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Chaos auf dem Balkan Kroatien bringt Flüchtlinge an ungarische Grenze

Kroatien hat mit "Plan B" begonnen: Die ersten Flüchtlinge werden in Bussen Richtung Ungarn transportiert. Dort warten allerdings schon Polizisten und Soldaten. Die EU-Kommission kritisiert das Vorgehen Zagrebs.

Am Vormittag hatte Kroatiens Premier Zoran Milanovic seinen "Plan B" bereits vorgestellt, am Nachmittag wurde er angesichts des großen Flüchtlingsandrangs umgesetzt: Hunderte Migranten wurden mit Bussen wieder an die Grenze zu Ungarn gefahren. Es würden Busse eingesetzt, die von Beli Manastir im Nordosten und Tovarnik im Osten des EU-Landes losführen, sagte ein Sprecher des Innenministeriums. Insgesamt handele es sich um acht oder neun Busse, mehr würden bei dem Ort Beremend erwartet, hieß es in einem Bericht des Internet-Portals "index.hu". Andere Medien berichteten von etwa 20 Bussen.

Jenseits des kroatischen Dorfes Beremend seien auf der ungarischen Seite bereits Polizisten und Soldaten mit Schutzschilden aufmarschiert. Augenzeugen zufolge standen außerdem sechs Busse der ungarischen Behörden bereit.

"Welche andere Möglichkeit haben wir? Das ist legitim", hatte Milanovic sich gerechtfertigt. Seit Ungarn am Dienstag seine Grenze zu Serbien dicht gemacht hat, versuchen viele Flüchtlinge, durch Kroatien weiter nach Nordwesten zu gelangen. Bis zum Freitag registrierten die Behörden 13.000 Neuankömmlinge.

In der Nacht hatte Zagreb sieben von acht Grenzübergängen zu Serbien geschlossen, um weitere Einwanderer zu stoppen. Die Aufnahmekapazitäten seien erschöpft, begründete Innenminister Ranko Ostojic den Schritt.

Heftige Kritik der EU-Kommission

Die EU-Kommission kritisierte das Vorgehen Kroatiens: Migranten weiterreisen zu lassen, ohne sie zu registrieren, sei "in der Tat nicht mit den EU-Regeln vereinbar", sagte eine Sprecherin in Brüssel. Nach den sogenannten Dublin-Regeln ist dasjenige EU-Land für einen Asylbewerber und dessen Asylverfahren zuständig, in dem dieser erstmals europäischen Boden betreten hat. Das Land muss den Flüchtling registrieren und seine Fingerabdrücke nehmen. Wenn Flüchtlinge sich weigerten, Asyl zu beantragen, könnte ihnen die Einreise verweigert werden.

Ungarn kündigte derweil an, nach der Grenze zu Serbien auch seine Grenze zu Kroatien mit einem Zaun zu sichern. 1100 Soldaten würden den Zaun bauen, teilte Regierungschef Viktor Orbán mit.

Aus Kroatien können Flüchtlinge theoretisch entweder durch Slowenien oder durch Ungarn weiter nach Österreich gelangen - wenn sie nicht aufgehalten werden. Slowenien stoppte am Freitag bereits den Zugverkehr mit Kroatien.

Kroatiens Nachbarland rechnet laut Innenministerium in den nächsten 24 Stunden mit 1000 Flüchtlingen. Die meisten kämen wohl aus der kroatischen Hauptstadt Zagreb.

Slowenien wirft Kroatien den Verstoß gegen das Schengener Abkommen vor, das auch die Sicherung der EU-Außengrenzen vorsieht. Das Verhalten des Nachbarlandes stehe damit nicht in Einklang, sagt Innenministerin Vesna Gyorkos Znidar.

Video: Balkanroute wird für viele Flüchtlinge zur Sackgasse

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als/dpa/Reuters
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