
Memoiren von Peter Mandelson Labours dritter Mann packt aus
Er will nicht alles schlecht reden. Es habe auch "sehr gute Zeiten" unter New Labour gegeben, betont Peter Mandelson im Interview mit der Londoner "Times". Er und und seien "phantastisch produktiv" gewesen. Schließlich hätten sie eine Partei neu erschaffen.
Doch politische Memoiren dienen seit jeher auch der Abrechnung mit den lieben Parteifreunden. Endlich kann man alles loswerden, was sich während der langen Jahre so angestaut hat. Das ist bei dem früheren Blair-Vertrauten und Brown-Retter Mandelson nicht anders.
Oft habe er sich von Tony und Gordon benutzt gefühlt, klagt der 57-jährige Ex-Minister gegenüber der "Times". Es sei nicht fair gewesen. "Ich wünschte, sie hätten mich anders behandelt." Die Memoiren erscheinen erst am Donnerstag, doch die Zeitung veröffentlicht vorab in einer dreiteiligen Serie Auszüge und ein Interview mit dem Autor.
der smarte Wahlkampfmanager und Chef-Einflüsterer Mandelson
Mandelson war der Unbekannteste der Troika - daher tragen die Memoiren den Titel "Der Dritte Mann". Das heißt aber nicht, dass er weniger Macht hatte. Während Premier Blair und Schatzkanzler Brown im Rampenlicht standen, zog im Hintergrund die Strippen. Als "Fürst der Finsternis" erlangte er einen legendären Ruf. Mitunter wirkte er wie der heimliche Herrscher in der Downing Street - besonders in Browns letztem Jahr als Regierungschef. Ganz ungeniert spricht Mandelson denn auch von der "Blair-Brown-Mandelson-Ära".
Fast zwei Jahrzehnte britischer Politik haben diese drei Politiker geprägt. Von den Vorbereitungen zu Blairs Wahl zum Parteivorsitzenden 1994 bis hin zu Browns Abwahl 2010 haben sie die Agenda bestimmt. Mandelson selbst sorgte für einen Gutteil der Schlagzeilen. Zweimal musste er als Minister unter Blair zurücktreten, weil ihm unlautere Geschäfte und Korruption vorgeworfen wurden. Doch die Skandale blieben nicht an ihm haften, jedes Mal gelang ihm das Comeback.
Prellbock in einer stürmischen Dreiecksbeziehung
In der stürmischen Dreiecksbeziehung spielte Mandelson die Rolle des Vermittlers, des Prellbocks, auch des Sündenbocks. So zumindest beschreibt er sich selbst. Wenn die beiden Erzrivalen in Downing Street Nummer Zehn und Elf mal wieder Krieg gegeneinander führten - und das war nahezu ständig der Fall -, dann musste Mandelson dazwischengehen und erklären, dass man so nicht regieren könne.
Dass die Beziehung zwischen Blair und Brown "dysfunktional" war, wie Mandelson es ausdrückt, ist nichts Neues. Spätestens seit der Veröffentlichung des Tagebuchs des Blair-Vertrauten Alastair Campbell vor einigen Jahren kennt die Öffentlichkeit unzählige deftige Details.
Mandelson selbst war dem Wüten Browns ausgesetzt, seit er sich im Duell um den Parteivorsitz 1994 auf Blairs Seite geschlagen hatte. Fortan galt er dem Schotten als Verräter. Brown habe drei Phasen durchlebt, schreibt Mandelson kühl - die Jahre vor 1994, dann 1994 bis 2007 und schließlich 2007 bis 2010. Die mittlere Phase, also die bei weitem längste und wichtigste Zeit, sei furchtbar gewesen. Die "ungezügelte Verachtung" des Brown-Lagers für die Leute rund um Tony habe "sehr zerstörerisch" gewirkt.
Erinnerungen an die alten Schlachten der Labour-Partei
Den aus London abgetauchten Wahlverlierer Brown wird das Urteil kaum überraschen. Dennoch dürfte er sich wieder einmal hintergangen fühlen. Schließlich war er es, der Mandelson 2008 aus heiterem Himmel aus dem Brüsseler Exil ins Zentrum der Macht zurückgeholt hatte. Er machte ihn sogar zum stellvertretenden Premier. Zwar geschah dies aus purem Eigennutz - ohne die schützende Hand Mandelsons hätte Brown die zahlreichen Putschversuche nicht überlebt -, aber etwas mehr Zurückhaltung hätte er im Gegenzug wohl erwartet.
Auch in der stoßen Mandelsons Erinnerungen an die alten Schlachten auf Unverständnis. Ihm wird vorgeworfen, den Neuanfang der Partei zu behindern. Im September soll der neue Parteivorsitzende gewählt werden, und alle fünf Kandidaten wollen die Brown-Blair-Kriege endlich hinter sich lassen. Einer der Kandidaten, Andy Burnham, hat schon erklärt, Mandelsons Buch nicht lesen zu wollen.
Mandelson sagt, er habe sich mit dem Buch beeilt, damit es noch vor der Wahl des neuen Parteichefs herauskommt und den Neuen nicht belastet. Doch der wahre Grund für die Hektik dürfte ein anderer sein: Diesmal wollte er der "Erste Mann" sein. Im September nämlich erscheinen die lang erwarteten Memoiren von Tony Blair. Der Ex-Premier hatte extra gewartet, bis Brown nicht mehr im Amt ist, um seinem Nachfolger keine Schwierigkeiten zu machen. Nun stiehlt Mandelson ihm die Schau - und nimmt die erste Deutung aus der Troika für sich in Anspruch.
Mandelson will wieder in die Politik zurück
Auch das Ehepaar Brown arbeitet an Büchern über ihre Jahre in der Downing Street - er an einem Sachbuch über die Finanzkrise, sie an einem unterhaltsamen Einblick in das Alltagsleben hinter der schwarzen Tür mit der Nummer Zehn.
Während Brown mit der nationalen Politik abgeschlossen hat, macht Mandelson in der "Times" deutlich, dass er sich keineswegs zurückziehen will. Der Mann, der bereits drei Comebacks in der britischen Politik hingelegt hat, spekuliert auf ein viertes. "Ich fühle mich jung", erklärt der 57-Jährige. Als Wirtschaftsminister habe er sich in seinem Element gefühlt. "Ich fand es schrecklich zu gehen, weil ich das Gefühl hatte, ich wusste, was ich tue".
Und so lässt er wissen, dass er der nächsten Labour-Regierung gerne wieder angehören würde. New Labour sei nicht tot, sagt er. New Labour sei eine "Geisteshaltung" - die Überzeugung, Politik nicht nur für eine bestimmte Gruppe, sondern fürs ganze Land zu machen. Innerhalb von zehn Jahren kämen die Sozialdemokraten wieder an die Macht, prognostiziert er. Sogar die Eignung zum Premierminister bescheinigt er sich selbst.
Bis dahin muss er sich mit seiner politischen Tätigkeit als Lord im Oberhaus begnügen. Es sei denn, David Cameron ruft doch noch an. Im vergangenen Jahr hatte Mandelson einmal angedeutet, dass er unter bestimmten Bedingungen auch für die Tories arbeiten würde. Er glaube nicht, dass er nach Camerons Geschmack sei, antwortet Mandelson auf eine Frage der "Times". Aber der konservative Premier sei "ein ziemlich guter Politiker".