Gescheiterter Friedensplan für Syrien Das Versagen des Vermittlers Kofi Annan

Ab Donnerstagmorgen will Syriens Armee die Waffen schweigen lassen. Die Opposition glaubt den Versprechungen nicht - ähnliche gab es schon früher. Die Mission des Uno-Sondergesandten Kofi Annan scheint gescheitert. Das Assad-Regime ist überzeugt, noch Herr der Lage werden zu können.
Syrien-Sondergesandter Annan: "Er ist immer freundlich, erreicht aber nichts."

Syrien-Sondergesandter Annan: "Er ist immer freundlich, erreicht aber nichts."

Foto: Vahid Salemi/ AP

Von einem Scheitern seiner Mission wollte Kofi Annan auch dann noch nichts wissen, als es schon unabwendbar schien: "Die syrische Regierung hat mir versichert, den Waffenstillstand zu respektieren", sagte der Uno-Sonderbeauftragte am Mittwoch. Annan schien immer noch zu glauben, dass Syriens Regime seinem Versprechen doch noch nachkommen und ab Donnerstagmorgen um sechs Uhr Ortszeit die Waffen schweigen lassen werde.

Tatsächlich kündigte das syrische Verteidigungsministerium am späten Mittwochnachmittag an, dass die Kämpfe ab Donnerstag eingestellt werden sollten. Auf Angriffe der Rebellen würden die Regierungstruppen jedoch "angemessen reagieren". Versprechungen einer baldigen Waffenruhe machte Damaskus in den vergangenen Monaten mehrfach.

Längst ist absehbar, dass der Bürgerkrieg in Syrien weitergehen wird. Regierungstruppen standen - entgegen dem Friedensplan - auch Mittwoch noch in Syriens Städten und setzten dort schwere Waffen gegen bewaffnete Rebellen und die Zivilbevölkerung ein. Trotzdem legte Annan bei einer Pressekonferenz in Teheran ungebrochenen - und unbegründeten - Optimismus an den Tag: Er gehe davon aus, dass sich die Lage in Syrien am Donnerstagmorgen verbessern werde, so der Uno-Sondergesandte, der nach Iran gereist war, um mit den dortigen Assad-Verbündeten eine Lösung für den seit einem Jahr schwelenden Konflikt zu suchen.

Dass der Sechs-Punkte-Plan der Uno jetzt vor dem Scheitern steht, überrascht die meisten syrischen Oppositionellen nicht: Sie hatten sich von Anfang an skeptisch gegenüber Annans Initiative gezeigt. Obwohl der Plan vorsah, Assad zu einem Waffenstillstand zu bewegen, ohne ihm einen Machtverzicht abzuverlangen, schien er Kennern des Regimes von Beginn trotzdem wenig aussichtsreich.

Dass Annan und die Vereinten Nationen trotzdem an dem Plan festhielten, hat bei vielen regimekritischen Syrern blanke Wut geschürt. Sie werfen der Uno und ihrem Gesandten einerseits vor, Zeit und Energien verschwendet zu haben. Während sich die Welt über Wochen am Annan-Plan abgearbeitet habe, hätten andere, aussichtreichere Initiativen brach gelegen, bemängeln Mitglieder des Syrischen Nationalrats. Und Damaskus habe die vergangenen Wochen genutzt, um weiter zu töten.

Syrische Flüchtlinge beschimpften Annan

Annan, der doch als Friedensstifter angetreten war, ist zur Hassfigur vieler Regimegegner geworden. Dies zeigte sich erneut am Dienstag. Bei einem Besuch Annans in einem syrischen Flüchtlingslager im türkischen Yayladagi machten die Bewohner der Zeltstadt keinen Hehl aus ihrem Zorn auf den Uno-Mann. Sie beschimpften den Ghanaer in Sprechchören als "Lügner" und "Verräter".

Schon bei der Zusammenkunft verschiedener Oppositionsgruppen im Vorfeld der "Freunde Syriens"-Konferenz in Istanbul am 1. April hatten Dissidenten die Einsetzung Annans scharf kritisiert. Der Sondergesandte sei zu gutgläubig, bemängelte der Alt-Oppositionelle Haitham al-Maleh in Istanbul. Der Ghanaer unterschätze die Gewieftheit Assads und leiste ihm durch seinen unrealistischen Plan unwillentlich Schützenhilfe.

