Krise in Bangkok Thailands Generäle fordern Flughafen-Besetzer zum Abzug auf
Bangkok/Berlin - Wer zum Flughafen darf, entscheiden junge Männer, vermummt mit Halstuch und Sonnenbrille, bewaffnet mit Holzknüppeln. Sie haben die Zufahrten zum internationalen Airport von Bangkok mit Barrikaden aus Fahrzeugen und Stacheldraht abgeriegelt. Viele kommen nicht mehr an den provisorischen Kontrollstellen an, die Straßen rund um den Flughafen sind weitgehend leer. Journalisten dürfen die Checkpoints zu Fuß passieren, hin und wieder rauschen Pick-ups heran, mit denen Wasser herangekarrt wird.
Wasser für die Regierungsgegner, die einige hundert Meter weiter die Terminals des Flughafens Survanabhumi besetzt halten. Zu Tausenden sind sie in der vergangenen Nacht in die Abflug- und Ankunftshalle gestürmt und haben den Flugverkehr zum Erliegen gebracht. Nichts geht mehr: Alle Flüge sind gestrichen, sämtliche Schalter verwaist, genauso die Posten der thailändischen Einwanderungsbehörde. Von Polizei, Militär oder sonstigem Sicherheitspersonal ist nirgends etwas zu sehen. Das Gelände sei vollkommen unter Kontrolle der Regierungsgegner, verkündete ein Sprecher der Volksallianz für die Demokratie (PAD), die hinter den Protesten steht.
Rund 50 vermummte und mit Eisenstangen bewaffnete Demonstranten drangen nach Angaben eines Flughafenmitarbeiters kurzzeitig auch in den Tower ein. Sie verlangten, den Flugplan des Ministerpräsidenten zu sehen, der am Mittwoch vom Apec-Gipfel in Peru zurückerwartet wurde.
Zur Stunde herrscht Chaos am Airport, auf dem normalerweise rund 700 Flüge täglich abgefertigt werden - ein seltsam friedliches und fast schon geordnetes Chaos. Durch die wochenlange Belagerung des Regierungssitzes und des Parlaments im Stadtzentrum ist so etwas wie Demonstrationsroutine entstanden.
Die überwiegend in der Oppositionsfarbe Gelb gekleideten Menschen haben sich offenbar auf eine längere Besetzung eingerichtet. Sie machen es sich auf Klapphockern oder Strohmatten bequem, findige Händler bieten Matten zum Verkauf an. Andere reichen kostenlos Lunchpakete: Kekse, Sandwiches, Wasser, Kaffee. Draußen vor der Halle schwenken Demonstranten thailändische Fahnen und lauschen den Durchhalteparolen vom Lautsprecherwagen.
Die Stimmung ist weitgehend entspannt, auch unter den Touristen, die von den Protesten am Flughafen überrascht wurden. Rund 3000 Urlauber sollen nach Angaben der Betreibergesellschaft des Airports festsitzen. In der Abflughalle sind noch einige hundert zu sehen, die sich geduldig in die Schlangen einreihen, die sich vor den wenigen Mitarbeitern der thailändischen Tourismusbehörde bilden. Diese registriert die Namen und gebuchten Flüge, dann werden die Touristen mit Bussen in Hotels im Stadtzentrum gebracht.
"Wir wurden völlig überrollt", sagt Robert Wolfer, den seine Tochter am Morgen hierher brachte. Zwei Wochen hat er auf der Ferieninsel Ko Samui verbracht, von der Krise nur im Fernsehen etwas mitbekommen. Nun wollte der Schweizer zurück nach Zürich - doch daraus wurde nichts. "Ich habe keine Ahnung, wie es weitergeht", sagt Wolfer zu SPIEGEL ONLINE. Auch Franz und Anna Sparber sind gestrandet. Die Südtiroler gerieten auf einem Zwischenstopp von Bali aus in das Chaos von Bangkok. Sie seien ein wenig verängstigt, sagt das ältere Paar.
Armeechef schließt Putsch aus
Inzwischen haben mehrere deutsche Veranstalter wegen der Proteste auf dem Flughafen Reisen nach Thailand abgesagt. Meiers Weltreisen und Dertour teilten mit, alle für Mittwoch und Donnerstag geplanten Thailand-Reisen mit Flug nach oder über Bangkok seien storniert worden.
Die regierungsfeindlichen Demonstranten wollen mit der Besetzung des Airports den Druck auf Ministerpräsident Somchai Wongsawat verstärken. Die PAD fordert den Rücktritt des Regierungschefs und wirft ihm vor, eine Marionette seines Schwagers zu sein, des bei einem Militärputsch gestürzten Ex-Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra. Thaksin wurde im Oktober wegen Korruption in Abwesenheit zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt und lebt im Exil.
Die Volksallianz bemühte sich offenbar auch um eine Einschaltung der Streitkräfte in die seit Monaten andauernden politischen Krise. "Wir werden keine Gewalt anwenden, aber die Situation muss gelöst werden", sagte eine Sprecherin der Streitkräfte. Für den Nachmittag war eine Krisensitzung des Militärs mit Vertretern von Regierung, Wirtschaft und Sicherheitskräften einberufen worden.
Auf einer Pressekonferenz im Anschluss forderte Armeechef General Anupong Paochinda die Regierung auf, zurückzutreten und Neuwahlen auszurufen. Zugleich rief er die oppositionellen Demonstranten auf, ihre Proteste zu beenden und den Flughafen zu räumen. Einen Putsch schloss der Heereschef erneut aus. Ein Putsch sei nicht geeignet, die politische Krise zu lösen. "Wir üben keinen Druck auf die Regierung aus", sagte Paochinda, "aber die Regierung sollte den Menschen die Chance geben, in einer Neuwahl zu entscheiden."
Die Nachricht von den Forderungen des Militärs sprach sich auch am Flughafen rasch herum, ließ die Demonstranten jedoch zunächst unbeeindruckt. Während das Bild dort zur Stunde friedlich scheint, hatten sich die Proteste zuvor zunächst zugespitzt. Unbekannte Angreifer schleuderten mehrere Sprengsätze auf die Regierungsgegner. Einer explodierte in einer Gruppe in der Nähe des internationalen Flughafens, ein anderer am Inlandsflughafen Don Muang, wo nach Polizeiangaben drei Menschen verletzt wurden.
Zwei weitere Explosionen gab es in Bangkok selbst. Schon am Dienstag waren bei Auseinandersetzungen zwischen Anhängern und Gegnern der Regierung elf Menschen verletzt worden, einige durch Schüsse.
Inzwischen bahnt sich eine neue Konfrontation zwischen Opposition und Regierungsanhängern an. Die Regierungspartei rief am Mittwoch zu einer Großdemonstration auf. "Ich fordere unsere Leute heute auf, auf die Straße zu gehen und unsere Haltung gegen einen Putsch zu demonstrieren", sagte Jatuporn Propman, Parteimitglied und Anführer einer großen Pro-Regierungsorganisation.
Ministerpräsident Somchai landete angesichts der Eskalation auf dem Flughafen von Bangkok im 600 Kilometer entfernten Chiang Mai. Das teilte ein Sprecher der Luftwaffe mit.