
Kampf um Adschdabija: Erfolg für die Rebellen
Libyen Rebellen verjagen Gaddafi-Truppen aus Adschdabija
Adschdabija - Regimegegner haben am Samstag die Stadt Adschdabija eingenommen, nachdem in der Nacht erneut Angriffe der Alliierten gegen die Truppen des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi geflogen worden waren. Von den regimetreuen Truppen seien nur ausgebrannte Panzer zurückgeblieben, berichteten Korrespondenten der Nachrichtenagentur AFP aus der strategisch wichtigen Öl-Stadt. Jubelnde Rebellen feierten ihren Sieg mit Hupkonzerten. Ein BBC-Reporter berichtete, die Aufständischen hätten die ganze Stadt im Osten Libyens unter ihrer Kontrolle. Sie würden sie jetzt nach Soldaten und Heckenschützen der Gaddafi-Truppen durchsuchen.
Bis in die Nacht hatten die Rebellen sich schwere Gefechte mit Gaddafis Truppen geliefert. Die dem Machthaber noch immer treuen Einheiten seien zwar zahlenmäßig unterlegen gewesen, hätten aber immer wieder aus mehreren Panzer-Stellungen in der Stadt gefeuert und die Rebellen zumindest zeitweise zurückgedrängt, berichtete ein Rebell SPIEGEL ONLINE per Telefon aus Adschdabija.
Ein libyscher Sprecher hatte bereits in der Nacht eingeräumt, dass die Bombardements der West-Alliierten den Regimetruppen zusetzen. "Die Luftschläge geben den Rebellen Deckung, um auf Adschdabija vorzurücken", sagte Regierungssprecher Ibrahim Mussa auf einer Pressekonferenz in Tripolis. Dies sei "illegal" und durch die Uno-Sicherheitsratsresolution 1973 nicht gedeckt, auf deren Grundlage der Westen Militäroperationen zum Schutz der Zivilbevölkerung durchführt.
Adschdabija, 160 Kilometer südlich von Bengasi, war seit Beginn der westlichen Militäroperationen vor einer Woche hart umkämpft. Die Lage der dort zurückgebliebenen Zivilisten war zuletzt als dramatisch beschrieben worden. In den vergangenen beiden Tagen hatten die Rebellen immer mehr schwere Waffen an die Stadtgrenze gebracht und versucht, die Panzer der Gaddafi-Truppen auszuschalten. Dabei feuerten sie mit Granaten ungezielt in die Stadt, deren Einwohner zumeist geflohen waren oder sich in ihren Häusern verschanzt hatten.
Rebellen präsentieren in Bengasi stolz gefangene Gaddafi-Kämpfer
Im rund 180 Kilometer östlich gelegenen Bengasi sorgten die Nachrichten aus Adschdabija für spontane Auto-Korsos, an der Corniche versammelten sich Hunderte Menschen mit Fahnen und Plakaten. Am Morgen waren mehrere Jeeps mit vermummten und schwer bewaffneten Rebellen von der Front nach Bengasi gekommen und präsentierten vor dem Gerichtsgebäude, in dem die neue Stadtverwaltung eingezogen ist, stolz mehrere gefangene Kämpfer der Gaddafi-Truppen, darunter auch afrikanische Söldner. Mit quietschenden Reifen zogen sie kurze Zeit später wieder ab. Was mit den Gefangenen passiert, war zunächst unklar.
In der Stadt feuerten Rebellen an den Checkpoints oder von den Ladeflächen ihrer Toyota-Jeeps immer wieder Freuden-Salven in die Luft. Die Übergangsregierung verkündete auf einer spontanen Pressekonferenz die strategisch wichtige Entwicklung und dankte der internationalen Koalition, allen voran Frankreich und Großbritannien, für ihre Luftschläge auf Gaddafi-Stellungen in Ostlibyen.
Die Einnahme von Adschdabija ist militärisch nach den herben Verlusten der Rebellen vor den Luftschlägen als erster großer Erfolg zu bewerten. Vom Ost-Tor der Stadt, so jedenfalls der Plan der Rebellen, wollen sie nun weiter an der Küste entlang vorrücken. Sie forderten die Gaddafi-Einheiten auf, sich zu ergeben.
