: Es ist ausgestattet mit der fachlich versiertesten Beamtenschar und einem zumindest theoretischen Vetorecht gegenüber der Kanzlerin. Wichtiger noch: Der Finanzminister repräsentiert Deutschland in der einflussreichen Runde der Euro-Finanzminister und prägt so maßgeblich die Entscheidungen der Staats-und Regierungschefs im Europäischen Rat. Ein hochrangiger FDP-Mann sagt: "Verzichtet die SPD auf das Finanzressort, wird die Kanzlerin sie in Sachen Europa gnadenlos übergehen. Tun sie dies, sind sie so dumm wie wir Liberalen bei der letzten Koalitionsbildung."

Aus der SPD heißt es nach SPIEGEL-Informationen, das Finanzministerium sei kein Muss. Gern überlasse man dessen Leitung der Union, wenn im Gegenzug ein paar politische Zugeständnisse abfielen.

SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann, ein möglicher Kandidat für das Amt, liebäugelt offenbar mit dem Innenministerium. Parteichef Sigmar Gabriel träumt womöglich von einem Superministerium aus dem bestehenden Wirtschaftsministerium, erweitert um Zuständigkeiten aus dem Umwelt- und Verkehrsministerium. Und Ex-Außenminister Frank-Walter Steinmeier möchte am liebsten weiterhin die SPD-Bundestagsfraktion dirigieren.

SPD traut sich das Amt nicht zu

Meinen die Sozialdemokraten das ernst, können sie auch gleich als Koalitionsmotto verkünden: Angela, geh du voran - und sich für die Dauer der politischen Zweckehe mit der Union als Gefolgsleute begreifen.

Zwar schließt sich die Entscheidung an einen Wahlkampf an, in dem SPD-Spitzenkandidat Peer Steinbrück den Eindruck erweckte, Europas Zukunft stehe nicht zur Wahl. Ausländische Beobachter fragten deutsche Journalisten damals verblüfft, wieso der Rest Europas Deutschlands Europa-Kurs kontrovers diskutierte - nur die deutsche Opposition nicht.

Außerdem können Sozialdemokraten ihren möglichen Verzicht natürlich eloquent erläutern. Die Leitung des Finanzministeriums sei derzeit politisch nicht opportun, argumentieren sie, schließlich gebe es mangels geplanter Steuererhöhungen kaum Geld zu verteilen. Auch wünsche Parteichef Sigmar Gabriel keine starke Konkurrenz durch einen selbstbewussten Parteifreund auf diesem Posten, heißt es. Und manche sozialdemokratischen Kandidatinnen und Kandidaten trauten sich das Amt in diesen schwierigen Zeiten schlicht nicht zu.

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