Anschlag in Manchester Briten verärgert über US-Leaks

Polizeipatrouille in Manchester
Foto: ANDY RAIN/EPA/REX/ShutterstockÜberreste eines zerfetzten blauen Rucksacks, Schrauben und Metallteile, die aussehen wie Patronenhülsen: Die "New York Times" hat Fotos vom Tatort in Manchester veröffentlicht , die Teile des Sprengsatzes zeigen sollen, den der mutmaßliche Attentäter Salman Abedi, 22, bei dem Anschlag in der Konzertarena benutzt haben soll. Auch britische Medien veröffentlichten die Aufnahmen, die laut einem Bericht des "Guardian" von US-Behörden an Medien geleakt wurden.
Die britische Innenministerin Amber Rudd hatte bereits vor der Veröffentlichung der Tatortfotos die Leaks der Amerikaner scharf kritisiert. "Die britische Polizei hat deutlich gemacht, dass sie die Kontrolle über den Informationsfluss behalten will, um die Ermittlungen nicht zu gefährden", sagte Rudd dem "Guardian" zufolge. Es sei ärgerlich, wenn Details durch andere Quellen öffentlich gemacht würden. "Ich habe mich unseren Freunden gegenüber sehr klar geäußert, dass das nicht wieder vorkommen sollte."
Auch die höchsten britischen Polizeibeamten äußerten am Mittwochabend ihren Unmut. Man schätze die enge Partnerschaft und die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen britischen und amerikanischen Ermittlungsbehörden und Geheimdiensten, doch "wenn dieses Vertrauen gebrochen wird, gefährdet es unsere Ermittlungen und das Zutrauen von Opfern, Zeugen und ihren Angehörigen."
"Fehlender Respekt gegenüber einem Verbündeten in einer emotionalen Zeit"
Seit dem Attentat am Montagabend hatten sich die US-Behörden immer wieder aktiv in die laufenden Ermittlungen eingemischt und Informationen preisgegeben, noch bevor sie von britischer Seite veröffentlicht wurden. Auch die Identität des mutmaßlichen Selbstmordattentäters wurde zuerst von amerikanischen Medien genannt.
Der "Guardian" bezeichnet die Leaks als Zeichen des "fehlenden Respekts gegenüber einem Verbündeten in einer emotionalen Zeit". Die voreiligen Veröffentlichungen hätten die Ermittlungen behindert. Denn es sei wichtig, die Herausgabe von Details zu kontrollieren, um etwa mögliche Mittäter aufspüren zu können.
Vater von Salman Abedi leugnet, dass sein Sohn dem IS angehörte
Zwei Tage nach dem Selbstmordanschlag fahndet die Polizei unter Hochdruck nach möglichen Helfern des mutmaßlichen Attentäters. Ermittelt wird gegen ein "Netzwerk". Mittlerweile wurden im Zusammenhang mit der Tat neun Menschen ergriffen, in der Nacht zu Donnerstag gab es weitere Festnahmen. Der jüngsten Verhaftung seien Durchsuchungen in Nuneaton in Zentralengland vorausgegangen. Eine verhaftete Frau wurde dagegen am Donnerstag wieder freigelassen. Sie werde nicht beschuldigt, teilte die Polizei über den Kurznachrichtendienst Twitter mit.
Der Zeitung "Independent" zufolge wurden bei einer Durchsuchung Sprengsätze gefunden, die möglicherweise für künftige Attentate genutzt werden sollten. Die Polizei gab bekannt, dass es bei einer Razzia zu einer kontrollierten Explosion gekommen sei.
In Libyen wurden ein Bruder Salman Abedis sowie sein Vater festgenommen. Der Bruder sagte nach Angaben libyscher Ermittler aus, von den Anschlagsplänen gewusst zu haben. Der Vater hingegen sagte der Nachrichtenagentur Reuters, sein Sohn habe keine extremistischen Ansichten gehabt und nicht dem IS angehört. Auch sei er nicht nach Syrien gereist. Er habe seinen Sohn zuletzt vor fünf Tagen telefonisch gesprochen. Alles sei normal gewesen. Der Sohn habe gesagt, er gehe auf eine Pilgerreise nach Mekka. Er habe nicht gesagt, dass er nach Manchester fahre.
Premierministerin May verkürzt Reise zum G7-Gipfel
Wegen des Anschlags in Manchester verkürzt die britische Premierministerin Theresa May ihre Reise zum G7-Gipfel in Italien. May werde nach einem "verkürzten Programm" voraussichtlich schon am Freitagabend zurück nach Großbritannien reisen, sagte ein hochrangiger Regierungsvertreter am Mittwoch. Zur Begründung verwies er auf die "aktuelle Situation" und die nach dem Anschlag von May ausgerufene höchste Terrorwarnstufe in Großbritannien.