Mehr Macht für Orban Ungarns Parlament billigt umstrittene Verfassung

Die Proteste von Opposition und Bürgerrechtlern waren vergebens: Mit ihrer Zweidrittel-Mehrheit hat die rechtskonservative Fidesz-Partei im Parlament eine neue Verfassung für Ungarn verabschiedet. Ministerpräsident Orban hat nun noch größere Möglichkeiten, in dem EU-Staat seine Macht auszubauen.
Proteste in Budapest: Rücktritt von Orban gefordert

Proteste in Budapest: Rücktritt von Orban gefordert

Foto: ATTILA KISBENEDEK/ AFP

Budapest - Noch am Wochenende waren tausende Ungarn in Budapest aus Protest auf die Straßen gegangen. Sie wollten die neue Verfassung verhindern, die Anfang 2012 in Kraft treten soll. Doch am Montag setzte die regierende rechtskonservative Partei Fidesz das Vorhaben um: Mit ihrer für Verfassungsänderungen notwendigen Zweidrittel-Mehrheit wurde das umstrittene Projekt im Parlament verabschiedet.

Die "Nationales Glaubensbekenntnis" genannte Präambel erhebt Werte wie König, Krone, Stolz auf die Geschichte und Christentum zu Rechtsmaßstäben in Ungarn. Kritiker fühlen sich dadurch an die faschistische Ideologie der dreißiger Jahre erinnert.

Die neue Verfassung soll der Fidesz vor allem breite Möglichkeiten zur grundlegenden Umgestaltung des Landes und zur Festigung ihrer Macht eröffnen - auch über die 2014 endende Amtszeit der Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban hinaus. Nach der neuen Verfassung wäre Orban bei einer Niederlage bei der nächsten Parlamentswahl noch immer befugt, das Parlament aufzulösen und vorgezogene Neuwahlen einzuberufen.

Ein so genannter Haushaltsrat kann zudem jederzeit das vom Parlament beschlossene Staatsbudget per Veto annullieren. Auch sollen viele wichtige Gesetze nur mit Zweidrittelmehrheit beschlossen oder geändert werden können. Kaum eine Nachfolgeregierung dürfte imstande sein, sie wieder zu ändern.

Die oppositionellen Sozialisten und die liberale LMP enthielten sich bei der Abstimmung im Parlament aus Protest. Schon vor dem Beschluss hatten linke und liberale Oppositionelle sowie Juristen und Bürgerrechtler kritisiert, dass der Entwurfstext im Schnellverfahren, ohne wirkliche Bürgerbeteiligung ausgearbeitet worden sei. Auch die EU und die Uno hatten sich besorgt gezeigt.

Nichtregierungsorganisationen kritisieren, dass die Verfassung von einer starken "christlich-rechten Ideologie" geprägt sei, durch die Atheisten, Homosexuelle und alleinerziehende Eltern benachteiligt würden.

Orban hatte die Überarbeitung der Verfassung damit begründet, dass der bisherige Text von 1949 und damit aus der Zeit des Kalten Krieges stamme. Allerdings war das Regelwerk schon mit dem Zusammenbruch des Ostblocks 1989 weitgehend abgeändert worden.

als/dpa/Reuters/AFP
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