Anti-Gaddafi-Gesetz Libyens Regierung droht Berufsverbot

Libyens Premier Zeidan: Wer darf in der Regierung bleiben, wer muss gehen?
Foto: ? Ismail Zetouni / Reuters/ REUTERSTripolis - Libyens Nationalkongress will Funktionäre des Regimes des früheren Machthabers Muammar al-Gaddafi aus der Regierung verbannen. Mit überraschend großer Mehrheit haben die anwesenden Abgeordneten des Parlaments das umstrittene Gesetz, "Politische Isolierung" genannt, angenommen.
Die Regelung soll in einem Monat in Kraft treten. Danach müssen alle Staatsbediensteten, die zwischen Gaddafis Machtergreifung am 1. September 1969 und seinem Sturz im Oktober 2011 Schlüsselstellen in der öffentlichen Verwaltung besetzten, aus ihren Regierungsämtern entlassen werden. Das Berufsverbot dauert nach Artikel 18 des Gesetzes zehn Jahre.
Berufsverbot für Premier und fünf Minister?
Zahlreiche hochrangige Regierungsmitglieder sind nun von einem Rauswurf bedroht. Betroffen sein könnten unter anderem:
- Außenminister Ali al-Aujali: Er ist Karrierediplomat, war bereits unter dem Ex-Diktator im Dienst.
- Verteidigungsminister Mohammed Mahmoud al-Bargati: früherer Offizier der Gaddafi-Luftwaffe
- Finanzminister Alkilani Abdel-Qadir al-Jazi: Er unterrichtete an einer staatlichen Universität.
- Ölminister Abdulbari al-Arusi: Er arbeitete als Ingenieur bei einer staatlichen Ölfirma.
- Der Präsident des Allgemeinen Nationalen Kongresses, Mohammed Yusuf Magariaf: Er war als Diplomat für das Gaddafi-Regime tätig, bevor er sich der Opposition im Exil anschloss.
- Ministerpräsident Ali Zeidan: Er war bis 1980 Diplomat unter Gaddafi, lief dann zur Opposition über. Allerdings war er nur Diplomat, nicht Botschafter.
- Mindestens 15 Abgeordnete: Sie sollen an verschiedenen Stellen für den Ex-Machthaber gearbeitet haben.
Libyen droht damit der politische Stillstand. Das beschlossene Gesetz ist sehr vage formuliert - so vage, dass es jeden ausschließen könnte, der einmal Teil der Gaddafi-Bürokratie war, ob nun als Technokrat oder Täter, wie Human Rights Watch und andere Menschenrechtsorganisationen kritisieren. In Artikel eins des Gesetzes heißt es unter anderem, dass jeder, "der der Revolution vom 17. Februar feindlich gegenüberstand", aus dem Staatsdienst entfernt wird.
Außerdem ist bisher nicht eindeutig geklärt, wie die neue Behörde, die über das Berufsverbot entscheiden soll, genau besetzt sein wird.
Politischen Druck auf der Straße aufgebaut
Die Frage, wie man mit den Tätern und Mitläufern des Gaddafi-Regimes umgeht, spaltet das Land nach einer Diktatur, die 42 Jahre andauerte. Vor allem jüngere Politiker und die Islamisten drängten auf das umstrittene Gesetz.
Wochenlang hatte der Nationalkongress um die Regelung gerungen. Druck auf die höchste exekutive Gewalt machten vor allem die Islamisten, die bei den Wahlen, anders als in Tunesien oder Ägypten, schlecht abgeschnitten hatten. Bewaffnete Milizen hatten vor der Entscheidung des Kongresses mehrere Tage lang Regierungsgebäude in der Hauptstadt Tripolis belagert und so politischen Druck aufgebaut.
Im Zuge der Aufstände in den Nachbarländern Tunesien und Ägypten Anfang 2011 hatte auch eine Revolte gegen Gaddafi eingesetzt. Nach blutigen Kämpfen zwischen Rebellen und Regierungstruppen wurde der Machthaber nach jahrzehntelanger Herrschaft am 20. Oktober 2011 festgenommen und unter bis heute ungeklärten Umständen getötet.
Die derzeitige Führung des Landes schafft es bislang nicht, die zahlreichen Milizen zu entwaffnen.