SPIEGEL ONLINE

Ukraine-Russland-Konflikt Kalter Krieg in Europa

Der Westen ist fassungslos. Wladimir Putin schafft auf der Krim Fakten. Er glaubt sich in einem neuen Kalten Krieg. Europa kann dem russischen Präsidenten wenig entgegensetzen. Immer verzweifelter fleht die neue ukrainische Regierung um Hilfe.

Es ist, als wache Europa plötzlich in einem längst vergangen geglaubten Zeitalter wieder auf. "100 Jahre nach 1914 sind wir plötzlich wieder in einem Europa von Invasion, Aggression und Drohungen eines massiven Einsatzes militärischer Gewalt", twitterte Carl Bildt, Schwedens Außenminister, am Sonntag. US-Außenminister John Kerry ging sogar noch weiter zurück und warf Russland ein Verhalten vor "wie im 19. Jahrhundert".

Während man in den EU-Hauptstädten noch Terminkalender abgleicht für Sondergipfel und Vermittlungsgespräche, hat Russland in der Ukraine militärisch Fakten geschaffen. Seit drei Tagen kontrollieren Kämpfer, die offenbar russischen Eliteeinheiten angehören, Teile des Nachbarlandes - Wladimir Putins Operation Protektorat Krim. (Die Ukraine-Ereignisse des Tages im Liveticker finden Sie hier.)

Fassungslos muss Europa feststellen, dass Moskau und Brüssel die gemeinsame Nachbarschaft mit anderen Augen sehen - wie schon in Georgien 2008, wo Putin die Gelegenheit nutzte, um zwei von der Zentralregierung in Tiflis unabhängige russische Protektorate zu schaffen.

Wo die Europäer von geteilten Interessen, Wirtschaftsentwicklung und einer "Win-win-Situation" für alle schwärmen, sieht der russische Präsident Geopolitik und Einflusssphären: ihr oder wir. Das Chaos nach den Protesten in Kiew und dem vom Westen unterstützten Machtwechsel hat Putin zum Einmarsch genutzt.

Steinmeier warnt vor einer neuen Spaltung Europas

Mit Gewalt zwingt Putin Europa seine Kalter-Krieg-Logik auf. Der russische Präsident setzt darauf, dass es ein einseitiger Krieg bleibt, den er nur gewinnen kann, weil der Westen sich nicht auf seine Logik einlässt.

Zwar ist Putins Russland längst keine Supermacht mehr. Aber das macht wenig, denn wo sich einst zwei Großmächte gegenüberstanden, herrscht nun Vakuum. Putin weiß, dass Washington keine Lust mehr hat, für die Ukraine den Weltpolizisten zu spielen. Und die Europäer suchen nach einer Strategie. Für Montag ist ein Sondertreffen der EU-Außenminister in Brüssel geplant.

"Noch ist Umkehr möglich. Noch kann eine neue Spaltung Europas verhindert werden", sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier am Sonntag. Doch in Europas Hand liegt dies nicht, sondern allein in den Händen des russischen Präsidenten.

"Das ist Alarmstufe Rot"

"Echte Schritte" forderte Alexander Turtschinow, Ukraines Übergangspräsident, von der Weltgemeinschaft. Die neue Regierung in Kiew scheint immer verzweifelter.

"Das ist Alarmstufe Rot. Das ist nicht allein eine Bedrohung. Das ist eine Kriegserklärung an mein Land", sagte der ukrainische Übergangspremierminister Arsenij Jazenjuk am Sonntag. "Wir stehen vor einer Katastrophe."

Frankreichs Außenminister Laurent Fabius drohte am Sonntag, der Westen sollte die Vorbereitungen des geplanten G-8-Treffens in Sotschi boykottieren, bis Russland wieder zu den "gemeinsamen Prinzipien" zurückkehre. Man werde bis an die Grenzen des Möglichen gehen, um Russland zu isolieren, sagte US-Außenminister John Kerry.

Kerry drohte Putin mit Sanktionen. Reisebeschränkungen seien denkbar sowie der Verlust von Russlands G-8-Mitgliedschaft. Auch Großbritannien hat bereits angekündigt, das geplante G-8-Vorbereitungstreffen zu boykottieren. Ob sich Putin davon beeindrucken lässt, muss sich zeigen.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten