Lösung im Streit um Staatsreform Belgien könnte bald wieder regiert werden

Belgische Demonstranten: Bekommt das Land endlich eine Regierung?
Foto: NICOLAS MAETERLINCK/ AFPBrüssel - 485 Tage nach den Parlamentswahlen im Jahr 2010 scheint eine Regierungsbildung in Belgien in greifbare Nähe gerückt. Am Dienstag verkündete der belgischer Vermittler Elio Di Rupo in Brüssel eine Lösung im Streit über die Staatsreform. "Wir haben eine Einigung", erklärte Di Rupo belgischen Medien zufolge zusammen mit Vertretern von acht belgischen Parteien.
Di Rupo sprach von einem ersten, aber fundamentalen Schritt historischen Ausmaßes. "Das heutige Belgien wird sich sehr von dem morgigen unterscheiden", betonte der Sozialist, der im französischsprachigen Teil Belgiens als Wahlsieger aus den Parlamentswahlen hervorgegangen war.
Laut Di Rupo soll nun in den kommenden Tagen über die Bildung einer Koalitionsregierung verhandelt werden, auf die die Belgier seit rund 15 Monaten warten. Das Königreich ist seit dem Urnengang im Juni 2010 ohne gewählte Regierung - ein Weltrekord.
Die zwischen acht belgischen Parteien ausgehandelte Lösung, die am Dienstag in Brüssel der Öffentlichkeit präsentiert wurde, sieht einen erheblichen Machtzuwachs der Regionen vor. Künftig sollen diese eigene Steuern erheben können, mehr Entscheidungsgewalt in der Arbeitsmarktpolitik und der Sozialpolitik bekommen und auch eigenständig über Geschwindigkeitsbegrenzungen auf ihren Straßen entscheiden können. Außen- und Verteidigungspolitik, soziale Sicherheit sowie der nationale Bahnverkehr sollen in der Zuständigkeit der Zentralregierung bleiben.
Haushalt muss dringend aufgestellt werden
Vor allem die wirtschaftlich deutlich stärkeren Flamen hatten auf mehr Unabhängigkeit, zum Teil sogar auf Unabhängigkeit gepocht, ein Szenario, das bei den Wallonen auf wenig Gegenliebe stößt. Die N-VA, die 2010 in Flandern als stärkste Partei aus den Wahlen hervorgegangen war und deutlich mehr Unabhängigkeit einfordert, war nicht an der präsentierten Einigung beteiligt.
Eine Garantie, dass Belgien nun in Kürze eine Regierung bekommen wird, ist die Einigung, die in eine sechste belgische Staatsreform münden könnte, allerdings nicht. Nun steht eine Regierungsbildung an. Außerdem muss dringend ein Haushalt für 2012 aufgestellt werden. Bis 2015 müssen insgesamt 24 Milliarden Euro eingespart werden. Belgiens Staatsverschuldung ist mit fast hundert Prozent der Wirtschaftsleistung sehr hoch - das Land wird deshalb von den Finanzmärkten intensiv beobachtet.
Die Zeit drängt. Erst vor kurzem hatte die noch amtierende Übergangsregierung die Verstaatlichung des belgischen Teils der belgisch-französischen Dexia-Bank beschlossen - für vier Milliarden Euro, was die ohnehin angespannte Haushaltslage Belgiens weiter verschlimmern dürfte. Zudem hat der noch amtierende Regierungschef Yves Leterme einen Posten bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) angenommen, den er spätestens Ende des Jahres antreten will.