"Lifeline"-Kapitän Reisch "Hätten wir die Leute ertrinken lassen, würde ich nicht vor Gericht stehen"

Der wegen mutmaßlicher Rechtsverstöße bei der Seenotrettung angeklagte "Lifeline"-Kapitän hat die EU-Flüchtlingspolitik und den Bundesinnenminister harsch kritisiert. Nicht er gehöre vor Gericht - sondern Horst Seehofer.
Claus-Peter Reisch, Kapitän des Seenotrettungsschiffs "Lifeline"

Claus-Peter Reisch, Kapitän des Seenotrettungsschiffs "Lifeline"

Foto: Matthias Balk/ dpa

Der in Malta angeklagte deutsche Kapitän des Flüchtlingsrettungsschiffs "Lifeline", Claus-Peter Reisch, hat die EU-Staaten und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) für ihren Umgang mit den Bootsflüchtlingen im Mittelmeer scharf attackiert.

"Es ist beschämend, dass die EU mehr dafür tut, Seenotrettung zu verhindern, als gegen das Sterben im Mittelmeer", hieß es in einer von der Organisation "Lifeline" verbreiteten Erklärung des 57-Jährigen.

Seit das "Lifeline"-Boot, weitere Rettungsschiffe und ein Aufklärungsflugzeug der Organisation "Sea Watch"  auf Malta festgehalten werden, seien mindestens 277 Menschen ertrunken.

"Wir diskutieren jetzt also ernsthaft, ob es legitim ist, Menschenleben zu retten? Hätten wir die Leute einfach ertrinken lassen, würde ich jetzt wohl nicht vor Gericht stehen." Das sei "schäbig und eine Gefahr für die Demokratie". Bundesinnenminister Seehofer warf er vor, er wolle Menschen auf dem Mittelmeer ertrinken lassen. "Er ist ein Täter, er gehört vor Gericht, er muss zurücktreten."

Drama auf dem Mittelmeer - "Sea Watch 2" vs. libysche Küstenwache

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Reisch ist momentan wieder in Deutschland, er landete am Montag am Münchner Flughafen. Allerdings muss er am 30. Juli wieder zurück in Malta sein, wo ihm nach einer Rettungsaktion für Flüchtlinge vor Libyen der Prozess gemacht werden soll.

Die "Lifeline" hatte im Juni 234 Flüchtlinge vor der libyschen Küste gerettet und war danach tagelang über das Mittelmeer gekreuzt, weil Italien und Malta zunächst ein Anlegen verweigerten. Schließlich durfte das Schiff in Malta anlegen, wurde aber von den Behörden beschlagnahmt.

"Lifeline" sollte Menschen nach Libyen zurückbringen

Den Flüchtlingshelfern wird vorgeworfen, sie hätten sich bei der Rettung von Flüchtlingen auf dem Mittelmeer behördlichen Anweisungen aus Italien widersetzt.

Tatsächlich wurde die "Lifeline" abgefordert, Gerettete an die libysche Küstenwache zu übergeben. Dem muss eine Crew aber nicht nachkommen, wenn den Geretteten dort Gefahr droht, was auch schon ein italienisches Gericht so bewertet hat. Außerdem geht es um die Frage, wie die "Lifeline", deren Heimathafen auf Malta ist, in den Niederlanden registriert wurde. (Lesen Sie bei SPIEGEL PLUS: Haben die deutschen Retter Recht gebrochen? )

Kapitän Reisch wurde mehrfach von der Polizei vernommen und vergangene Woche vor Gericht gestellt. Die Dresdner Hilfsorganisation bestreitet ein Fehlverhalten.

Italien hatte am Montag nach längeren Verhandlungen wieder zwei Schiffe mit rund 450 Menschen an Bord anlanden lassen. Sie hatten zuvor zwei Tage auf See ausharren müssen, bis mehrere Länder, darunter Deutschland, eine Übernahme von Flüchtlingen dieser Boote zugesichert hatten.

cht/dpa/AFP
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