Krise in Nahost Haifa erneut im Raketenhagel

Nach der Offensive der israelischen Armee setzt die pro-iranische Hisbollah den Beschuss israelischer Städte fort. Heute Morgen schlugen Katjuscha-Raketen in Haifa ein. Auch in anderen Ortschaften heulten Sirenen, wieder waren Opfer zu beklagen.

Haifa/Jerusalem - Bei den Angriffen wurden nach israelischen Angaben mindestens zwei Menschen getötet sowie mehrere Zivilisten verletzt. Erstmals sei auch in Binjamina etwa 30 Kilometer südlich von Haifa vor möglichen Angriffen mit heulenden Sirenen gewarnt worden. Die Menschen wurden aufgerufen, in Schutzräumen zu bleiben.

Seit Beginn der Kämpfe am 12. Juli hat die radikal-islamische Hisbollah-Miliz etwa 1000 Raketen auf das südliche Nachbarland abgefeuert. Dabei sind bislang nach israelischen Angaben 17 Zivilisten getötet worden. Bei den Kämpfen im Libanon kamen 19 Soldaten ums Leben.

Derweil weitete die israelische Armee ihre Bodenoffensive im Südlibanon weiter aus. Weitere Soldaten seien bereits in Marsch gesetzt worden, berichtet der israelische Armee-Rundfunk. Die Truppen würden weiter vereinzelte Einsätze an spezifischen Zielen nahe der Grenze zu Nordisrael unternehmen. Wie viele Soldaten die Generäle zusätzlich auf libanesisches Gebiet schicken wollen, ließ der Rundfunkbericht offen. Bislang operieren dort nach Bestätigung aus Militärkreisen einige hundert Soldaten. Sie sind den Angaben nach aber erst maximal zwei Kilometer weit in den Libanon eingedrungen.

Keine offizielle Bestätigung

Offiziell bestätigt die Armee, dass Soldaten gestern in das strategisch wichtige Dorf Marun al-Ras im Libanon einmarschiert sind. Eine Militärsprecherin sagte allerdings, sie könne lediglich bestätigen, dass die Truppen in Marun al-Ras seien. Details angesichts des laufenden Einsatzes könne sie nicht nennen. Die auf einem Hügel gelegene Ortschaft wurde nach israelischer Darstellung von der Hisbollah als Ausgangspunkt für Angriffsversuche auf benachbarte israelische Grenzorte benutzt. Jetzt diene sie den israelischen Soldaten zur Beobachtung der mutmaßlichen Hisbollah-Hochburg Bint Dschbail.

Die Hisbollah will allerdings von einer Eroberung Marun al-Ras' durch die israelische Armee nichts wissen. Man übe nach wie vor die Kontrolle über das Dorf aus, hieß es.

In der vergangenen Nacht setzte die Luftwaffe das Bombardement auf Ziele in Beirut und im Südlibanon fort. Mindestens sieben Explosionen waren in Beirut zu hören, als israelische Kampfflugzeuge über der libanesische Hauptstadt hinwegflogen. Auch die Hafenstadt Sidon (Saida) wurde angegriffen. Der Angriff galt nach Angaben des libanesischen Fernsehsenders LBC einem islamischen Zentrum. Vier Menschen seien bei dem Angriff verletzt worden.

Libanesen fliehen aus dem Süden

In Tanajal nahe der syrischen Grenze zerstörten die Israelis nach Angaben von Augenzeugen eine Fabrik. Eine große Rauchwolke stand noch Stunden nach dem Angriff über der Bekaa-Ebene. Insgesamt starben in dem seit nunmehr zwölf Tagen dauernden Krieg durch die israelische Offensive bislang 355 Libanesen, die meisten von ihnen Zivilisten. Die Hisbollah tötete bisher 35 Israelis.

Tausende Libanesen flohen angesichts der unvermindert anhaltenden Bombardements und aus Angst vor einer Verschärfung der israelischen Offensive in den Norden des Landes. Der Koordinator der Nothilfe der Vereinten Nationen (UN), Jan Egeland, sagte, mindestens 100 Millionen Dollar an Soforthilfe seien nötig, um eine Katastrophe bei der Versorgung der Menschen im libanesischen Kriegsgebiet in den kommenden Monaten abzuwenden. "Mehr als eine halbe Million Menschen sind direkt betroffen." Diese Zahl werde noch deutlich steigen. Egeland will heute nach Beirut reisen, um sich vor Ort ein Bild von der Lage zu machen.

Bundesaußenminister Steinmeier wird den Planungen zufolge am Nachmittag in Tel Aviv mit dem israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert zusammentreffen. Für den Vormittag sind Gespräche mit Verteidigungsminister Amir Perez und mit Außenministerin Zipi Liwni geplant. Am Abend will Steinmeier in Ramallah mit Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas sprechen.

Hektische Reisediplomatie

Steinmeier hatte gestern auf der ersten Station seiner kurzfristig angesetzten zweitägigen Nahost-Reise in Kairo seinen ägyptischen Kollegen besucht. Nach dem Gespräch betonte er erneut, dass sich Deutschland nach wie vor nicht in einer Vermittlerrolle im Nahost-Konflikt sehe.

Tel Aviv geht davon aus, dass die USA noch mindestens eine Woche lang der Offensive im Libanon zustimmen werden. "Hochrangige Behördenvertreter sind der Ansicht, dass Israel von den Amerikanern für eine Fortsetzung der Einsätze gegen die Hisbollah noch bis mindestens nächsten Sonntag grünes Licht bekommt", hieß es auf der Internet-Seite der israelischen Zeitung "Haaretz". Offiziell konnte der Bericht zunächst nicht bestätigt werden.

Die USA haben sich bislang nicht den zahlreichen Forderungen nach einer sofortigen Waffenruhe angeschlossen. Nach Ansicht der Regierung in Washington müssen erst mehrere Probleme grundlegend geklärt werden. Im Laufe des Tages wird US-Außenministerin Condoleezza Rice erwartet.

Die Behörden in Zypern bereiteten sich derweil auf die Ankunft von etwa 10.000 weiteren Flüchtlingen vor. Rund 14 Schiffe wurden innerhalb der nächsten Stunden in den Häfen von Larnaca und Limassol erwartet.

mik/Reuters/dpa/AP

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