Obama: Schnelles Handeln verhinderte "humanitäre Katastrophe"
US-Präsident Barack Obama betonte in seiner wöchentlichen Rundfunkrede am Samstag die "wichtigen Fortschritte" der internationalen Militäraktion gegen das Regime Gaddafis. Weil schnell gehandelt worden sei, "wurde eine humanitäre Katastrophe verhindert und das Leben zahlloser Zivilisten - unschuldiger Männer, Frauen und Kinder - gerettet", so Obama.
Obama sprach sich dafür aus, Gaddafi für das brutale Vorgehen gegen die Zivilbevölkerung zur Verantwortung zu ziehen. Zugleich mahnte er ihn, die Angriffe auf Zivilisten zu stoppen. "Gaddafi hat das Vertrauen seines Volkes sowie die Rechtmäßigkeit zur Herrschaft verloren", sagte der US-Präsident. "Die Hoffnungen des libyschen Volkes müssen verwirklicht werden."
Obama wandte sich gegen die zunehmende Kritik im eigenen Land, dass die Libyen-Strategie unklar und der Militäreinsatz in dem nordafrikanischen Land nicht ausreichend durchdacht worden sei. "Unsere Militärmission in Libyen ist klar und konzentriert", sagte er. Um den US-Bürgern die Angst vor einem weiteren langwierigen Auslandseinsatz der Armee zu nehmen, machte Obama deutlich, dass der Einsatz begrenzt sei und die Verantwortung an Verbündete der USA und die NATO abgegeben werde. Zugleich bekräftigte er die Aussage, dass die USA keine Bodentruppen nach Libyen entsenden würden.
Die Stimmenthaltung Deutschlands im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat eine Diskussion in der Union ausgelöst. Mehrere Parteivertreter kritisieren im SPIEGEL das Vorgehen der Bundesregierung. Es sei "ein schwerer Fehler von historischer Dimension mit unvermeidlichen Spätfolgen", sagt der ehemalige Verteidigungsminister Volker Rühe. Der frühere EU-Sonderbeauftragte für Bosnien, Christian Schwarz-Schilling, wirft der Regierung "historischen Zynismus" vor.
Rebellen fordern Fortsetzung der Luftangriffe
Die Sprecher der Rebellen verlangten von der internationalen Gemeinschaft die Fortsetzung der Luftangriffe, vor allem rund um das umkämpfte Misurata weiter im Westen des Landes. Ohne die Luftschläge, so der Tenor einer Pressekonferenz in Bengasi, könnten die Rebellen bei ihrem Vormarsch nicht weiterkommen.
Die von der afrikanischen Union angebotenen Gespräche zwischen der Gaddafi-Regierung und den Rebellen lehnten diese jedoch ab. Die Sprecher der Übergangsregierung betonten, Voraussetzung für solche Verhandlungen sei, dass sich Gaddafi und seine Söhne umgehend ergäben und sich vor Gericht verantworten müssten.
Die USA und ihre Verbündeten erwägen einem Zeitungsbericht zufolge, die libyschen Aufständischen mit Waffen zu versorgen. US-Präsident Barack Obama sei der Ansicht, die Uno-Resolution zur militärischen Durchsetzung der Flugverbotszone in Libyen ermögliche eine solche Unterstützung der libyschen Opposition, berichtet die "Washington Post" am Samstag unter Berufung auf Regierungsvertreter aus den USA und Europa. Frankreich unterstütze überdies Überlegungen, die Gegner von Libyens Machthaber Gaddafi militärisch auszubilden und auszurüsten.
Der aus Tripolis abgezogene US-Botschafter für Libyen, Gene Cretz, sagte dem Bericht zufolge, die Regierung erörtere "die volle Bandbreite" möglicher Hilfsangebote an die libysche Opposition. Eine Entscheidung sei jedoch noch nicht gefallen, schrieb die "Washington Post".