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Südafrika: Die Kluft der Armut spaltet das Land

Foto: THOMAS MUKOYA/ REUTERS

Mandelas Erbe Südafrikas Jugend verliert die Geduld

Mandelas wichtigstes Erbe ist die Gleichheit aller Südafrikaner an der Wahlurne. Doch wirtschaftlich ist die Kluft zwischen Schwarz und Weiß so tief wie nie zuvor, die Unzufriedenheit wächst. Viele fragen sich bang, wie es nach dem Tod des Versöhners weitergehen soll.

Ein Bus nach dem anderen fährt die Besucher auf den Hügel über den Gärten, wo der sandsteinfarbene Regierungssitz im Kolonialstil thront. Vereint in ihrer Trauer stehen die Südafrikaner an, schwarze, weiße, jung und alt, stundenlang. Alle sind sie gekommen, um einem Nationalhelden ihre letzte Ehre zu erweisen.

"Er hat so viel für uns getan", sagt die 37-jährige Martha Mlambo aus Pretoria. "Das ist das Mindeste, was ich nun für ihn tun kann." Jahrzehntelang saß Nelson Mandela für seinen Traum eines demokratischen Südafrikas freier, gleicher Staatsbürger im Gefängnis. Er hat Südafrika in einem Moment versöhnt, in dem das Land auch in einen Bürgerkrieg hätte abgleiten können zwischen Unterdrückern und Unterdrückten.

Gleichheit an den Wahlurnen hat Mandela den Südafrikanern gebracht. Doch von seinem Traum von tatsächlicher Gleichheit ist das Land immer noch weit entfernt - auch knapp 20 Jahre nachdem Mandela in den Union Buildings als erster schwarzer Präsident vereidigt wurde, wo nun sein Leichnam im halboffenen Sarg aufgebahrt wird.

"Wir haben noch einen langen Kampf vor uns", sagt Mlambo. "Mein Eindruck ist, dass seit dem Ende der Apartheid die Armen arm geblieben sind und die Reichen noch reicher wurden."

Kluft zwischen Schwarz und Weiß bleibt

Ganz falsch ist ihr Eindruck nicht, wie der Ende 2012 veröffentlichte Zensus zeigt. Zwar hat die Regierung in den vergangenen zehn Jahren einiges erreicht, Millionen Menschen haben Anschluss an Strom und Wasser erhalten, die Einkommen sind gestiegen. Doch insgesamt hat sich die Kluft noch vergößert.

Anders als Brasilien, ebenfalls wie Südafrika Mitglied der G20, der 20 wichtigsten Schwellen- und Industrienationen, ist es Südafrika nicht gelungen, die krasse Ungleichheit zu reduzieren, im Gegenteil:

  • 2001 verdiente der durchschnittliche weiße Haushalt 12.000 Euro mehr im Jahr als der durchschnittliche schwarze.
  • 2011 betrug der Unterschied knapp 21.000 Euro.

Ethnische Zugehörigkeit stellt in Südafrika noch immer einen so großen wirtschaftlichen Unterschied dar wie der zwischen Industriestaat und Entwicklungsland:

  • Der durchschnittliche weiße Haushalt in Südafrika verdiente 2011 knapp 25.700 Euro im Jahr,
  • der durchschnittliche schwarze rund 4300 Euro.

Zwar sind die Durchschnittseinkommen für schwarze Südafrikaner rasanter gestiegen als für weiße, und auch die Bildungswerte haben sich verbessert. Doch schwarze Südafrikaner starten im Durchschnitt von einem derart niedrigen Ausgangspunkt, dass die Kluft bestehen bleibt.

"Bildung ist ein Riesenproblem", sagt Mlambo. "In den armen Gegenden sind die Schulen schlecht, in den reichen gut." Zwar steigt die Zahl der Hochschulabsolventen für schwarze wie weiße Südafrikaner, doch dies geschieht, ähnlich wie beim Einkommen für die Weißen, von einem viel höheren Durchschnittsniveau. "Was wirtschaftliche Gleichheit angeht, haben wir noch einen langen Kampf vor uns", sagt Martha Mlambo.

"Wir brauchen jetzt wirtschaftliche Gleichheit"

Geduld hat Mandela den Südafrikanern abverlangt, gesellschaftliche Gleichheit werde langsam kommen. Mandela war ein Mann der Kompromisse, nicht der Revolution. Während im Nachbarland Simbabwe Präsident Robert Mugabe die weißen Großgrundbesitzer enteignete und die Wirtschaft zum Absturz brachte, bemühte sich Mandela um das weiße Kapital.

Den radikalen Bruch mit der Vergangenheit gab es nicht. Zwar nennen die Südafrikaner ihre Hauptstadt nun Tshwane und nicht mehr Pretoria nach einem Mann, der Zehntausende Zulus niedermetzeln ließ. Doch Andries Pretorius sitzt als Statue immer noch stolz und hoch zu Ross im Garten vor den Union Buildings. Nun, mit Mandelas Tod, scheinen manche der Jüngeren die Geduld zu verlieren.

"Wir haben politische Gleichheit, aber nun wird es endlich Zeit für wirtschaftliche", sagt der 28-jährige Katlego, der nur seinen Vornamen zitiert haben will, weil er laut über die Führung der Regierungspartei ANC schimpft, die Mandela lange anführte. "Was interessieren mich diese alten korrupten Männer, die ihre Schlachten vor Jahren geschlagen haben. Jetzt geht es um wirtschaftliche Freiheit."

Bei der Trauerfeier für Nelson Mandela am Dienstag wurde Präsident Jacob Zuma ausgepfiffen, da half dem Präsidenten aller Respekt vor Madiba wenig, wie die Südafrikaner Mandela nach seinem Clan nennen. Zuma hat mit Korruptionsvorwürfen zu kämpfen, in den Wochen vor Mandelas Tod dominierten Berichte über seinen Wohnsitz die Schlagzeilen, der viel teurer wird als geplant.

Der ANC, Regierungspartei ohne ernste Herausforderer, sei an der Spitze verkommen, schimpft Katlego. "Sie haben es schon nicht geschafft, sich zu einigen und für das Allgemeinwohl stark zu machen, als Mandela noch lebte. Das eigene Wohl ging ihnen immer vor. Wie soll es jetzt erst werden, da er tot ist?"

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