Machtprobe in Kairo Mindestens 30 Tote bei Krawallen in Ägypten

Die Polizei setzt Tränengas gegen Steine werfende Demonstranten ein, die auf dem Tahrir-Platz gegen  Ägyptens Militärrat protestieren: Die Sicherheitskräfte können die Krawalle in Kairo nicht unter Kontrolle bringen. Mindestens 30 Menschen wurden nach Uno-Angaben bei den jüngsten Unruhen getötet.
Krawalle in Kairo: Die Demonstranten lassen sich von der Polizei nicht einschüchtern

Krawalle in Kairo: Die Demonstranten lassen sich von der Polizei nicht einschüchtern

Foto: MAHMUD HAMS/ AFP

Kairo - Der Machtkampf zwischen dem herrschenden Militärrat und Demonstranten in Ägypten geht weiter: Auch nach der Zusage eines vorgezogenen Machtwechsels kam es am Mittwoch auf dem zentralen Tahrir-Platz in Kairo wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Protestierenden. Die Proteste der Demonstranten richten sich gegen den Obersten Militärrat, der seit dem Sturz des langjährigen Machthabers Husni Mubarak im Februar de facto die Macht ausübt.

Die Polizei setzte Tränengas gegen Steine werfende Demonstranten ein, die den Sicherheitskräften wiederum vorwarfen, sie mit Schrot- und Gummigeschossen angegriffen zu haben. "Mit Tagesanbruch haben sie angefangen, uns zu beschießen, weil sie uns dann sehen konnten", sagte ein 32 Jahre alter Möbeltischler.

"Hau ab, hau ab", riefen junge Demonstranten. Sie meinten Feldmarschall Mohammed Hussein Tantawi. Er ist Chef des Militärrats. Andere hängten auf dem Tahrirplatz eine Puppe auf, die dem Marschall darstellen sollte. In einer Fernsehansprache hatte Tantawi am Dienstag versprochen, die Präsidentenwahl um rund sechs Monate auf den Juni 2012 vorzuziehen. Außerdem sicherte er zu, dass die am Montag beginnende Parlamentswahl in Ägypten wie geplant stattfinden wird.

Bei den jüngsten Unruhen kamen nach Erkenntnissen der Uno bislang etwa 30 Menschen ums Leben, nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen gab es sogar 38 Tote. Außerdem gab es mehrere Hundert Verletzte. In Alexandria, der zweitgrößten Stadt Ägyptens, wurde am Mittwoch ein 38-Jähriger erschossen. Er wurde nach Angaben des Gesundheitsministeriums bei Auseinandersetzungen um ein Amtsgebäude getötet. Die Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, beschuldigte in einer am Mittwoch in Genf veröffentlichten Erklärung das ägyptische Militär und die Sicherheitskräfte. "Ich rufe die ägyptischen Machthaber auf, diese eindeutig überzogene Anwendung von Gewalt gegen Demonstranten auf dem Tahrir-Platz und anderswo im Land zu beenden, einschließlich des offensichtlich unangebrachten Einsatzes von Tränengas, Gummigeschossen und scharfer Munition."

Es gebe schockierende Berichte über das Zusammenschlagen bereits unterlegender Demonstranten sowie, dass Unbewaffneten in den Kopf geschossen worden sei. "Dazu muss es eine schnelle, unparteiische und unabhängige Untersuchung geben." Dass die dann für schuldig Befundenen zur Rechenschaft gezogen würden, müsse gesichert sein, sagte die Kommissarin.

Die neuen Unruhen in Ägypten beschäftigen auch die Bundesregierung. Sie sehe die Auseinandersetzungen mit "Bangen", sagte Kanzlerin Angela Merkel im Bundestag. Unionsfraktionschef Volker Kauder forderte Militär und Regierung in Kairo zur Auseinandersetzungen zur Einhaltung der Menschenrechte aufgefordert. "Wir erwarten, wenn wir Euch helfen und unterstützen, was wir machen wollen, dass die Menschenrechte eingehalten werden", sagte der CDU-Politiker am Mittwoch in der Generalaussprache zum Haushalt 2012 in Berlin. "Und dazu gehört Religionsfreiheit ganz existenziell."

Deutschland unterstütze den "Kampf gegen Militär und gegen eine Regierung, die die Interessen des Volkes offenbar nicht ernst nimmt", sagte Kauder. Bei dem Wandel von einer Diktatur zu einer modernen Gesellschaft erwarte er aber, "dass alle Religionen in diesem Land frei leben können". Die Ägypter sollten sich nicht in erster Linie über ihre Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft definieren. "Nur so werdet ihr zu einem modernen Land kommen."

als/Reuters/dapd/dpa/AFP
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