Saad Hariri zurück im Libanon: Rücktritt vom Rücktritt
Libanons Premier tritt vom Rücktritt zurück
Beben in Beirut
Saad Hariri ist zurück in Beirut - und erklärt, vorerst doch libanesischer Ministerpräsident bleiben zu wollen. Seine Anhänger jubeln. Doch Saudi-Arabien dürfte diese Schmach kaum auf sich sitzen lassen.
Als wäre nichts gewesen, steht Saad Hariri am Mittwochvormittag mit Parlamentspräsident Nabih Berri und Staatspräsident Michel Aoun in dessen Palast und schüttelt Hände. Militärs und Botschafter sind anlässlich des Unabhängigkeitstages gekommen, auch Irans Mann in Beirut ist dabei: Mohammed Fathali.
Hariri, schwarzer Anzug, gegelte Haare und ein Lächeln im Gesicht, begrüßt Fathali. Und das, obwohl er vor nicht einmal drei Wochen öffentlich erklärt hatte, Iran und die schiitische Hisbollah-Miliz trachteten ihm nach dem Leben.
Wenige Minuten vor dieser bizarren Begegnung hatte sich der 47-Jährige in einer kurzen Rede direkt an das libanesische Volk gewandt. Darin verkündete Hariri eine spektakuläre Kehrtwende. Er setze seinen Rücktritt, den er nach seiner Flucht von Saudi-Arabien aus erklärt hatte, vorläufig aus. Präsident Aoun habe ihn um diesen Schritt gebeten, sagte er.
Hariri war erst am Dienstagabend mit dem Flugzeug in Beirut gelandet. Damit endete seine wochenlange Odyssee: Am 3. November war der Premier nach Riad geflogen, dort verkündete er 24 Stunden später seinen Rücktritt. Tagelang schwieg Hariri daraufhin, Freund und Feind im Libanon forderten ihn auf, nach Beirut zurückzukehren und die Amtsgeschäfte wiederaufzunehmen. Auch international verfestigte sich der Eindruck, Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman habe Hariri zum Rücktritt gezwungen und halte ihn in Riad fest.
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Regierungskrise in Beirut: Hariris Harakiri
Am Wochenende flog der Premier dann mit seiner Frau und einem Sohn nach Paris aus. Seine beiden anderen Kinder ließ er in Saudi-Arabien zurück. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron redete am Samstag lange mit Hariri. Als ehemalige Mandatsmacht des Libanon hat Paris traditionell enge Verbindungen mit Beirut.
Macron sprach am Telefon auch mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu und Irans Präsident Hassan Rohani über die Libanonkrise und forderte beide Politiker auf, den Libanon aus den regionalen Konflikten herauszuhalten. In den vergangenen Tagen war öffentlich geworden, dass sich Israel und Saudi-Arabien signifikant annähern, um das Erstarken ihres gemeinsamen Feindes Iran zu verhindern.
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Libanon: Ein Land im Krisenmodus
Am Dienstag flog Hariri dann nach kurzen Zwischenstopps in Kairo und Nikosia zurück in die libanesische Hauptstadt. Was der Politiker bei seinen Stationen genau besprochen hat, ist unbekannt. Aber es hat offenbar Wirkung gezeigt. Denn an den Gründen, mit denen Hariri am 4. November seinen Rücktritt erklärte, hat sich nichts geändert. Die Macht der Hisbollah und der Einfluss Irans - dem er doch vorwarf, eine Verschwörung gegen ihn und das Land zu planen - sind in den vergangenen 18 Tagen keinen Deut kleiner geworden.
Im Gegenteil: Mit Hariris Rücktritt vom Rücktritt geht eine weitere Runde im saudisch-iranischen Machtkampf um Einfluss im Nahen Osten an Teheran. Ob Kronprinz Mohammed seinem Vasallen Hariri nun den ersten Rückzug Anfang November diktiert hatte oder nicht: Klar ist, dass Saudi-Arabien diesen Schritt guthieß. Ziel des Königshaus war es, den Einfluss Irans in Beirut zu begrenzen. Hariri, so die Lesart vieler, sollte dafür das Faustpfand sein und erst dann wieder in den Libanon zurückkehren, wenn Iran und die Hisbollah Zugeständnisse machen. Doch diese sind gegenwärtig nicht erkennbar. Und trotzdem ist Hariri wieder da.
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Saad Hariri zurück im Libanon: Rücktritt vom Rücktritt
Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah hatte am Montag seine Bereitschaft zu einem Dialog und zur Fortsetzung der Koalition mit Hariri erklärt. Zwei Hisbollah-Politiker sind als Minister in einer Regierung der nationalen Einheit unter Hariri vertreten. De facto bedeutet Nasrallahs Angebot folglich nichts weiter als eine Fortführung des Status quo.
Mohammed bin Salman ist jedoch nicht im Juni dieses Jahres zum Kronprinzen der sunnitischen Hegemonialmacht Saudi-Arabien ernannt worden, um den Status quo aufrechtzuerhalten. Er will die schiitische Theokratie in Teheran und ihre Milizen im gesamten Nahen Osten entscheidend schwächen. Mindestens. Vor diesem Hintergrund dürfte er sich kaum auf das Angebot der Hisbollah - und damit Irans - einlassen. Der 32-Jährige pokert zu hoch, um verlieren zu können.
Für den Libanon bedeutet das: Nach der Krise ist vor der Krise. Daran ändert auch Hariris triumphale Rede am Mittwochnachmittag vor seiner Privatresidenz wenig, in der er jubelnden Anhängern entgegenrief: "Libanon First".
