Krise in Den Haag Niederländische Regierung zerbricht wegen Afghanistan-Streit

Es ist die vierte gescheiterte Koalition in nur acht Jahren: Die niederländische Regierung ist am Streit über die Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes zerbrochen. Ministerpräsident Balkenende will zunächst im Amt bleiben, Beobachter halten Neuwahlen aber für unausweichlich.
Gescheiterter Premier Balkenende: Neuwahlen scheinen unausweichlich

Gescheiterter Premier Balkenende: Neuwahlen scheinen unausweichlich

Foto: VALERIE KUYPERS/ AFP

Amsterdam - Nach einem monatelangen Streit über den Afghanistan-Einsatz war am frühen Samstagmorgen Schluss: Das Kabinett von Ministerpräsident Jan Peter Balkenende konnte sich in einem 16-stündigen Gespräch nicht einigen, ob die in Afghanistan stationierten niederländischen Soldaten wie geplant bereits in diesem Jahr aus der Provinz Urusgan abgezogen werden sollen oder erst später.

Balkenende sagte am frühen Samstagmorgen in Den Haag, man werde im Laufe des Tages Königin Beatrix vom Scheitern der Regierung unterrichten. "Ich stelle mit Bedauern fest, dass eine erfolgreiche Zusammenarbeit von Christdemokraten, Sozialdemokraten und der Christen-Union nicht mehr möglich ist", sagte er.

Es ist bereits die vierte Koalition unter der Führung von Balkenende, die innerhalb von acht Jahren zerbricht. Die Regierung war drei Jahre im Amt. Zum Streit kam es, als sich der Ministerpräsident dafür aussprach, ein kleineres Truppenkontingent über August 2010 hinaus für ein Jahr in Afghanistan zu belassen. Der Einsatz in der Provinz Urusgan mit rund 1600 Soldaten ist bis August befristet. Er hat bislang 21 Niederländer das Leben gekostet.

Sozialdemokraten verlassen Regierung

Sein Stellvertreter und Finanzminister Wouter Bos von den Sozialdemokraten war strikt dagegen. Die Regierung könne so nicht mehr fortgesetzt werden, erklärte Balkende. "Wo es kein Vertrauen gibt, ist es schwierig zusammenzuarbeiten." Bos' Sozialdemokraten werden die Koalition verlassen.

Balkenendes Christlich Demokratischer Appell (CDA) werde mit Unterstützung der Christlichen Union (CU) im Amt bleiben. Experten halten eine Neuwahl aber für unausweichlich.

Dazu könnte es frühestens Mitte des Jahres kommen. Eine Regierungsbildung könnte sich anschließend als äußert schwierig erweisen, da Umfragen zufolge vier oder fünf Parteien notwendig sind, um die Mehrheit im Parlament sicherzustellen. Als großer Gewinner könnte die rechtsgerichtete Freiheitspartei von Geert Wilders hervorgehen.

Der Ministerpräsident hatte sich für eine Fortführung der Koalition ausgesprochen und eine spätere Entscheidung über die Afghanistan-Frage gewünscht. Finanzminister Bos von der sozialdemokratischen PvdA bestand aber auf einen Beschluss am Freitag.

hil/Reuters/AP/dpa
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