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US-Wahlkampf Melania Trump traut sich aufs Schlachtfeld

Kurz vor Toresschluss greift Melania Trump in den Wahlkampf ein: Donald Trumps Gattin, die seine schlechten Umfragewerte bei Frauen aufpolieren soll, hielt ihre erste Wahlkampfrede. Und die war ganz schön scheinheilig.

Sie hat sich getraut. Melania Trump hielt am Donnerstag in Philadelphia ihre erste Rede in diesem Wahlkampf.

In einem blau ausgelegten Zelt erscheint sie um kurz nach 14 Uhr Ortszeit auf der Bühne, der Empfang durch die paar Hundert Zuschauer ist herzlich, ein paar "We love you"-Rufe schallen zu ihr herauf. "We love you too", haucht sie zurück.

Melania Trump lächelt, zeigt das Victory-Zeichen, aber es ist deutlich spürbar, wie nervös sie ist.

Sie ist keine gute Rednerin, ihr Englisch ist schlecht, ihr Vortrag hölzern. Wenn ihre Worte Applaus auslösen, wirkt sie ehrlich erfreut und fast überrascht, als würde ihr selbst just eben bewusst, was sie da gerade stockend vom Teleprompter abgelesen hat.

Im umkämpften Pennsylvania also tritt Melania Trump als Botschafterin ihres Mann Donald an. Der liegt hier laut Umfragen fünf Tage vorm Stichtag rund fünf Prozentpunkte hinter Hillary Clinton zurück, in einigen Bezirken sogar bis zu 23 Prozent - sollte er seine Rivalin in Pennsylvania aber in Bedrängnis bringen können, wäre alles möglich in der Nacht der Entscheidung.

Melania Trump am Donnerstag in Berwyn, Philadelphia

Melania Trump am Donnerstag in Berwyn, Philadelphia

Foto: Patrick Semansky/ AP

Besondern die viel zitierten "Suburban Moms", also Mütter in den Vorstädten, gilt es hier zu umwerben. Weiße Frauen wählen in der Mehrheit traditionell republikanisch, doch der Sexist Trump hat bei ihnen einen schweren Stand.

Aber ist es überhaupt eine gute Idee, ausgerechnet Melania Trump zu entsenden, um die Sympathien von Frauen der unteren Mittelschicht zu erobern?

Das Ex-Model lebt in den goldverbrämten Weiten ihres Familienapartments im New Yorker Trump Tower. Sie übt keinen Beruf aus und kümmert sich ausschließlich um die Erziehung ihres Sohnes Barron - für die meisten Mütter in Amerika ist dieser Lebensentwurf entweder gar nicht erstrebenswert oder purer, unerreichbarer Luxus.

Das Kalkül hinter der Entscheidung, Melania Trump in die Schlacht zu schicken, dürfte darum ein anderes sein.

Fotostrecke

Fotostrecke: Melania Trump - eine Frau will nach oben

Foto: MANDEL NGAN/ AFP

Die Ehefrau als Leumundszeugin

Die Gattin des Milliardärs wird als Leumundszeugin eingesetzt. Sie soll all den Frauen, die von den Skandalen um Donald Trump schlicht angewidert sind, Vertrauen einflößen: Seht her, hier stehe ich, seine Ehefrau - wenn ich seine Grabschprahlereien verzeihen kann, dann kann das so schlimm gar nicht gewesen sein.

Energisch versucht Melania Trump in ihrer Rede mit dem Vorurteil aufzuräumen, sie sei nur ein Luxusweibchen. Sie habe als Model gearbeitet, sagt sie, und obwohl der Beruf ein Glamour-Image habe, sei das sehr harte Arbeit gewesen.

Sie spricht über ihre Heimat Slowenien und dass ihnen dort in den Achtzigerjahren, im Kommunismus, US-Präsident Ronald Reagan wie die personifizierte Verheißung auf ein besseres Leben erschienen sei. Das Publikum bejubelt diese Reverenz an den letzten großen Helden der Republikaner besonders frenetisch.

Trump-Fans in Berwyn

Trump-Fans in Berwyn

Foto: ALEX WONG/ AFP

Sie sei eine Immigrantin, sagt Melania Trump, und niemand "schätze die Freiheit und die Möglichkeiten in den USA" mehr als sie. Für Millionen illegaler Immigranten im Land muss das wie blanker Hohn klingen.

Interessant ist, dass Melania Trump die Anhänger ihres Mannes als "Bewegung" bezeichnet und somit das, wofür er steht, über den Wahlkampf hinaus auszudehnen versucht und dem Ansinnen, "Amerika wieder großartig" zu machen, fast pseudoreligiöse Züge verleiht. Die Spaltung der republikanischen Partei scheint in solchen Momenten sehr greifbar.

Surreal wirken die Passagen ihrer Rede, in denen Melania Trump die ethischen Tugenden ihrer Wahlheimat preist: "Wir müssen unseren Kindern amerikanische Werte vermitteln", sagt sie. "Freundlichkeit, Ehrlichkeit, Respekt, Mitgefühl, Großzügigkeit", Werte, um die sich ihr eigener Ehemann in diesem Wahlkampf herzlich wenig geschert hat.

"Wollen wir ein Land, in dem Frauen respektiert werden?"

Ihr Mann leide sehr, sagt Melania Trump, wenn in Amerika Fabriken geschlossen würden - derselbe Milliardär, man erinnere sich, der Zulieferer seiner Bauprojekte um ihr Geld prellte und illegale Arbeiter zu Schinderlöhnen beschäftigte.

Vollends scheinheilig klingt Melania Trump auch diesmal, als sie ihre Agenda umreißt, sollte sie die nächste First Lady werden: Sie wolle gegen Cybermobbing kämpfen, dem besonders Kinder und Jugendliche ausgesetzt seien. "Unsere Gesellschaft ist zu gemein und zu ruppig geworden", sagt ausgerechnet die Ehefrau des Mannes, der Frauen als "Schwein" und "Fressmaschine" beschimpft, ihnen an die Genitalien grabscht und Behinderte nachäfft.

Dann fragt Melania Trump ihre Zuhörer: "Wollen wir ein Land, in dem Frauen respektiert werden?" - nur wenige Wochen, nachdem ihr Mann seine politische Widersacherin als "nasty woman" titulierte.

Melania Trump mit Karen Pence, Ehefrau des Vizekandidaten Mike Pence

Melania Trump mit Karen Pence, Ehefrau des Vizekandidaten Mike Pence

Foto: ALEX WONG/ AFP

Beschimpfungen im Internet seien unerträglich, sagt ausgerechnet Melania Trump, deren Mann sich morgens um 3 auf Twitter mit Hassposts seinen politischen Frust von der Seele ätzt.

"Mein Mann wird ein fantastischer Präsident sein", ruft Melania Trump in die Menge, und selbst wenn ihre Rede diesmal nicht bei Michelle Obama abgekupfert ist: Der Vergleich zwischen den beiden Frauen, der amtierenden First Lady und ihrer möglichen Nachfolgerin, steht hier natürlich mit im Raum. Melania Trump wird wissen, dass sie sich als Übermittlerin einer politischen Botschaft nicht ansatzweise mit der eloquenten Michelle Obama messen kann.

Das Rennen in Pennsylvania ist noch nicht gelaufen. Am Montag kommen der Präsident - und Michelle Obama.

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