Rettungsschiff "Lifeline"-Kapitän muss in Malta vor Gericht

Rettungsschiff "Lifeline" im Hafen von Valletta
Foto: Chris Mangion/ dpaTagelang hatte er die "Lifeline" über das Mittelmeer gesteuert - mit rund 230 Migranten an Bord. Jetzt droht dem deutschen Kapitän des Rettungsschiffs ein juristisches Nachspiel. Nach Angaben des maltesischen Rechtsbeistands Neil Falzon soll der Kapitän am Montag in Malta vor Gericht gestellt werden. Ihm werden den Angaben zufolge Verfehlungen im Zusammenhang mit der Registrierung des Schiffes vorgeworfen.
"Wir werden unser Möglichstes tun, um diese Sache aufzuklären und sicherzustellen, dass Hilfsorganisationen nicht zum Ziel werden, weil sie Menschen in Seenot retten", sagte Falzon. Ein Sprecher des Büros von Premier Joseph Muscat bestätigte die Vorwürfe, machte aber keine weiteren Angaben.
Claus-Peter Reisch war zuvor von der Polizeiin Maltaverhört worden, teilte der Rechtsberater der Dresdner Hilfsorganisation "Mission Lifeline" mit.
"Arbeit massiv erschwert"
Das Schiff fährt nach Angaben der Dresdner Hilfsorganisation unter niederländischer Flagge, was die dortigen Behörden aber bestreiten. Das Schiff ist nur im Register des Wassersportverbandes eingetragen.
Die "Lifeline" hatte vor einer Woche rund 230 Migranten vor Libyen gerettet und war danach tagelang auf Hoher See blockiert, weil kein Staat ihr einen Hafen zuweisen wollte.
Schließlich durfte es am Mittwoch einen Hafen auf Malta anlaufen.Nach dem Drama um das Schiff haben die Aktivisten die Zukunft solcher Missionen offengelassen. Man könne noch keine Aussage dazu machen, ob man gleich wieder rausfahre, sagte Sprecherin Marie Naass am Donnerstag in Berlin. Das müsse man erst innerhalb der Organisation besprechen. Wenn man nicht mehr vor Ort sei, würden Menschen im Mittelmeer sterben. "Wir wissen aber auch, dass unsere Arbeit massiv erschwert wird - und wir können so eine 'Lifeline'-Situation nicht jede Woche haben."
Kapitän Reisch war auch vorgehalten worden, die Anweisungen der italienischen Behörden bei der Rettung der Migranten vor Libyen ignoriert zu haben. Die Regierung in Rom hatte das Schiff nach eigenen Angaben angewiesen, der libyschen Küstenwache die Bergung zu überlassen. Nach Darstellung der Helfer kam die Küstenwache aber nicht schnell genug zu Hilfe.
In Hotel untergebracht
Kapitän und Crew seien in einem Hotel in Malta sicher untergebracht worden, sagte Sprecherin Naass. Man kooperiere mit den Behörden in Malta und gebe alle gewünschten Informationen weiter. Dann müsse intern besprochen werden, wie es weitergehe. "Erst mal muss es darum gehen, dass es der Crew gut geht und dass sich die Lage irgendwie entspannt und dass sich alle sortieren können." Auf Twitter rief die Organisation zu neuen Spenden auf.
Man wisse aufgrund des zunehmenden Drucks europäischer Regierungen nicht, ob man Malta weiterhin als operative Basis nutzen könne, sagte Johannes Bayer von der Hilfsorganisation Sea-Watch. Er kritisierte die EU-Regierungen, die sich einer Aufnahme der Flüchtlinge verweigerten. "Jedem hier muss bewusst sein, dass, wenn wir diesen Weg weitergehen, dann gehen wir da über Leichen."
Bisher wurde das Schiff noch nicht beschlagnahmt. Das hatte Maltas Premier Muscat am Mittwoch angekündigt. Die Aktivisten sehen sich als Opfer einer Kriminalisierungskampagne. "Wir werden zu Sündenböcken gemacht für eine gescheiterte Migrationspolitik auf europäischer Ebene", sagte Naass. Die "Lifeline" habe sich an alle internationalen Konventionen gehalten.
Auch Norwegen will Flüchtlinge aufnehmen
Die maltesische Regierung erklärte, dass mittlerweile auch Norwegen zugestimmt habe, Flüchtlinge des Schiffs aufzunehmen. Damit sind es insgesamt neun europäische Länder. Die Bundesregierung sieht sich bisher nicht in der Pflicht, obwohl mehrere Bundesländer Hilfe angeboten haben. Innenminister Horst Seehofer (CSU) nannte Bedingungen für eine mögliche Aufnahme. Eine Voraussetzung sei, dass das Schiff festgesetzt werde. Populistische Äußerungen aus dem Innenministerium seien es nicht wert, kommentiert zu werden, entgegnete Naass.
Die Vereinten Nationen kritisierten die Europäische Union wegen des Mittelmeer-Dramas scharf. Weil die EU politisch gelähmt sei, müssten Unschuldige leiden, monierten das Uno-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) und die Internationale Organisation für Migration (IOM). Sie verlangten vor dem EU-Gipfel in Brüssel am Donnerstag, die EU-Staaten müssten schnellstens eine gemeinsame Lösung für die ganze Region finden, um weiteres unnötiges Sterben auf See zu verhindern.