Krisengipfel in Brüssel Europa der zwei Klassen

Der Brüsseler Gipfelmarathon zementiert die neue Hackordnung in der EU - die Euro-Staaten schreiten voran, Länder wie Großbritannien sind außen vor. Die Gemeinschaft ist auf dem besten Weg zur Zwei-Klassen-Gesellschaft.
Europäische Regierungschefs Merkel, Enda Kenny und Cameron: Die Kanzlerin weist den Weg

Europäische Regierungschefs Merkel, Enda Kenny und Cameron: Die Kanzlerin weist den Weg

Foto: Geert Vanden Wijngaert/ AP

Der Banken-Poker um den griechischen Schuldenschnitt und die Zahlenschiebereien rund um den Euro-Rettungsschirm EFSF dominieren nach diesem Euro-Gipfel in den Schlagzeilen. Doch jenseits dieser wirtschaftspolitischen Details zeigte dieser Mammut-Gipfel, der sich über sechs Tage hinzog, vor allem eines: Die EU ist zunehmend in zwei Klassen gespalten.

Anders kann man es nicht nennen. Die Vertreter der zehn Nicht-Euro-Länder wurden immer dann aus dem Raum geschickt, wenn es um die eigentlichen Entscheidungen ging. Die Ministerpräsidenten der Kleinstaaten Luxemburg und Slowakei spielten eine wichtigere Rolle als die Regierungschefs der EU-Giganten Polen und Großbritannien.

Am Abschlussgipfel am Mittwoch nahmen die Nicht-Euro-Chefs überhaupt nur teil, weil sie am Wochenende wütend darauf bestanden hatten, an diesem entscheidenden Tag in Brüssel dabei zu sein. Doch durften sie ihre Meinung zur Euro-Krise nur in den ersten 90 Minuten äußern, dann mussten sie auch schon wieder abreisen. Zum Abendessen blieb nur der harte Kern, die Vertreter der 17 Euro-Länder.

"Kerneuropa unter Deutschlands Führung gibt die Richtung vor"

Die Diskussion über Italiens Schuldenprobleme etwa fand nur im Kreise der 17 statt. Der Rest bekam von EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy mitgeteilt, dass da ein Brief von Italiens Premier Silvio Berlusconi mit Zusagen zu weiteren Strukturreformen eingegangen sei. Das wurde wohlwollend zur Kenntnis genommen, aber nicht vertieft. Berlusconi selbst schwieg im Kreis der 27, er stand erst seinen Euro-Partnern Rede und Antwort.

Dieser Trend wird sich in den nächsten Jahren noch verstärken. "Es entsteht ein Kerneuropa unter deutscher Führung, das die Richtung vorgibt", sagt Christoph Meyer, Europa-Experte am King's College in London. "Dieses Kerneuropa wird zunehmend die ökonomischen Entscheidungen für die ganze EU vorbereiten."

Die Zweiteilung war bisher schon in Ansätzen vorhanden und wurde gern mit dem Euphemismus vom "Europa der mehreren Geschwindigkeiten" beschrieben. Künftig werde diese Hierarchie immer deutlicher hervortreten, sagt Meyer. Besonders für die britische Regierung werde es sehr problematisch, wenn sie einsehen müsse, dass sie nicht mehr mitlenken könne. Formal habe Großbritannien zwar ein Veto, aber dies sei politisch immer weniger wert.

"Es droht eine Konfrontation"

Der britische Ex-Premier John Major sieht ein ähnliches Auseinanderdriften. "Wenn die Euro-Zone enger zusammenrückt, werden die Nicht-Euro-Länder sich auch stärker koordinieren", schreibt er in der "Financial Times". "Es droht eine Konfrontation."

Eine stärkere Integration der Euro-Zone könnte die Nicht-Euro-Länder darin bestärken, diejenigen Kompetenzen aus Brüssel zurückzufordern, über die sie kein Sagen mehr haben. Großbritannien werde mit dieser Position nicht allein sein, schreibt Major.

Einen Vorgeschmack auf die Schlachten der Zukunft lieferte bereits dieser Gipfel. In der 90-minütigen Sitzung der 27 EU-Regierungschefs habe es eine "kurze, aber stürmische Diskussion" gegeben, sagte Polens Premier Donald Tusk. Die Länder außerhalb des Euro-Clubs hätten auf ihr Mitspracherecht gepocht.

Die Euro-Regierungschefs sind bemüht, die Kluft nicht zu groß werden zu lassen. Insbesondere Kanzlerin Angela Merkel achtet immer darauf, Briten und Polen in Entscheidungen mit einzubeziehen. Doch die vielleicht vielsagendste Äußerung dieses Gipfelmarathons war schon am Sonntag gefallen. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hatte den britischen Premier David Cameron vor versammelter Runde angefahren, seine Meinung zum Euro sei nicht gefragt. Das wird den Briten zwar kaum davon abhalten, auch künftig das Krisenmanagement der Deutschen und Franzosen zu kritisieren. Aber es war ein deutliches Zeichen, woher der Wind künftig weht.

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