Korea-Konflikt "Kim verfolgt ein klares Ziel"

Was will Kim Jong Un? Warum setzt er auf schrille Drohungen gegen den benachbarten Süden und die USA? Ostasien-Experte Rüdiger Frank attestiert dem Machthaber ein rationales Verhalten und schließt eine militärische Auseinandersetzung nicht aus.
Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un: Neue Provokationen im Atomkonflikt

Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un: Neue Provokationen im Atomkonflikt

Foto: AFP/ KCNA

Seoul/Andorra - Die Ankündigung von Nordkorea, seinen Atomreaktor Yongbyon wieder in Gang zu setzen, ist die jüngste Provokation in einer langen Reihe von Drohgebärden des Machthabers Kim Jong Un. Die scharfe Rhetorik zwischen Nordkorea auf der einen und Südkorea sowie den USA auf der anderen Seite beunruhigt inzwischen auch zunehmend die Vereinten Nationen. Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon warnte am Dienstag vor einer Eskalation auf der koreanischen Halbinsel. Die Atomdrohungen seien kein Spiel, sagte Ban während eines Besuchs in Andorra.

Wie geht es weiter in dem Konflikt? Welcher Logik folgt Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un? Im Interview erklärt Rüdiger Frank, Vorstand des Instituts für Ostasienwissenschaften an der Universität Wien, welche Ziele Nordkorea verfolgt.

SPIEGEL ONLINE: Wie ist die Rolle von Nordkoreas Machthaber im Konflikt mit Südkorea und den USA einzuschätzen? Er ist ein junger, weitgehend unerfahrener Staatschef - ist davon auszugehen, dass er autonome Entscheidungen trifft, oder folgt er der Linie seiner Berater und Einflüsterer?

Frank: Man kann ein Land nicht allein führen, Kim Jong Un hat entsprechende Berater. Allerdings war er 2012, im ersten Jahr seiner Amtszeit, viel aktiver und sichtbarer als Beobachter das erwartet hatten. Kim Jong Un scheint also zumindest bis zu einem gewissen Punkt die Kontrolle im Land zu haben.

SPIEGEL ONLINE: Wie berechenbar ist Kim Jong Un?

Frank: Ich sehe überhaupt keinen Grund, ihm die Rationalität abzusprechen. Zumindest hat er sich bislang noch nicht besonders irrational verhalten - er hat möglicherweise einige Fehler gemacht, aber er verfolgt offenbar ein klares Ziel: Es geht ihm um die Verbesserung des Lebensstandards der nordkoreanischen Bevölkerung. Dafür hat er folgerichtige Schritte vorgenommen, etwa in Form von Joint Ventures und einer Reihe von neuen Wirtschaftsprojekten. Selbst die fatalen Raketen- und Atomwaffentests passen in das Gesamtbild hinein, das in Richtung einer größeren Wirtschaftsreform zu laufen scheint.

SPIEGEL ONLINE: Droht in dem Konflikt mit Südkorea und den USA ein militärischer Zusammenstoß?

Frank: Ja, schließlich stehen sich auf der koreanischen Halbinsel hochgerüstete Armeen gegenüber. Zu einem solchen militärischen Zusammenstoß würde es derzeit eher durch einen unbeabsichtigten Unfall kommen - eine langfristige Kriegsplanung ist jedenfalls nicht zu erkennen.

Fotostrecke

Yongbyon: Nordkoreas umstrittener Atomkomplex

Foto: REUTERS/Kyodo

SPIEGEL ONLINE: Nordkorea hat sich zuletzt zu einem Staat erklärt, der Atomwaffen zum Zweck der Verteidigung besitzt. Ist das Land auf dem Weg zur Nuklearmacht überhaupt noch zu stoppen?

Frank: Nein, Nordkorea ist auf diesem Weg wohl kaum mehr aufzuhalten. Das Land weiß, dass es konventionell einer Militärmacht wie den USA nichts entgegenzusetzen hätte. Pjöngjang ist deshalb davon überzeugt, Atomwaffen als Sicherheitsgarantie zu benötigen. Diese Idee wird bereits seit den fünfziger Jahren verfolgt. Der Rest der Welt sollte sich also an ein nukleares Nordkorea gewöhnen.

SPIEGEL ONLINE: China ist der einzige Verbündete Nordkoreas, hat derzeit offenbar aber keinen großen Einfluss mehr auf die Entscheidungen in Pjöngjang. Wie würde sich Peking im Ernstfall verhalten?

Frank: China hat ganz erheblichen Einfluss auf Nordkorea. Pjöngjang ist abhängig von wirtschaftlichen Lieferungen aus China, das Land wird zudem zunehmend zum Markt für nordkoreanische Produkte. Die Einflussmöglichkeiten sind also da, nur sind den Chinesen gewissermaßen die Hände gebunden - und zwar durch ihre eigenen politischen Interessen: Es geht um das strategische Spiel zwischen China und den USA um die Vorherrschaft in der Region. China will in Nordkorea keine Situation schaffen, die zu einer Konfrontation der beiden Großmächte führen würde. Peking tut deshalb alles, um Nordkorea zu stabilisieren.

SPIEGEL ONLINE: Der Korea-Konflikt ist also nur dann lösbar, wenn sich Washington und Peking wieder mehr vertrauen?

Frank: Wenn sie das jemals getan haben, ja.

SPIEGEL ONLINE: Pjöngjang will sein Atomarsenal ausbauen, hat aber auch einen Ministerpräsidenten ernannt, der für vorsichtige Wirtschaftsreformen steht - wie passen diese Vorhaben zusammen? Ohne Investitionen aus dem Ausland wird Nordkoreas Wirtschaft kaum vorankommen.

Frank: Das passt sogar gut zusammen. Zum einen geht es darum, nach innen Stärke zu demonstrieren. Kim Jong Un ist neu in seinem Amt, er hat einige Personalrochaden vorgenommen, das hat für Unruhe in Nordkorea gesorgt. Er muss jetzt also demonstrieren, dass er die Kontrolle über das Land hat. Gleichzeitig will er auch dem Ausland Stärke demonstrieren und deutlich machen, dass Pjöngjang nur dann dialogbereit ist, wenn dies auf Augenhöhe geschieht.

SPIEGEL ONLINE: Mit welchem nächsten Schritt rechnen Sie in dem Konflikt?

Frank: Ich hoffe, dass bei der Eskalation der Zenit überschritten ist. Üblicherweise folgen nach Phasen der Drohung auch wieder positive Angebote aus Nordkorea. Es kommt dann auch darauf an, ob sie von der Gegenseite angenommen oder zurückgewiesen werden.

Das Interview führte Björn Hengst
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten