Kulturkampf in Israel Ultraorthodoxe ziehen Nazi-Vergleich

In Israel ist der Streit über die Geschlechtertrennung erneut eskaliert: Ultraorthodoxe haben bei einer Demonstration ihr Land mit Nazi-Deutschland gleichgesetzt. Der Staat mische sich ohne Recht in ihr Leben ein. Politiker nannten den Vergleich "entsetzlich und schockierend".
Orthodoxe in Beit Schemesch: Das Schild fordert Frauen auf, die Straßenseite zu wechseln

Orthodoxe in Beit Schemesch: Das Schild fordert Frauen auf, die Straßenseite zu wechseln

Foto: Uriel Sinai/ Getty Images

Hamburg - Der Streit wird immer heftiger: Teilnehmer einer Demonstration ultraorthodoxer Juden in Jerusalem haben Israel am Samstag Medienberichten zufolge mit Nazi-Deutschland verglichen. "Was hier passiert, ist genau dasselbe, was in Deutschland passiert ist", zitierte die Zeitung "Jerusalem Post" einen der etwa 1500 Demonstranten. "Wir fühlen uns in Israel wie im Vorkriegsdeutschland", habe ein anderer Mann gesagt.

Die Teilnehmer der Kundgebung in dem überwiegend von ultraorthodoxen Haredi-Juden bewohnten Stadtteil Geula wehrten sich gegen die ihrer Meinung nach ungerechtfertigte Einmischung des Staates in ihren religiösen Lebensstil. Der Protest richtete sich auch gegen die als feindselig empfundene Berichterstattung über sie in den Medien.

Hintergrund ist der eskalierende Streit über die von einer Minderheit der ultraorthodoxen Juden geforderte Geschlechtertrennung in der Öffentlichkeit. Frauen werden von religiösen Fanatikern unter anderem auf Schildern aufgefordert, vor den Synagogen auf die andere Straßenseite zu wechseln, in Bussen und Straßenbahnen hinten zu sitzen, sich im Supermarkt in getrennte Schlangen an der Kasse zu stellen sowie bei Wahlen verschiedene Wahlurnen zu benutzen. Dagegen formiert sich zunehmend Widerstand in der liberalen Mehrheitsbevölkerung und sogar auch in ultraorthodoxen Kreisen.

Demonstranten, darunter auch kleine Kinder, waren in schwarzweiß gestreifter Kleidung zu sehen, die an die Häftlingskluft in den Konzentrationslagern erinnern sollte. Zudem trugen sie einen sogenannten Judenstern, in dessen Mitte das Wort "Jude" geschrieben war. In der Zeit des Nationalsozialismus wurden Juden gezwungen, dieses Symbol zu tragen. Auf Transparenten stand: "Zionisten sind keine Juden", "Zionismus ist Rassismus" und "Orthodoxe Juden fordern die Anwesenheit internationaler Einheiten zu ihrem Schutz". Polizisten wurden als "Nazis" beschimpft.

Das ursprüngliche Ziel der Demonstration war es, gegen die Haftstrafe für ein Mitglied ihrer Gemeinschaft zu protestieren. Diesem war vorgeworfen worden, Angriffe auf einen religiösen Buchladen initiiert zu haben, der den Hardlinern im Stadtteil nicht religiös genug war.

Israelische Politiker haben die Demonstranten für die Nazi-Vergleiche inzwischen scharf kritisiert. Verteidigungsminister Ehud Barak nannte die gelben Sterne in einer Erklärung "entsetzlich und schockierend." Die Ultraorthodoxen müssten "das unakzeptable Verhalten sofort beenden."

Oppositionsführerin Tzipi Livni nannte die KZ-Kleidung der Demonstranten auf Facebook eine "große Beleidigung des Holocaust-Gedenkens". Bei "allem Respekt für die Demonstrationsrechte der Haredi-Juden" gebe es eine "Grenze, die nicht überschritten" werden dürfe.

jbr/dpa/AFP
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten