Medien in der Krim-Krise Scharmützel im Propaganda-Krieg

Das Gefecht der Worte hat im Streit um die Krim längst begonnen: Vor allem die staatlich gelenkten russischen Medien wiegeln die eigene Bevölkerung auf, berichten von angeblichen Flüchtlingsströmen oder Söldnern aus dem Westen. Doch auch andernorts wird Merkwürdiges gemeldet.
Von Philipp Alvares de Souza Soares
Russisches TV im Krim-Konflikt: Die Bösen sind immer auf der anderen Seite

Russisches TV im Krim-Konflikt: Die Bösen sind immer auf der anderen Seite

Foto: STRINGER/ REUTERS

Berlin - Das erste Opfer eines Krieges, so heißt es, sei die Wahrheit. Das gilt auch für den aktuellen Konflikt auf der Krim. Dabei versuchen beide Seiten, ihr Gegenüber in ein möglichst schlechtes Licht zu rücken.

Vor allem die staatlich gelenkten russischen Medien haben ihre journalistischen Standards scheinbar längst den Wünschen des Kreml angepasst. Mit Falschmeldungen schüren sie die Angst der Bürger. "Unsere Propaganda in den Staatsmedien ist wahrlich außer Kontrolle geraten", schrieb der frühere Wirtschaftsminister Andrej Netschajew auf Twitter. Die Bösen dieser Erzählung sind die ukrainischen Nationalisten und - natürlich - der Westen. Der russische Militäreinsatz wird hier zur noblen Verteidigungsaktion.

Die ukrainischen Medien unterstreichen hingegen das Bild der unberechenbaren Russen, die kurz davor sind, Gewalt einzusetzen. Die eigenen Leute werden motiviert, sich der Bedrohung tapfer entgegenzustellen.

SPIEGEL-ONLINE hat einige Beispiele für Propaganda im Krim-Konflikt gesammelt:

  • Falsche Berichte über die westlichen Medien

Falsche Berichte, "Schwarzweißmalerei": Für den russischen Radiosender Voice of Russia ist es bereits eine ausgemachte Tatsache, dass die meisten deutschen Medien unausgewogen über die Situation auf der Krim berichten. Als Beleg für diese These zitierte der Sender am Sonntag aus dem SPIEGEL-ONLINE-Forum . Viele der Beiträge, so Voice of Russia, würden zeigen, wie sehr die Leser mittlerweile die Einseitigkeit der Journalisten durchschauen würden. Sie würden die Legitimität der ukrainischen Übergangsregierung in Frage stellen und Russland das Recht zum Schutz seiner Schwarzmeerflotte zuerkennen.

Die Radiowellen des WDR und der TV-Sender N24 hätten laut dem Staatssender "über Nacht" ihre Meinung geändert: Statt von einer russischen Invasion würden sie nun von prorussischen Protesten berichten. Die Website "Sputnik und Pogrom" schlägt ähnliche Töne an. Die westliche Presse habe "begonnen, den Kurs der Russischen Föderation in der Krim-Krise zu unterstützen", heißt es dort.

Diese Art von Propaganda ist zwar leicht durch eine Google-Suche zu widerlegen, wurde in den sozialen Netzwerken aber dennoch tausendfach geteilt.

  • Meldungen über Flüchtlingsstrom aus der Ukraine

Eine "humanitäre Krise" und 675.000 Flüchtlinge, die aus der Ostukraine nach Russland strömten - das meldete der englischsprachige Fernsehsender Russia Today am Wochenende. Auch die staatliche Nachrichtenagentur Ria Novosti verbreitete diese Nachricht, die Agentur Itar-Tass sprach gar von "revolutionärem Chaos", vor dem die Menschen gen Russland fliehen würden. Schnell verbreitete sich die Meldung; als Quelle wurde der russische Grenzschutz oder der Gouverneur der Grenzregion Belgorod angeführt. Doch westliche Reporter vor Ort konnten keinen Flüchtlingsstrom erkennen. Der russische TV-Sender 1TV bebilderte die Meldung  peinlicherweise mit Aufnahmen von der ukrainisch-polnischen Grenze, was ihm viel Spott auf Twitter eintrug.

Doch der Tenor ist klar: Russland muss eingreifen - nicht nur, um die russischstämmigen Bewohner der Krim zu schützen, sondern auch um die anderen Ukrainer vor den Nationalisten in Kiew zu bewahren.

  • O-Ton von einem "ausländischen Söldner"

Die Proteste in der Ukraine wurden von russischen Medien von Anfang an als Coup des Westens verkauft. Passend zu dieser Logik präsentierte der Nachrichtensender Russia 24 seinem Publikum einen jungen Russen, der ängstlich von seinem Söldnerdasein berichtete. Er habe als Scharfschütze für die ukrainische Opposition gearbeitet, sagte er vor laufenden Kameras. Seine Enthüllung: Für die ukrainischen Nationalisten würden ausländische Söldner arbeiten, zum Beispiel aus Deutschland oder den USA. Und der Moderator wusste bereits, dass die Ausländer gen Krim unterwegs seien. "Sie wollen eine neue Welle der Krise provozieren und die Menschen heimlich ausrauben." Eine Quelle für diese Behauptung nannte er nicht.

Eine weitere Meldung, die russische Nachrichtenagenturen am Sonntag verbreiteten, sollte wohl ebenfalls der Rechtfertigung des russischen Militäreinsatzes auf der Krim dienen: Dort stationierte ukrainische Militärs seien "in Massen" desertiert, hieß es, was das Verteidigungsministerium in Kiew jedoch dementierte.

Doch die Illusion soll scheinbar aufrechterhalten werden: Bei einer Pressetour auf dem Luftwaffenstützpunkt Belbek auf der Krim beobachtete ein SPIEGEL-ONLINE-Reporter, wie plötzlich ukrainische Soldaten auftauchten, die erklärten, dass sich niemand von ihnen ergeben habe. Die russischen Journalisten wurde daraufhin schnell weitergeführt.

  • Berichte über böse Russen und schwache Amerikaner

Auch in manchen westlichen oder ukrainischen Medien ist die Lage klar: Die Russen sind die Bösen. Deshalb halten die ukrainischen TV-Sender in der Krise zusammen. Seit ein paar Tagen ist auf allen Kanälen im linken Bildrand eine ukrainische Fahne mit den Worten "Einige Ukraine" zu sehen. Stolze Soldaten schwören vor den Kameras, sich niemals ergeben zu wollen, und die Bewohner der Krim werden von ihren Mitbürgern zum Durchhalten aufgefordert.

Die meisten Berichte sind unausgewogen: Für die russischstämmige Bevölkerung wird kaum Verständnis gezeigt. Durch die sozialen Netzwerke geistern zudem immer wieder Falschmeldungen über russische Gewaltakte. Angebliche Schüsse auf Ukrainer oder Panzer auf der Krim, die in Wirklichkeit hinter der russisch-ukrainischen Grenze fahren - Hauptsache das Bild der Bedrohung ist düsterer als die Fakten.

Mit Propaganda ganz anderer Art hat es derweil US-Präsident Barack Obama zu tun. Ausgerechnet der konservative US-amerikanische Sender Foxnews lässt Sympathie für Wladimir Putin erkennen. So gedreht, lässt sich auch diese Krise dazu nutzen, den Kampf des Senders gegen Obama zu befeuern. Der Tenor: Im Gegensatz zum schwachen Obama, wisse der starke Führer Putin, wie man sich durchsetzt.

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