Liu Xiaobo Friedensnobelpreis für Pekings Staatsfeind Nr. 1
Oslo - Das norwegische Nobelpreiskomitee trotzt dem politischen Druck aus China: Der geht in diesem Jahr an Liu Xiaobo. Das gab das Komitee am Freitag in Oslo bekannt. Komiteechef Thorbjørn Jagland begründete die Entscheidung mit dem "langen und gewaltlosen Kampf" des chinesischen Dissidenten für die Menschenrechte in seinem Land. Der 54-Jährige sei zu elf Jahren Haft verurteilt worden, weil er seine politische Meinung verbreitet habe.
"China verstößt gegen die Einhaltung einiger internationaler Abkommen, die es selbst unterzeichnet hat und missachtet auch eigene Vorschriften bezüglich politischer Rechte", sagte Jagland. "Es ist unsere Verantwortung, zu sprechen, wenn andere nicht sprechen können", begründete er die Entscheidung.
sitzt wegen der Mitwirkung bei der Verfassung und Verbreitung der sogenannten "Charta 08" im Gefängnis. In dem Manifest fordern chinesische Intellektuelle und Bürgerrechtsaktivisten umfassende politische Reformen in China, um Redefreiheit und freie Wahlen zu erreichen. Die chinesische Regierung hatte kürzlich das Nobelkomitee davor gewarnt, den Preis an Liu zu vergeben. Sie hatte mit einer Verschlechterung der Beziehungen zu Norwegen gedroht, sollte der Dissident die Auszeichnung bekommen.
Kühle Reaktion der chinesischen Regierung
Die Reaktion aus Peking auf das Votum des Komitees fiel äußert knapp aus. Die Entscheidung sei "zur Kenntnis" genommen worden, sagte eine Vertreterin des Außenministeriums in Peking lediglich. Einen weiteren Kommentar lehnte sie ab. Chinesische Bürgerrechtler dagegen feierten Liu.
Mit Liu erhält erstmals ein Chinese den Friedensnobelpreis. Der Menschenrechtler ist Präsident des unabhängigen chinesischen PEN-Clubs und wurde im vergangenen Dezember zu elf Jahren Haft wegen "Untergrabung der Staatsgewalt" verurteilt. Dagegen hatte neben vielen Kulturschaffenden und anderen Politikern auch Angela Merkel protestiert.
Nach der Bekanntgabe der Entscheidung des Nobelpreiskomitees forderte die Bundesregierung von China die Freilassung Lius."Die Bundesregierung wünscht sich, dass er aus der Haft freikommt und den Preis selber in Empfang nehmen kann", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.
Die Auszeichnung wird am 10. Dezember im norwegischen Oslo verliehen. Wer den Preis in Empfang nehme sei noch unklar, sagte Jagland. "Das ist etwas, das wir außer Acht lassen, wenn wir den Preisträger bestimmen." Das Komitee habe bislang weder Liu noch seine Frau anrufen können, um ihnen die Entscheidung mitteilen zu können. "Wir werden die chinesischen Behörden bitten, die Nachricht Liu zu überbringen", sagte Jagland

Liu Xiaobo: Friedensnobelpreis für den Dissidenten
Bekannt wurde der frühere Literaturprofessor Liu als einer der Anführer des Hungerstreiks während der Studentenproteste auf dem Platz des himmlischen Friedens in Peking 1989. In den Neunziger Jahren wurde er für 20 Monate inhaftiert und verbrachte drei Jahre im Arbeitslager und mehrere Monate unter Hausarrest.
In diesem Frühjahr war Liu von Peking in das weit entfernt gelegene Jinzhou Gefängnis in der nordostchinesischen Provinz Heilongjiang verlegt worden. Die Staatssicherheit hatte seine Frau Liu Xia am Abend vor der Vergabe des Friedensnobelpreises wegen des großen internationalen Medieninteresses aufgefordert, Peking zu verlassen, doch sie weigerte sich. Kurz vor der Verleihung berichtete Lius Frau, dessen geistige Verfassung sei recht gut, doch leide er in der Haft immer wieder unter Magenproblemen.
"Wir sind völlig unabhängig in unseren Entscheidungen"
"In China sind die Freiheitsrechte weiter eindeutig eingeschränkt", hieß es in der Begründung des Nobelpreiskomitees. Jagland bestätigte, dass Diplomaten der Regierung in Peking Druck auf das Osloer Komitee ausgeübt hätten, den weltberühmten Preis nicht an Liu oder einen anderen chinesischen Dissidenten zu vergeben. "Wir sind völlig unabhängig in unseren Entscheidungen", erklärte Jagland. "Das norwegische Nobelkomitee hat immer daran geglaubt, dass es eine enge Verbindung zwischen Menschenrechten und Frieden gibt."
Bereits im Vorfeld hatte es heftige Spekulationen um den diesjährigen Preisträger gegeben. Auch der Name von Altkanzler Helmut Kohl wurde von einem norwegischen TV-Sender genannt.
Komiteechef Jagland hatte die Spannung noch erhöht, indem er vor der Bekanntgabe eine sehr kontroverse Entscheidung ankündigte. Die Wahl des Komitees werde "eindeutig" ähnlich umstritten sein wie die Vergabe des Friedensnobelpreises an US-Präsident Barack Obama vergangenes Jahr, sagte Jagland kurz vor der offiziellen Bekanntgabe des diesjährigen Preisträgers.
Auch die Russin Swetlana Gannuschkina, die für eine für Tschetschenen aktive Flüchtlingshilfsorganisation arbeitet, und die afghanische Menschenrechtlerin Sima Samar waren als Anwärterinnen genannt worden. Insgesamt gab es 237 Nominierte.
Der Friedensnobelpreis gilt als bedeutendste internationale Auszeichnung im Bemühen um eine friedlichere Welt und ist mit umgerechnet 1,1 Millionen Euro dotiert. Stifter des Preises ist der schwedische Erfinder des Dynamits, Alfred Nobel.