Die Wahl Annans sei kein Zufall, sondern eine hochpolitische Entscheidung gewesen, mutmaßte Maleh. Indem die Uno Annan vorgeschickt hätte, habe sie deutlich gemacht, dass sie sich in Wahrheit nicht für das Schicksal der Syrer interessiere. "Annan ist zu allen gleichbleibend freundlich, aber er erreicht gar nichts." Die Uno wolle mit seinem Einsatz Geschäftigkeit vortäuschen, um Ergebnisse gehe es nicht.

Tatsächlich hat Annan in seiner langen Karriere als Top-Diplomat der Uno schon öfter versagt. So ist seine Rolle während des Bürgerkriegs in Ruanda 1994 bis heute umstritten. Als damaliger stellvertretender Generalsekretär der Vereinten Nationen war Annan zuständig für die dortige Friedensmission. Der Kommandant der Blauhelm-Mission in dem afrikanischen Land, General Roméo Dallaire, warf ihm später vor, zu passiv auf den drohenden Genozid an den Tutsi reagiert zu haben. Annan habe den Uno-Truppen untersagt, gegen die Mörder vorzugehen und es unterlassen, die Blauhelme materiell und logistisch zu unterstützen. Annan gab später zu, nicht alles in seiner Macht stehende getan zu haben, um das Schlachten zu verhindern. "Nach dem Völkermord erkannte ich, dass ich mehr hätte tun können und sollen, um Alarm zu schlagen und Unterstützung zu organisieren", sagte Annan 2004 auf einer Gedenkveranstaltung.

Auch als Uno-Generalsekretär gab der Ghanaer Jahre später eine unglückliche Figur ab: Zwar bezeichnete Annan die US-geführte Invasion des Iraks als illegal, verhindern konnte er den Krieg jedoch nicht. Seinem Renommee schadeten diese Misserfolge kaum: Der 74-Jährige wird weltweit als integerer Vermittler geschätzt, der sich selten aus der Ruhe bringen lässt und mit sonorer Stimme Verhandlungsergebnisse präsentiert. Diese erweisen sich zwar hinterher gern mal als erfolglos, geben aber den Beteiligten das wohlige Gefühl, dass etwas unternommen wird.

Assad spielt weiter auf Zeit

Annan wurde am 23. Januar von den Vereinten Nationen und der Arabischen Liga zu ihrem Sondergesandten für Syrien ernannt. Die Araber hatten seinen Namen ins Spiel gebracht, weil Annan nicht in dem Ruf steht, zu USA-nah zu sein. Das - und sein Ruf als Softie - machte ihn sowohl für das syrische Regime als auch für Russland und China zum akzeptablen Vermittler.

Das sich nun abzeichnende Scheitern der Annan-Initiative wirft erneut die Frage auf, welche Strategie Baschar al-Assad verfolgt. Schon im Falle der Beobachtermission der Arabischen Liga schien das Regime erst einzulenken, nur um die Initiative später auflaufen zu lassen. Damals ließ Damaskus Beobachter zwar ins Land, jedoch nicht frei arbeiten. Diesmal gab Assad vor, sich dem Sechs-Punkte-Plan Annans zu verpflichten, nur um in letzter Sekunde Garantien für ein Einhalten der Waffenruhe seitens der Rebellen zu fordern. "Garantien zu fordern, die Annan nicht liefern kann, ist taktisch klug. Dadurch gewinnt das Regime erneut mehr Zeit", sagt ein westlicher Beobachter in Damaskus, der seinen Namen aus Sicherheitsgründen nicht nennen kann.

Assad sei überzeugt, dass er unmöglich Zugeständnisse machen kann, deshalb spiele er auf Zeit. "Für die syrische Regierung geht es um alles oder nichts, eine Teilung der Macht kommt nicht in Frage", so der anonyme Syrien-Experte. Der Hass der Rebellen auf die Unterstützer der Regierung sei inzwischen so groß, dass diese nach einem potentiellen Sturz Assads nicht mit Milde rechnen könnten. Die Männer des Regimes kämpften buchstäblich um ihr Überleben, da sei jeder gewonnene Tag ein Sieg.

Es war schließlich der iranische Außenminister Ali Akbar Salehi, der am Mittwoch in Worte fasste, worauf Assad und seine Berater mit ihren taktischen Manövern hinzuarbeiten scheinen. "Der syrischen Regierung muss die Chance gegeben werden, unter der Führung Baschar al-Assads die Dinge zu ändern", forderte Salehi bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Kofi Annan.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren