Konflikt mit Palästina Netanjahu peitscht brisantes Siedlungsprojekt voran

Der Konflikt verschärft sich deutlich: Nach Palästinas Aufnahme in die Unesco forciert Israels Premier Netanjahu den Siedlungsbau in Ost-Jerusalem, 2000 neue Häuser sollen dort entstehen. Ein Sprecher von Fatah-Chef Abbas spricht von der "Zerstörung des Friedensprozesses".
Israels Premier Netanjahu: Siedlungsbau wird vorangetrieben

Israels Premier Netanjahu: Siedlungsbau wird vorangetrieben

Foto: GALI TIBBON/ AFP

Jerusalem - Die Antwort aus der israelischen Hauptstadt kam schnell. Und sie hat es in sich: 2000 neue Wohneinheiten sollen auf besetztem palästinensischem Gebiet entstehen. Laut Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sind entsprechende Bauprojekte in Ost-Jerusalem, Gusch Ezion sowie in der Siedlerstadt Maale Adumim geplant. Israel reagiert damit auf das Votum der Unesco, die die Palästinenser am Montag trotz scharfer Kritik aus Israel und den USA als Vollmitglied akzeptiert hatte.

Zudem entschied das Kabinett in einer Sondersitzung nach Angaben eines hochrangigen Regierungsvertreters, Geldzahlungen an die palästinensischen Behörden vorläufig zu stoppen.

Ein Sprecher von Fatah-Chef Abbas nannte die Maßnahme "unmenschlich", Israel zerstöre den Friedensprozess.

Wiederholt hat Israel im Vorfeld gedroht, die von ihm erhobenen, aber der palästinensischen Autonomiebehörde zustehenden Import- und Exportsteuern nicht länger an diese weiterzuleiten, sollte sich diese mit einem Gesuch um Mitgliedschaft an die Uno wenden. Eine endgültige Entscheidung stehe aber noch aus. Netanjahu hatte acht seiner Minister zu einem Krisentreffen zusammengerufen.

Berichte über eine baldige Bodenoffensive im Gaza-Streifen wollte eine Sprecherin des Regierungschefs am Dienstagabend dagegen nicht bestätigen. Zuvor hatte der stellvertretende Ministerpräsident Silvan Schalom gesagt, Israel erwäge angesichts des ständigen Raketenfeuers auf seine Grenzorte eine "dramatische Entscheidung".

Jerusalem fürchtet, dass die Aufnahme Palästinas in die Uno-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur nur der Anfang sein könnte. Tatsächlich kündigte Ibrahim Khraishi, Repräsentant Palästinas bei der Uno in Genf, am Dienstag an, sein Land werde schon in den kommenden Wochen bei 16 weiteren Uno-Organisationen um Aufnahme bitten.

Die Palästinenser setzen damit genau auf den Dominoeffekt, den Israel vermeiden wollte. " Palästina ist auf der Landkarte aufgetaucht, und es wird bleiben", hatte der palästinensische Außenminister Riad al-Malki nach der Unesco-Abstimmung frohlockt.

Im September hatte Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas im Namen des palästinensischen Volkes einen formellen Antrag auf Anerkennung als Staat und Aufnahme als Mitglied bei den Vereinten Nationen in New York gestellt. Auch wenn die USA signalisiert hatten, dass sie diesen Traum eines Palästinenserstaats mit ihrem Veto im Sicherheitsrat platzen lassen würden: Israel hat erkannt, dass die Palästinenser mit ihrem Gang zur Uno einen exzellenten Weg gefunden haben, ihr Image aufzupolieren.

Zwei weitere mögliche Strafmaßnahmen hält sich Israel laut der Zeitung "Haaretz" noch offen. Auch die Unesco soll möglicherweise abgestraft werden:

  • Verlust von Privilegien: Zum einen könnte ranghohen palästinensischen Offiziellen ihr Sonderstatus entzogen werden, der es ihnen ermöglicht, israelische Checkpoints im besetzten Westjordanland zu passieren. Ein Entzug der Genehmigung würde die Arbeit der palästinensischen Führung enorm erschweren. Zudem wäre es eine deutliche Beleidigung, wenn die Granden in Ramallah sich im eigenen Land nicht mehr frei bewegen dürften.
  • Maßnahmen gegen die Unesco: Nach dem Willen des rechtsnationalen israelischen Außenministers Avigdor Lieberman soll auch die Unesco für die Entscheidung vom Montag abgestraft werden. Israel werde seine Beziehungen zu der Kultur- und Bildungsorganisation überprüfen, so Lieberman.

107 Mitgliedstaaten stimmten für die Unesco-Aufnahme

Das Unesco-Votum - und die israelische Reaktion darauf - werden die erst kürzlich unter Vermittlung des Nahost-Quartetts begonnenen, ohnehin schon schwierigen indirekten Gespräche über eine Friedenslösung in Nahost zusätzlich belasten. Vor allen den USA drohen Kollateralschäden, sollten die Palästinenser darauf bestehen, ihren Antrag auf Vollmitgliedschaft in den Vereinten Nationen vor deren Sicherheitsrat zu bringen. Die USA werden dort ihr Veto einlegen - und dadurch nicht nur in der arabischen Welt weiter an Einfluss und Glaubwürdigkeit verlieren.

Immer weniger Länder verstehen die einseitige Unterstützung Israels durch die USA. Das wurde auch in Sachen Unesco deutlich. Die noch am Montag umgesetzte Drohung Washingtons, der Unesco ihre Beiträge zu streichen, sollte sie Palästina aufnehmen, habe für manche Mitgliedstaaten nach Erpressung geklungen und sie noch in ihrer Überzeugung gestärkt, mit Ja zu stimmen, so die dpa unter Berufung auf Unesco-Kreise.

In der Generalkonferenz der Unesco stimmten 107 Mitgliedstaaten für den umstrittenen Aufnahmeantrag. Von den drei größten Geldgebern votierten die USA und Deutschland dagegen. Japan enthielt sich der Stimme.

Ramallah plant nun, mehrere palästinensische Sehenswürdigkeiten als Unesco-Weltkulturerbe registrieren zu lassen. Zuerst will es erneut versuchen, Betlehem mit der Geburtsstätte Jesu Christi schützen zu lassen. Ein früherer Antrag war abgelehnt worden, weil Palästina kein Vollmitglied in der Organisation war.

Am Dienstag hat auch Kanada angekündigt, die geplanten Zahlungen an die Unesco zu stoppen. Die Aufnahme der Palästinenser sei nicht im besten Interesse des Friedens im Nahen Osten, erklärte Außenminister John Baird. Jährlich unterstützt Kanada die Arbeit der Organisation mit umgerechnet über sieben Millionen Euro.

puz/jok/Reuters/dpa
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