Malaysias Regierungschef tritt ab Freudentag für Bürgerrechtler
Kuala Lumpur - Für Irene Fernandez, die sich mit ihrer kleinen Hilfsorganisation Tenaganita um rechtlose Gastarbeiter kümmert, ist glücklich über das Ende der Ära Mahathir. Ihr haben die Behörden in den letzten Jahren übel mitgespielt. Weil sie 1996 einen Bericht über haltlose Zustände in einem Abschiebelager veröffentlichte, verurteilte eine Richterin sie jüngst nach sieben Jahren Prozessdauer zu einem Jahr Gefängnis: Sie habe, so hieß es, böswillig falsche Informationen verbreitet.
Jetzt wartet die 57jährige Inderin in ihrem Reihenhaus in einem Vorort Kuala Lumpurs auf die nächste Entscheidung des Gerichts. Vor wenigen Stunden hat sie Einspruch gegen das Urteil eingelegt. Bruder und Töchter sind angereist, um sie zu unterstützen. Eine indonesische Gastarbeiterin kommt und beklagt sich weinend über die Ungerechtigkeit des Prozesses.
Gefasst schildert Fernandez das Verfahren, das sie als höchst "unfair" empfindet. "Die Richterin hat pauschal die Aussagen der Entlastungszeugen verworfen und nur der Polizei geglaubt", sagt sie. Über 150-mal musste sie vor Gericht erscheinen, ihr Pass wurde eingezogen. In ihrem - von Journalisten bestätigten - Bericht war von desolaten hygienischen Bedingungen, schlechter medizinischer Versorgung und sexuellen Übergriffen in dem Lager die Rede gewesen. Als das Gericht sich aber nach langer Ankündigung zum Ortstermin begab, "war alles so sauber, dass ich mein Gesicht auf dem Fußboden spiegelte", erinnert sich Fernandez.
Das Schlussplädoyer musste sie selbst halten, weil der letzte Termin so plötzlich angesetzt war, dass ihr Verteidiger nicht von einer Reise aus dem Ausland zurückkehren konnte. "Das war ein politischer Prozess", sagt die Menschenrechtlerin. "Die Regierung will mich und meine Organisation zerstören und mich davon abhalten, bei den nächsten Wahlen zu kandidieren."
Die prominente Bürgerrechtlerin gibt sich kämpferisch: Sollte die Berufung verworfen werden, "kümmere ich mich im Gefängnis halt um die Lage der Frauen. Da soll ja auch einiges im Argen liegen."
Schikanen für politische Gegner
Demokratie à la Ministerpräsident Mahathir. Die Presse hält er am Gängelband, politische Gegner lässt er schikanieren oder gar ins Gefängnis werfen. So wie seinen Finanzminister und Ex-Stellvertreter Anwar Ibrahim, der in einem dubiosen Prozess, den Anwälte als "juristische Farce" bezeichnen, wegen Amtsmissbrauch und Korruption zu insgesamt 15 Jahren Gefängnis verurteilt wurde.
Nun hoffen die Verteidiger auf einen Sieg der Vernunft. Sie baten das Oberste Gericht, das Verfahren ausnahmsweise wieder aufzunehmen. "Fehler über Fehler" hätten die Richter gemacht, klagt ein Jurist. Doch ein neuer Prozess käme einem Wunder gleich, unabhängig ist Malaysias Justiz schon lange nicht mehr, das Justizministerium wurde abgeschafft, ein Minister für Rechtswesen sitzt direkt dem Premier untergeordnet im Regierungspalast.
Seit der Anwar-Affäre ist Mahathir mit seinen Kritikern noch unduldsamer geworden, wie Tian Chua, 40, Spitzenpolitiker der oppositionellen "Nationalen Gerechtigkeitspartei" erleben musste. Tian sitzt in einem Cafe neben der großen Moschee im Zentrum Kuala Lumpurs, gerade ist der Ruf des Muezzin verklungen. Der jugendlich wirkende chinesischstämmige Malaysier ist populär, Passanten drücken ihm die Hand, eine Rechtsreferendarin bittet ihn um ein Autogramm: "Weiter so!"
Gerade ist eine der unzähligen Gerichtsverhandlungen gegen Tian zu Ende gegangen. Weil er 1999 an einer Demonstration gegen die Regierung teilnahm, wurde er zusammen mit 29 anderen "wegen unerlaubter Versammlung" angeklagt. In der Zwischenzeit saß Tian bereits ohne Richterspruch zwei Jahre in einem Lager bei der Stadt Taiping. Wie oft er in irgendwelchen Arrestzellen festgehalten wurde, vermag er gar nicht zu zählen.
Auch der Nachfolger hält nichts von Pressefreiheit
Ein "Gefühl der Erleichterung" macht Tian bei vielen seiner Landsleute über den Abgang Mahathirs aus. Dass der künftige Regierungschef Badawi ihn, Irene Fernandez und alle anderen Oppositionellen sanfter als Mahathir behandeln wird, wagt er nicht zu hoffen.
Denn von Pressefreiheit zum Beispiel hält der neue Premier ebenso wenig wie sein Mentor. Als Innenminister hat er die Verhaftungsbefehle für Oppositionelle nach dem berüchtigten "Internal Security Act" (ISA) unterzeichnet. Das Gesetz stammt aus der britischen Kolonialzeit und erlaubt, "Staatsfeinde" ohne Urteil auf Jahre verschwinden zu lassen.
Aber, sagt Tian und spielt nervös mit seinem Handy: "Womöglich bleibt Badawi nicht lange im Amt."