Markus Becker

Nukleargipfel Die gescheiterte Vision von einer atomwaffenfreien Welt

Barack Obama lädt die Welt zum Atomsicherheits-Gipfel. Doch mit seiner Vision, Nuklearwaffen abzuschaffen, ist der US-Präsident weitgehend gescheitert. Stattdessen droht ein neuer Rüstungswettlauf.
US-Präsident Barack Obama

US-Präsident Barack Obama

Foto: Carolyn Kaster/ AP

Amerika sei entschlossen, "den Frieden und die Sicherheit einer Welt ohne Atomwaffen zu suchen", sagte Barack Obama im April 2009. Kurz darauf lud er die Welt zum ersten Nukleargipfel, um seine Vision in die Tat umzusetzen. Jetzt findet das Treffen zum vierten und wohl auch letzten Mal statt, und es ist klar: Die Bilanz von Obamas Abrüstungspolitik ist ernüchternd.

Es gab einige beeindruckende Erfolge, etwa der New-Start-Abrüstungsvertrag mit den Russen, die Sicherung des hochangereicherten Urans der Ukraine oder das Atomabkommen mit Iran. Doch insgesamt ist die Welt heute weiter davon entfernt, atomwaffenfrei zu sein, als noch vor sieben Jahren - und daran ist auch Obama selbst schuld.

Zwar gab es Hindernisse, für die der US-Präsident nichts konnte, etwa die Blockadehaltung der oppositionellen Republikaner oder die zunehmend aggressive Politik der Russen. Doch den größten Fehler hat Obama selbst begangen: die Modernisierung der amerikanischen Atomwaffen.

Obama zahlte einen zu hohen Preis

Diese Modernisierung war der politische Preis dafür, dass der von den Republikanern dominierte Kongress dem New-Start-Vertrag mit den Russen zustimmte. Doch was als Programm zur Renovierung von teils jahrzehntealten Waffen begann, ist zu einem monströsen Vorhaben mutiert. In den kommenden 30 Jahren wird voraussichtlich eine Billion Dollar in neue Sprengköpfe, Raketen, Flugzeuge und U-Boote investiert. Es ist ein Umbau des gesamten US-Arsenals.

Die Russen reagieren auf ihre Weise und haben ebenfalls mit einer breit angelegten Modernisierung ihrer Atomstreitkräfte begonnen. Nun droht ein neuer Rüstungswettlauf, dessen Anzeichen bereits erkennbar sind.

Und wozu das alles? Atomwaffen sind in den meisten aktuellen Konflikten nutzlos: Sie haben weder den syrischen Diktator Assad vom Morden abgehalten noch den Vormarsch des "Islamischen Staats" gebremst. Sie haben weder die russische Annexion der Krim, noch Moskaus Intervention in der Ukraine verhindert. Und selbst wenn Russland erwägen sollte, mittels der hybriden Kriegführung auch die baltischen Nato-Mitglieder zu destabilisieren, wäre es fraglich, ob Atomwaffen eine glaubhafte Abschreckung böten.

Atomwaffen sichern den Frieden - das war einmal

Stattdessen stellen die weltweit rund 16.000 Nuklearwaffen heute ein echtes Sicherheitsrisiko dar - insbesondere in Ländern wie Pakistan, wo ein Atomkrieg mit Indien und der Diebstahl von Atomwaffen durch radikale Islamisten drohen. Letzteres wäre für den Westen der ultimative Albtraum.

Dessen Öffentlichkeit aber steht der Gefahr weitgehend indifferent gegenüber. So allgegenwärtig die Furcht vor Atomwaffen bis in die Neunzigerjahre war, so gründlich ist sie heute verschwunden. Das mag in der menschlichen Natur liegen: Bedrohungen, die verheerende Folgen hätten, aber nur mit geringer Wahrscheinlichkeit eintreten, werden notorisch unterschätzt. Doch hier geht es nicht um Meteoriteneinschläge oder anderen Naturkatastrophen, sondern um ein menschengemachtes Risiko, das sich mit Geld, Personal und technischen Mitteln eindämmen lässt.

Dies zu unterlassen wäre zutiefst verantwortungslos. Denn sollten Terroristen tatsächlich eine Atomwaffe in einer westlichen Großstadt zünden, wäre das nicht nur das Ende vieler Tausend Menschen. Es wäre wohl auch das Ende unserer freiheitlichen Lebensweise.

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