Ukraine-Politik Senator McCain findet Merkels Führungsstil "peinlich"

Unmittelbar vor dem Eintreffen der Kanzlerin in Washington übt der einflussreiche republikanische Senator John McCain scharfe Kritik: Merkel lasse Führungsstärke vermissen, der Einfluss der Industrie auf die Politik in Deutschland sei zu groß.
Senator John McCain im Gespräch mit Reportern (am 29. April): Klare Worte zu Merkel

Senator John McCain im Gespräch mit Reportern (am 29. April): Klare Worte zu Merkel

Foto: JONATHAN ERNST/ REUTERS

Washington - US-Senator John McCain hat die Ukraine-Politik der deutschen Regierung in scharfen Worten verurteilt. Die fehlende Führungsstärke in Berlin sei ihm "peinlich", sagte der republikanische Politiker am Donnerstag vor Journalisten. Der Senator erklärte, er werde Merkel am Rande ihres Besuchs in der US-Hauptstadt treffen und ihr dies dann auch so sagen.

Mit Blick auf die engen Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Russland beklagte der Senator und frühere Präsidentschaftskandidat der Republikaner den Einfluss der "Industrielobby" auf die Politik der Bundesregierung. "Wir könnten sie genauso gut in der Regierung sitzen haben, es ist eine Schande", sagte er.

In welchem Rahmen McCain mit der Kanzlerin zusammenkommen soll, war zunächst nicht klar. Der Republikaner gehörte offenbar nicht zu einer Gruppe von Senatoren, die zu einem Dinner mit Merkel am Donnerstagabend (Ortszeit) eingeladen waren. Von deutscher Seite gab es zunächst keine Bestätigung eines Treffens.

Der republikanische Senator Jeff Sessions, der beim Abendessen mit Merkel auf der Gästeliste stand, verlangte angesichts des russischen Vorgehens in der Ukraine einen transatlantischen Schulterschluss. "Wir müssen sicherlich eine klarere, zielgerichtetere und geeintere Position haben", sagte er der Nachrichtenagentur AFP. Deutschland komme bei der Verschärfung der Sanktionen gegen Russland eine "Schlüsselrolle" zu. Zugleich forderte Sessions die Deutschen auf, den Frust über die NSA-Spähaffäre zu überwinden. "Wir müssen darüber hinwegkommen", sagte er.

Der demokratische Senator Chris Murphy sagte, das transatlantische Bündnis erlebe einen "entscheidenden Moment". Er sei gespannt auf die Sichtweise der Kanzlerin bei den Strafmaßnahmen gegen Russland. "Aber ich denke, es ist an der Zeit für die USA und Europa, gemeinsam Sanktionen gegen Wirtschaftsbranchen zu verhängen", sagte Murphy.

Nach dem Treffen mit den Senatoren stehen am Freitagmorgen auf Merkels Programm Gespräche mit Vertretern aus Wirtschaft und Politik. Danach trifft sie Präsident Barack Obama, dieser hat fast vier Stunden für sie im Weißen Haus reserviert. Von der Ukraine über die NSA-Spähaffäre bis zum geplanten transatlantischen Freihandelsabkommen - es gibt viel zu besprechen.

Trotz einiger strittiger Punkte sind beide Seiten daran interessiert, zur gewohnten Normalität in den Beziehungen zurückzufinden. Auffällig ist, dass der gerade von einer ausführlichen, einwöchigen Asien-Reise zurückgekehrte US-Präsident nicht auf die innenpolitische Agenda umschwenkt, sondern gleich den halben Freitag für die Kanzlerin reserviert. Dies ist ohne Zweifel als Geste der Wertschätzung gedacht - und wird von Merkel und ihren Beratern auch so verstanden.

Bereits am Freitagabend soll der Besuch der Kanzlerin beendet sein. Der nächste Gipfel wartet schon: Anfang Juni sehen sich Obama und Merkel dann wieder in Brüssel beim G7-Treffen.

jbe/AFP
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