Libanon-Krieg Schwere Vorwürfe gegen israelische Führung
Jerusalem - Während des Konflikts seien "gravierende Fehler auf höchster politischer und militärischer Ebene" gemacht worden, heißt es in dem heute veröffentlichten Bericht. "Dieser Krieg war ein großes und schwerwiegendes Scheitern", sagte der Leiter des Untersuchungsausschusses, der pensionierte Richter Eliahu Winograd. Zugleich gestand er Israels Premierminister Ehud Olmert und dem damaligen Verteidigungsminister Amir Perez zu, im Interesse des Landes gehandelt zu haben.
Für die Untersuchung waren 74 Zeugen, darunter Politiker, Armeeangehörige und Experten befragt worden. Vor Bekanntwerden des Winograd-Berichtswaren Forderungen nach einem Rücktritt Olmerts laut geworden, die dieser zurückwies. Wie ein Vertrauter des Premiers sagte, werde Olmert auch nach Veröffentlichung des Berichts nicht zurücktreten.
Zu den schwerwiegenden Fehlern der israelischen Führung beim Libanon-Krieg zählt dem mehr als 600 Seiten umfassenden Bericht zufolge, dass der Libanon-Krieg ohne einen Rückzugsplan begonnen worden sei. Die am Ende des Konflikts gestartete Bodenoffensive habe ihre Ziele verfehlt, rügte der Bericht weiter. Dieser Einsatz erfolgte eine Stunde, nachdem Israel Kenntnis von der Endfassung der Resolution 1701 des UN-Sicherheitsrats erlangte, die dem Konflikt ein Ende setzen sollte. Die Bodenoffensive bezahlten 33 israelische Soldaten mit dem Leben.
Der Krieg hatte am 12. Juli 2006 nach einem massiven Angriff der libanesischen Hisbollah-Miliz auf den israelischen Norden begonnen. Dabei wurden zwei israelische Soldaten entführt, deren Schicksal seitdem ungewiss ist. Während des einmonatigen Kriegs wurden auf libanesischer Seite mehr als 1200 Menschen getötet, auf israelischer Seite starben rund 160 Zivilisten und Soldaten. Im April vergangenen Jahres hatte der Untersuchungsausschuss in einem Zwischenbericht bereits deutliche Kritik geübt. Perez und Generalstabschef Dan Halutz traten daraufhin zurück.
Mehrheit der Israelis für Rücktritt Olmerts
Die vorab laut gewordenen Forderungen nach einem Rücktritt Olmerts wies Finanzminister Roni Bar-On, ein enger Vertrauter Olmerts, kurz vor der Veröffentlichung des Berichts zurück. "Es wird keine vorgezogenen Neuwahlen geben, der Ministerpräsident ist in diesem Punkt entschlossen", sagte er. Laut Umfragen ist die Mehrheit der Israelis der Meinung, Olmert müsse seinen Hut nehmen, falls die Untersuchungskommission sehr hart mit ihm ins Gericht geht.
Gestern hatte der Generalsekretär der Arbeitspartei, Eytan Cabel, ein Koalitionspartner des Ministerpräsidenten, dessen Rücktritt verlangt. Gespannt wurde die Position von Parteichef und Verteidigungsminister Ehud Barak erwartet. Dieser hatte sich zunächst für einen Rücktritt Olmerts im Falle eines sehr kritischen Berichts ausgesprochen, später jedoch zu verstehen gegeben, dass er zum "Wohl des Staates" eine Fortsetzung der aktuellen Regierung befürworten würde.
Ohne die Arbeitspartei hätte die Regierungskoalition, die 67 von 120 Abgeordneten stellt, keine Mehrheit mehr. Im Falle vorgezogener Parlamentswahlen werden dem rechtsgerichteten Likud-Block die besten Chancen auf den Sieg zugeschrieben.
amz/asc/AFP/AP/dpa