8 BilderSaad Hariri zurück im Libanon: Rücktritt vom Rücktritt
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Saad Hariri am Rand: Libanons Premierminister sitzt im Präsidentenpalast neben Parlamentssprecher Nabih Berri (Mitte) und Präsident Michel Aoun.
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Hariri äußerte sich knapp drei Wochen Wochen nach seiner Flucht Richtung Riad erstmals vor der libanesischen Polit-Elite - und erklärte den Rücktritt von seinem Rücktritt. Zumindest vorerst.
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Anlass für seine Rückkehr nach Beirut war der 74. Unabhängigkeitstag des Libanon. In der Hauptstadt fand eine Militärparade statt.
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Sowohl Hariri als auch Präsident Michel Aoun wohnten dem Truppenaufmarsch bei. Aoun hatte Saudi-Arabien öffentlich vorgeworfen, den Premier festzuhalten. Am Mittwoch lächelten sich die beiden nun wieder an.
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Nachdem Hariri seine kurze Rede an das libanesische Volk gehalten hatte, gingen die Anhänger seiner "Zukunftsbewegung" auf die Straßen, wie hier auf dem Märtyrerplatz im Stadtzentrum von Beirut.
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Einige veranstalten auch Autokorsos.
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Immer die Form wahren: Saad Hariri schüttelt die Hand mit Irans Botschafter im Libanon, Mohammed Fathali. Anfang November hatte der libanesische Premier öffentlich erklärt, er vermute einen Mordkomplott der schiitischen Hisbollah-Miliz und Irans gegen ihn.
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Die Rückkehr Hariris bedeutet jedoch kein Ende im Machtkampf zwischen Saudi-Arabien und Iran. Der Konflikt schwelt weiter.
7 BilderRegierungskrise in Beirut: Hariris Harakiri
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Libanons Ministerpräsident Saad Hariri im Oktober im Parlament von Beirut. Am vergangenen Wochenende hat der Politiker von Saudi-Arabien aus seinen Rücktritt erklärt.
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Der Grand Serail, der Amtssitz des libanesischen Regierungschefs, ist seither verwaist.
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Die Umstände des Rücktritts sind dubios. Staatspräsident Michel Aoun verlangte am Freitag bei einem Gespräch mit dem saudi-arabischen Botschafter in Beirut Klarheit über das Schicksal Hariris. Hariri solle umgehend in den Libanon zurückkehren.
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Hisbollah-Kämpfer bei einer Beerdigung für Milizionäre, die in Syrien getötet wurden. Die von Iran hochgerüstete schiitische Miliz ist der libanesischen Armee militärisch weit überlegen.
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Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah hat Hariris Rücktritt als "saudische Entscheidung" bezeichnet. Ähnlich sehen es inzwischen viele Libanesen.
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Der Nejme-Platz vor dem Parlament in Beirut. Die Abgeordneten der Nationalversammlung amtieren schon seit 2009. Die überfälligen nächsten Wahlen sollen im Mai 2018 nachgeholt werden. Doch der Konflikt zwischen Saudi-Arabien und der Hisbollah gefährdet die Abstimmung.
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Syrische Flüchtlinge im Libanon: Mehr als eine Million Syrer haben im Zedernstaat Zuflucht gefunden - einem Land, in dem selbst nur rund vier Millionen Menschen leben. Trotzdem hat der Libanon die Auswirkungen des Syrienkriegs bislang besser überstanden, als allgemein erwartet.
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Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah hat Hariris Rücktritt als "saudische Entscheidung" bezeichnet. Ähnlich sehen es inzwischen viele Libanesen.
Saad Hariri, der wohl bekannteste Politikflüchtling in diesen Tagen. Der Ex-Premier des Libanon flüchtete vor rund zwei Wochen aus Beirut nach Riad, aus Angst um sein Leben.
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Er wirft der schiitischen Hisbollah-Miliz und Iran vor, den Libanon unter ihre Kontrolle bringen zu wollen. Seine Anhänger fordern seine Rückkehr und unterstützten ihn, wie auf diesem in Beirut aufgehängten Plakat mit der Aufschrift: "Wir alle sind mit Dir".
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Treffen mit Seltenheitswert: Béschara Boutrous Raï am Dienstag im Gespräch mit Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman. Der Patriarch der maronitischen Christen versuchte, die Krise um den überraschend zurückgetretenen sunnitischen Premier Hariri zu entschärfen.
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Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron besuchte die Regenten in Riad vor wenigen Tagen.
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Nach Macron kam auch Außenminister Yves Le Drian nach Saudi-Arabien. Nun scheint ein Kompromiss gefunden: Saad Hariri kommt offenbar mit seiner Familie für einige Tage nach Paris.
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Libanons Präsident Michel Aoun forderte Hariri auf, er solle ihm anschließend persönlich in Beirut seinen Rücktritt übermitteln. Aoun hatte Saudi-Arabien in den vergangenen Tagen vorgeworfen, Hariri gegen dessen Willen festzuhalten.
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Aber auch Aoun ist nicht unbefangen. Er wurde im vergangenen Jahr nur Präsident des Libanon, indem er ein Bündnis mit der schiitischen Hisbollah-Miliz schloss, die von Iran unterstützt wird. Auf diesem Bild zu sehen: Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah.
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Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron besuchte die Regenten in Riad vor wenigen Tagen.