Kirow - Nun steht das Urteil: Auf Kreml-Kritiker Alexej Nawalny warten fünf Jahre Haft. Seine politische Karriere ist damit praktisch beendet. Der 37-Jährige wurde in Kirow, 900 Kilometer östlich von Moskau, der Unterschlagung schuldig gesprochen.
Nawalny war am Mittwoch als Kandidat zur Bürgermeisterwahl in Moskau zugelassen worden, hätte aber nur im Fall eines Freispruchs antreten dürfen. Der Richterspruch ist noch nicht rechtskräftig. Die Verteidigung kündigte Berufung an.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Anwalt und Blogger 2009 in seiner Zeit als Berater des liberalen Gouverneurs der Region Kirow 10.000 Kubikmeter Holz unterschlagen hat. Der Gesamtschaden soll bei umgerechnet 400.000 Euro liegen. Die Staatsanwaltschaft hatte sogar sechs Jahre Haft gefordert.
SERGEI KARPUKHIN/ REUTERS
Das Urteil war in Russland mit großer Spannung erwartet worden. Schon in der Nacht zu Donnerstag hatten sich vor dem Gerichtsgebäude mehr als hundert Reporter versammelt, um im Saal einen der 60 Plätze zu besetzen, wie die Agentur Interfax meldete.
Nawalny wies die Anschuldigungen im Prozessverlauf als politische Inszenierung zurück. Seit langem kritisiert er die Politik des Kreml öffentlich in Blogs und Vorträgen und gilt als eines der Gesichter der Opposition. Der Prozess um das angeblich unterschlagene Holz sei nun die Strafe dafür, vermuten seine Unterstützer. Bürgerrechts-Legende Ljudmila Alexejewa sprach von einem "politischen Prozess, um Nawalnys politische Karriere zu beenden".
"Es gibt keine Beweise", hatte seine Verteidigerin Olga Michailowa in ihrem Schlussplädoyer betont. Zeugen hätten ihren Mandanten entlastet.
In Moskau warnten die Behörden vor möglichen Protesten der Opposition gegen einen Schuldspruch. Es gebe keine Genehmigung dafür, hieß es. Die russischen Sicherheitskräfte greifen immer wieder hart gegen regimekritische Demonstranten durch.
Mit dem Urteil verliert Nawalny auch das Recht auf politische Betätigung. Präsident Putin hat Anfang dieses Jahres ein Gesetz in der Duma eingebracht, dass Vorbestraften verbietet, bei Wahlen zu kandidieren. Zwar kann Nawalny weiter als Bürgermeisterkandidat in Moskau antreten, sollte er in Freiheit bleiben. Bis das Urteil rechtskräftig ist, genießt der Politiker Schutz, teilte die Wahlleitung in Moskau mit. Dabei handelt es sich jedoch um einen formalen Vorgang. Die Abstimmung findet am 8. September statt.
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Russischer Aktivist Nawalny: Der Kreml hat mit einem Urteil wegen der Unterschlagung von Holz einen seiner schärfsten Kritiker kaltgestellt.
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Das Strafmaß gegen den prominenten Anwalt und Blogger steht nun fest: Auf ihn warten fünf Jahre Haft.
Nawalny im April 2013: Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig. Die Opposition spricht von einem Schauprozess.
Mit dem Urteil verliert Nawalny auch das Recht auf politische Betätigung. Er will als Bürgermeisterkandidat in Moskau antreten, sollte er in Freiheit bleiben.
Nawalny im Saal des Lenin-Bezirksgerichts in Kirow. Die Staatsanwaltschaft hatte sogar beantragt, den Blogger zu sechs Jahren Gefängnis zu verurteilen. Außerdem forderte Ankläger Sergej Bogdanow eine Geldstrafe in Höhe von einer Million Rubel, umgerechnet etwa 23.000 Euro.
Unterstützung für den Kreml-Kritiker: Mitte Juni protestierten Tausende mit Nawalny (Mitte) in Moskau gegen seinen Prozess.
Ein Jahr zuvor, Juni 2012: Beamte verlassen die Wohnung von Nawalny in Moskau - sie haben Kartons mit sichergestellten Beweismitteln dabei.
Nawalnys Wohnung nach der Durchsuchung: Die Ermittler werfen Nawalny vor, sich im Jahre 2009 als Berater des Provinzgouverneurs von Kirow - einer Industriestadt 600 Kilometer nordöstlich von Moskau - unrechtmäßig bereichert zu haben. Mit einem Kompagnon habe er das Unternehmen WLK gegründet und dann den staatlichen Forstbetrieb in Kirow gezwungen, 10.000 Kubikmeter Holz unter Marktpreis an WLK zu verkaufen.
Nawalny bestreitet die Vorwürfe. Er beteuert, er sei unschuldig. Hier demonstriert er in Moskau im vergangenen Oktober - auf dem Schild steht: "Ich bin gegen Verfolgung und Folter."
Der Blogger ist zu einem der wortgewaltigsten Kritiker von Präsident Wladimir Putin geworden, er hatte Fälle von Korruption und Machtmissbrauch in Russland öffentlich gemacht. 2011 war er einer der Organisatoren der Massenproteste gegen den Staatschef - dafür musste er 15 Tage in einem Moskauer Gefängnis einsitzen.
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