Logbuch al-Qaida Kalaschnikow und Kindergarten
Der Bundestag hat an diesem Donnerstag Neuland betreten und die "Vorfeldstrafbarkeit" in der Terrorismusbekämpfung verankert. Das heißt zum Beispiel, dass es künftig strafbar sein soll, sich in einem "Terror-Camp" an Waffen schulen zu lassen. Oder im Internet Bombenpläne zu verbreiten und mit Aufrufen zu Gewaltverbrechen zu verbinden. (Der Bundesrat muss teilweise noch zustimmen.)
Natürlich betont Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD), dass man auch wirklich einen Anschlag begehen wollen muss, um bestraft werden zu können. Aha.
Diese neuen Gesetze werfen trotzdem mehr Probleme auf, als sie angebliche "Schutzlücken" beseitigen. Das erste steckt gleich in Zypries' Rechtfertigung verborgen: Gerichte sollen also künftig entscheiden, ob jemand etwas wollte, zu dessen Umsetzung er keinerlei konkrete Schritte eingeleitet hat - denn hätte er das, könnte man ihn ja deswegen anklagen. Mal abgesehen davon, dass das schwierig zu klären sein dürfte: Sollte es eigentlich strafbar sein, möglicherweise an etwas gedacht zu haben? Max Stadler, Abgeordneter der FDP, klagt denn auch zu Recht: "Man kann nicht Personen hinter Gitter bringen, die vielleicht wirre Gedanken im Kopf haben, denen aber nichts Konkretes nachzuweisen ist."
Das zweite Problem: Wie will man jemandem einen solchen Aufenthalt überhaupt nachweisen? Das derzeit laufende Verfahren gegen die Sauerland-Gruppe illustriert das trefflich. Dubiose Zeugen in Knästen in Usbekistan und Kasachstan, schwammige Geheimdienst-"Hinweise" aus den USA, indirekte Schlüsse aus abgehörten Gesprächen: Mit solchen Belegen soll in diesem Fall gezeigt werden, dass die Angeklagten in einem Camp der "Islamischen Dschihad-Union" waren, weil der Nachweis helfen würde, sie wegen einer Mitgliedschaft bei der Organisation zu verurteilen.
Das ist nicht gerade wasserdicht. Und es ist kaum damit zu rechnen, dass in anderen Verfahren bessere Belege zusammenkommen würden.
Außer natürlich: Die betreffenden Personen rühmen sich der Ausbildung selbst. Das gibt es auch - wie etwa bei den deutschen Islamisten, die sich Terrorgruppen im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet angeschlossen haben und sich dann beim Abfeuern von Waffen zeigen lassen. Um Nachahmer zu werben und zugleich klarzustellen, dass es ihr Ziel ist, im "Dschihad" zu sterben.
Ist das Gesetz denn dann nicht doch sinnvoll?
Naja. Im Grunde führt eine solche Konstellation nur zu Problem Nummer drei. Denn man müsste denn wohl auch nachweisen, dass der Betreffende mit "Dschihad" tatsächlich Anschlagsplanungen gegen Zivilisten in Deutschland meint. In den bisher bekannten Videos wird aber genau damit meist nicht gedroht - sondern es ist von Kämpfen gegen die "Besatzer" die Rede. Das ist nicht dasselbe, Zypries etwa nennt als Bedingung für eine Verurteilung die "Vorbereitung schwerer staatsgefährdender Straftaten".
Damit aber noch nicht genug. Problem Nummer vier ist nämlich, dass gar nicht so klar ist, was ein "Terror-Camp" eigentlich ist. Muss es dazu von einer (Von der Uno? Von der EU?) gelisteten Terrororganisation betrieben werden? Was muss dort gelehrt werden? Wie muss es sich zum Beispiel von einer Basis hinter der Front unterscheiden? Oder muss es das gar nicht?
Aber selbst wenn man diese Einwände alle für ungerechtfertigt hält, bleibt ein letztes Problem, das einen Nachgeschmack hinterlässt: Während nun wieder allerlei Dinge unter Strafe gestellt werden (neben dem Camp-Besuch zum Beispiel die Weiterverbreitung von Bombenbauanleitungen in Verbindung mit Aufforderungen zu Gewalt), kümmern sich Gesetzgeber und Sicherheitsbehörden um ein anderes Thema viel zu wenig: Die Frage nämlich, wieso jemand solches tut - und wie man der Radikalisierung von militanten Islamisten sinnvoll begegnen kann.