Libyens Gesandter in Berlin "Ich bin nicht mehr Gaddafis Botschafter"

Gaddafis Gesandte in Washington, Delhi und bei der Uno haben sich schon vor Monaten abgesetzt - doch Libyens Botschaft in Berlin hielt still. Nun folgt Dschamal al-Barag dem Beispiel seiner Kollegen und geht auf Distanz. Seinen Posten will er aber behalten - bis ihm das Geld ausgeht.

SPIEGEL ONLINE: Herr Barag, Libyens Außenminister Mussa Kussa ist geflüchtet, Ölminister Shukri Ghanem soll sich abgesetzt haben - und nun gibt es sogar Gerüchte, Muammar al-Gaddafis Ehefrau Saifa und seine Tochter seien in Tunesien eingetroffen. Wie stehen Sie zum Regime in Tripolis?

Barag: Es wird auseinanderbrechen. Das Regime kämpft gegen sein eigenes Volk, es schießt mit schwerer Artillerie auf wehrlose Menschen. Ich komme selbst aus Misurata, meine ganze Familie kommt von dort. Täglich werden dort Bekannte und Freunde von uns getötet, gerade erst kam ein Schulfreund meines Sohnes Rawad ums Leben.

SPIEGEL ONLINE: Warum äußern Sie sich erst jetzt so kritisch? Warum haben Sie sich nicht schon längst vom Regime losgesagt - wie es Ihre Botschafterkollegen in Delhi und in Washington getan haben. Abd al-Rahman Schalgham, Libyens ehemaliger Uno-Botschafter, hat das gleich zu Beginn der Krise getan.

Barag: Ich habe Schalgham damals angerufen. Er hat mich seinerzeit als Botschafter nach Berlin geschickt. Er sagte mir: Mach erst mal weiter. Und so habe ich es gemacht. Libyens Volksbüros im Ausland sind, wie der Name sagt, Vertretungen des Volkes. Ich bin nicht mehr der Botschafter von Gaddafi, ich bin Vertreter des libyschen Volkes.

SPIEGEL ONLINE: Sie sagen sich hiermit also vom Regime in Tripolis los?

Barag: Ich werde nicht mehr akzeptieren, was dieses Regime tut. Ich hasse, was das Regime tut. Eine Regierung muss ihr Volk beschützen, nicht töten.

SPIEGEL ONLINE: Wenn Sie das jetzt so sehen - wie können Sie dann noch auf Ihrem Posten bleiben?

Barag: Weil mir Schalgham das geraten hat. Ich mache, seit die Uno die Resolution 1973 verabschiedet hat, keine politische Arbeit mehr. Ich komme nur mehr sporadisch ins Büro. Aber wir haben mehr als 700 libysche Studenten in Deutschland. Ich stelle sicher, dass die jeden Monat ihre 1800 Euro bekommen, dass ihre Krankenversicherungen und ihre Studiengebühren bezahlt werden.

SPIEGEL ONLINE: Sie kriegen also nach wie vor Geld aus Libyen?

Barag: Wir haben noch Geld bis Juni. Die letzte Überweisung kam vor gut einem Monat. Aber die Deutsche Bank in Frankfurt hat diese Tranche nicht mehr ausgezahlt. Unsere Filiale in Berlin versucht jetzt, ob das doch noch möglich ist.

SPIEGEL ONLINE: Wie viel Geld bekommen Sie denn?

Barag: Wir kriegen jeweils zum Ende des Quartals unser Budget für die nächsten drei Monate überwiesen: etwa 1,6 Millionen Euro pro Monat für die Studenten und einen kleineren Betrag, etwa 150.000 Euro pro Monat, für die Gehälter der Botschaftsmitarbeiter.

SPIEGEL ONLINE: Und darüber hinaus haben Sie keine Mittel? Waren nicht Sie es, der die Liegenschaften in München erworben hat, in denen Gaddafis Sohn Saif al-Arab lebte - bevor er nach Libyen zurückkehrte, wo er vor zwei Wochen offenbar bei einem Luftschlag der Nato ums Leben kam?

Barag: Das stimmt. Ich war dafür verantwortlich, das Haus zu kaufen, in dem er gelebt hat. Aber ich hatte nicht persönlich mit ihm zu tun.

SPIEGEL ONLINE: Und was haben Sie jetzt noch vor?

Barag: Zurzeit versuche ich, vom Auswärtigen Amt Visa für elf Schwerverletzte aus Misurata zu bekommen, die in Krankenhäusern in der Türkei und in Tunesien liegen. Dort kann ihnen nicht mehr geholfen werden.

SPIEGEL ONLINE: Den deutschen Behörden würde es wahrscheinlich leichter fallen, Ihnen entgegenzukommen, wenn Sie Ihre Haltung schon früher öffentlich geäußert hätten.

Barag: Das Auswärtige Amt kennt meine Position.

SPIEGEL ONLINE: Das Auswärtige Amt hat Sie Anfang April einbestellt und fünf Ihrer Diplomaten des Landes verwiesen.

Barag: Damit hatte ich kein Problem. Davon hatten einige das Land ohnehin schon verlassen.

SPIEGEL ONLINE: Warum haben Sie nicht wenigstens diese Gelegenheit genutzt, um sich vom Gaddafi-Regime zu distanzieren?

Barag: Noch einmal: Ich bin dem Rat meines ehemaligen Außenministers Schalgham gefolgt, eines sehr erfahrenen Diplomaten.

SPIEGEL ONLINE: Der ist aber das Risiko eingegangen und hat gleich zu Beginn des Krieges erklärt, dass er mit dem Regime nichts mehr zu tun haben will.

Barag: Bei ihm hat das auch etwas bedeutet, das war ein Zeichen, das auf der ganzen Welt verstanden wurde. Das ist bei mir etwas anderes. Ich muss mich um die libysche Gemeinde kümmern, die in Deutschland lebt.

Das Interview führte Bernhard Zand
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