Libyen-Embargo Gaddafis dubioser Last-Minute-Waffendeal

Libyens Ex-Machthaber Gaddafi: Guter Draht nach Peking
Foto: MAX ROSSI/ REUTERSBerlin/Tripolis - Monatelang kämpften die libyschen Rebellen gegen die Truppen von Machthaber Muammar al-Gaddafi. An ihrer Seite: die Nato und viele westliche Verbündete. Doch ganz isoliert war der Despot offenbar nicht. Noch in den letzten Wochen seiner Herrschaft eilte ihm laut einem Pressebericht eine Weltmacht zur Hilfe.
China soll Gaddafi auf Anfrage große Mengen an Waffen und Munition angeboten haben. Die kanadische Tageszeitung " The Globe and Mail" berichtet, dies gehe aus Geheimdokumenten hervor, die dem Blatt vorlägen. Den Papieren zufolge hätten staatlich kontrollierte chinesische Rüstungskonzerne der damaligen libyschen Führung noch im Juli ungeachtet eines Uno-Embargos Lieferungen im Umfang von mindestens 200 Millionen Dollar (150 Millionen Euro) angeboten, schreibt die Zeitung.
Demnach reiste eine libysche Delegation Mitte Juli nach China und sprach mit Vertretern verschiedener Rüstungskonzerne. Die Unternehmen hätten angeboten, ihre gesamten Lagerbestände zu verkaufen und bei Bedarf auf Bestellung zu produzieren. Die Lieferungen sollten demnach über die Drittstaaten Algerien und Südafrika erfolgen. Die chinesische Seite habe darauf hingewiesen, dass ein Teil der Waffen bereits in Algerien gelagert sei und schnell über die Grenze nach Libyen gebracht werden könne. Die Gastgeber hätten sich bei den Libyern für deren Diskretion bedankt und auf die nötige Vertraulichkeit hingewiesen, berichtet "The Globe and Mail". Ob es zu Lieferungen gekommen sei, gehe aus den Dokumenten nicht hervor.
Die mögliche Offerte für Waffenlieferungen illustriert drastisch das strategische Pokern Chinas um wirtschaftlichen Einfluss in der Region und letztlich in ganz Afrika. Abseits aller politischer Erklärungen, so jedenfalls die Lesart bei kenntnisreichen Diplomaten, versuchte Peking während des monatelangen Konflikts, sich für beide möglichen Endszenarien für den Kampf um Libyen gute Chancen auf spätere Aufträge im Land zu sichern.
Regierung in Peking bestreitet Waffenlieferungen
Die chinesische Regierung bestätigte den Versuch des Gaddafi-Regimes, sich in den letzten Wochen noch Waffen in der Volksrepublik zu besorgen. Peking bestritt jedoch, selbst aktiv auf die libysche Regierung zugegangen zu sein. So habe das Gaddafi-Regime versucht, sich Waffen in China zu verschaffen, sagte die Sprecherin des chinesischen Außenministeriums, Jiang Yu. Die Regierung in Peking sei nicht darüber informiert worden. Es seien auch keine Verträge unterzeichnet und keine Waffen geliefert worden.
Die Sprecherin betonte, es habe "weder direkt noch indirekt" militärische Lieferungen aus China gegeben. "Das Gaddafi-Regime hat im Juli individuelle Personen bestimmter chinesischer Firmen angesprochen, ohne die chinesische Regierung zu informieren", sagte Jiang. Peking erlaube keinen Verstoß gegen Resolutionen des Weltsicherheitsrats. China nehme eine "besonnene und verantwortliche Haltung" in den Waffenexporten ein. Jede Lieferung müsse genehmigt werden.
Dokumente auf Müllhaufen entdeckt
Vertreter der neuen libyschen Führung in Tripolis sagten "The Globe and Mail" hingegen, die Dokumente bestätigten den Verdacht, dass es eine enge Zusammenarbeit der Gaddafi-Führung mit China, Algerien und Südafrika gegeben habe. Der Militärbeauftragte des Nationalen Übergangsrats, Omar Hariri, sagte, er sei sich ziemlich sicher, dass Waffen in Libyen eingetroffen und gegen das libysche Volk verwendet worden seien.
Der Zeitung zufolge wurden die Dokumente auf einem Müllhaufen in einem Stadtteil von Tripolis entdeckt, in dem viele Mitglieder der Gaddafi-Führung lebten. China ist das einzige ständige Mitglied im Uno-Sicherheitsrat, das den Übergangsrat bislang nicht als legitimen Vertreter Libyens anerkannt hat. Bei einer Begegnung während der Libyen-Konferenz in Paris vergangene Woche sagte der chinesische Vizeaußenminister Zhai Jun zum Regierungschef des Übergangsrats, Mahmud Dschibril, er hoffe, die neue Führung in Tripolis werde die Interessen der chinesischen Firmen in Libyen schützen.
Chinesen schachern um gute Geschäfte
Zwar hatte sich China bei der Abstimmung zur Uno-Resolution, die letztlich den Luftkrieg gegen Gaddafi erst möglich machte, enthalten. Gleichwohl machte das Land immer wieder deutlich, dass es die aggressive Auslegung der Resolution vor allem durch Frankreich, die USA und Großbritannien ablehnt.
Hätte Gaddafi den Machtkampf letztlich doch gewonnen, so das mögliche Kalkül der Chinesen, hätte man sich auf die Enthaltung berufen und Neutralität vorgeschützt. Mit den nun bekannt gewordenen Offerten über Waffenlieferungen aber hätte man beim Regime, das international isoliert war, einige Pluspunkte bekommen - ganz abseits von den millionenschweren Aufträgen für chinesische Waffenschmieden.
Auch nach dem Sieg der Rebellen über die Gaddafi-Truppen aber sind die Chinesen schon jetzt in den Startlöchern beim Rennen ums große Geschäft. Keine Woche nach dem Fall von Tripolis konnte man in den Luxus-Hotels eifrig telefonierende Geschäftsleute sehen, die den Kontakt zu der neuen Regierung suchten.
Mit ihren billigeren Angeboten und rasanten Zeitplänen für mögliche Investitionen, das jedenfalls fürchten Diplomaten, könnten sie selbst die Kriegsparteien beim Gerangel ums Geschäft in Libyen rasch abhängen. "Wenn unsere ersten Delegationen der Wirtschaft hier ankommen, haben die Chinesen doch schon mit den ersten Projekten begonnen", so ein westlicher Diplomat kürzlich in Tripolis, "wir werden uns hier noch umschauen".