Krieg in Libyen Gaddafi-Truppen feuern Scud-Rakete ab

Aufständische in Libyen: Die Kämpfer haben die Ölstadt Brega eingenommen
Foto: Alexandre Meneghini/ APWashington - Die Rebellen in Libyen gewinnen an Boden, jetzt greift Machthaber Muammar al-Gaddafi zu härteren Waffen. Regierungstruppen haben nach Angaben aus dem US-Verteidigungsministerium erstmals seit Beginn der internationalen Luftangriffe eine Scud-Rakete abgefeuert. Die Kurzstreckenrakete habe aber ihr Ziel verfehlt und sei in der Wüste gelandet, sagte am Montag in Washington ein Ministeriumsvertreter, der anonym bleiben wollte. Die Rakete sei von Sirt aus abgefeuert worden, der Hochburg Gaddafis. Sie habe offenbar die Stadt Brega zum Ziel gehabt, die am Montag teilweise von den Rebellen erobert worden war.
Scud-Raketen gelten als wenig zielgenau. Die abgefeuerte Rakete soll ihr Ziel sogar um rund 80 Kilometer verfehlt haben - und landete in der Wüste. Niemand sei verletzt worden, sagte der US-Vertreter. Es war das erste Mal seit Beginn der internationalen Luftangriffe auf Libyen im März, dass die libyschen Regierungstruppen eine Scud-Rakete einsetzten.
Scud-Raketen wurden bereits Ende der fünfziger Jahre entwickelt und in viele damalige Partnerländer der einstigen UdSSR exportiert. Die unpräzisen und unzuverlässigen Waffen waren bereits während des Golfkriegs 1990 von den Truppen des früheren irakischen Diktators Saddam Hussein auf Ziele in Saudi-Arabien und in Israel abgefeuert worden. Die meisten Raketen verfehlten damals ihre Ziele. Experten zufolge besitzt Libyen etwa 240 von der Sowjetunion produzierte Scud-Raketen mit einer Reichweite von etwa 300 Kilometern. Die meisten Vorratslager wurden bereits zu Beginn des Kriegs vor einem halben Jahr von der Nato bombardiert, die die Rebellen mit Luftangriffen unterstützt.
Die Aufständischen haben zuletzt mehrere wichtige Städte an der Küste eingenommen und damit nach eigenen Angaben Tripolis vollständig umschlossen. Gaddafi wird in der Hauptstadt vermutet.
Gaddafi-Millionen für die Rebellen
Auch finanziell wird es für den Machthaber mittlerweile eng. So geben die Niederlande rund hundert Millionen Euro aus eingefrorenen Geldern Gaddafis frei. Die Regierung entspreche damit einer Bitte der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die dringend Mittel zur medizinischen Versorgung der Bevölkerung brauche, erklärte Außenminister Uri Rosenthal am späten Montagabend.
"Unsere Sanktionen richten sich gegen das Regime. Die Bevölkerung darf kein Opfer davon sein", sagte er. "Und das ist genau, was jetzt geschieht: Eingefrorenes Geld von Gaddafi wird dazu benutzt, libysches Leben zu retten."
Allein die Niederlande haben insgesamt drei Milliarden Euro aus Libyen gesperrt. Ein Ministeriumssprecher schloss nicht aus, dass die Regierung daraus noch mehr Mittel freigibt. Der WHO zufolge fehlt es in den libyschen Kampfgebieten vor allem an Medikamenten zur Behandlung von Diabetes und Herzkrankheiten sowie Nachschub für chirurgische Eingriffe. Der Aufstand gegen Gaddafi hält seit einem halben Jahr an.
Geheimverhandlungen dementiert
Die Rebellen dementierten inzwischen erneute Berichte über Geheimverhandlungen mit Vertretern Gaddafis. "Es gibt keine Verhandlungen oder Gespräche zwischen dem Gaddafi-Regime und dem Nationalen Übergangsrat, weder in Tunesien noch anderswo", sagte der Vizepräsident des Übergangsrats, Abdul Hakim Ghoga, in der Rebellenhochburg Bengasi.
Zuvor hatte es aus tunesischen Sicherheitskreisen geheißen, Vertreter beider Seiten hätten sich auf der tunesischen Ferieninsel Djerba getroffen. Die Gespräche seien unter strengen Sicherheitsvorkehrungen in einem Hotel geführt worden.
Die Angaben über die Geheimgespräche hatten Hoffnungen auf eine Verhandlungslösung geweckt. In verschiedenen Medien und Online-Netzwerken hatte es geheißen, dass sich Gaddafi womöglich schon bald ins Exil begeben könnte.