Merkel-Besuch Deutschland verpasst die Afrika-Chance

Kriege, Armut, Hunger: Afrika gilt in Deutschland als Kontinent des Elends, nicht der Chancen. Angela Merkels Blitzreise dürfte daran kaum etwas ändern: Für drei Länder nimmt sich die Kanzlerin ganze drei Tage Zeit. Andere Staaten investieren längst mehr - und werden reich belohnt.
Kanzlerin Merkel bei einem Afrika-Besuch (2007): Drei Staaten in drei Tagen

Kanzlerin Merkel bei einem Afrika-Besuch (2007): Drei Staaten in drei Tagen

Foto: dapd

Sie wird den Präsidenten treffen, den Premierminister, und wenn sie an der Universität von Nairobi eine Rede hält, werden gleich vier nationale Fernsehsender den Auftritt live übertragen: Es ist ein besonderes Ereignis für Kenia, wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel an diesem Montagabend nach Ostafrika kommt. Seit den Unruhen 2008, die mehr als 1400 Menschen das Leben kosteten und Hunderttausende entwurzelt zurückließen, hat sich kein hochrangiger westlicher Staatsgast in Nairobi mehr blicken lassen, Nicolas Sarkozy nicht, der Brite David Cameron nicht. US-Präsident Barack Obama, dessen Großvater aus Kenia stammt, umflog das Land bei seiner einzigen Afrika-Visite im Jahr 2010 weiträumig. Es war ein Affront für Kenia.

Die jahrelange Ignoranz der großen Geber hatte gute Gründe: Sie war nicht zuletzt die Quittung für die Weigerung der Kenianer, die Korruption im eigenen Land energisch zu bekämpfen, vor allem aber die Hintergründe der Unruhen von 2008 aufzuarbeiten und die Drahtzieher vor Gericht zu stellen.

Nun fliegt die deutsche Bundeskanzlerin für einen 20-Stunden-Besuch ein. Es ist erst das zweite Mal seit ihrem Amtsantritt 2005, dass sie - abgesehen von einem Abstecher zur Fußball-WM im vergangenen Jahr - den afrikanischen Kontinent bereist. Von Nairobi aus geht es weiter nach Angola und Nigeria.

Es ist kein Spaziergang - es ist eine mutige Reise, die die Kanzlerin da unternimmt: drei Länder, drei Problemkandidaten.

  • Kenia tut sich schwer mit dem angekündigten Reformprozess, im August 2012 steht die nächste Präsidentenwahl an, und es ist keineswegs sicher, dass der Urnengang nicht wieder zu Auseinandersetzungen führt.
  • Angola hat seit dem Friedensschluss 2002 zwar enorme ökonomische und auch soziale Fortschritte gemacht, doch vom Ölboom profitieren immer noch zu wenig Angolaner. Die Oberschicht bereichert sich hemmungslos, Demonstrations- und Pressefreiheit gibt es nicht, und politisch Andersdenkende landen schnell mal im Gefängnis.
  • Nigeria gehört zu den korruptesten und am meisten verelendeten Ländern Afrikas, trotz Häfen, fruchtbarer Böden und gigantischer Öleinnahmen. Insbesondere im islamischen Norden grassiert die Armut, und die islamistische Sekte Boko Haram führt dort inzwischen einen blutigen Krieg gegen Politik und Polizei.

Aber schon die Kurzatmigkeit des Programms - nicht mal 20 Stunden pro Land - lässt erkennen: Wirklich wichtig ist der Bundesregierung der Nachbarkontinent nicht. Interesse, Aufmerksamkeit oder gar Zuwendung drücken sich anders aus. Es ist eine Pflichttour, die die Kanzlerin absolviert, mehr nicht. Ein bisschen Symbolik in einem Halbjahr, in dem Deutschland dem Weltsicherheitsrat vorsitzt. Ein kleiner Trost für Merkel: Sie ist mit ihrer Passivität nicht allein. Afrika liegt auf allen Ebenen im Schatten des deutschen Wahrnehmungshorizonts.

Das war nicht immer so. Während des Kalten Krieges wurden Stellvertreterkonflikte nicht zuletzt in Afrika ausgetragen. Das führte zu stärkerer Präsenz Deutschlands - aus Ost wie West. Inzwischen jedoch ist Afrika für Deutschland zum dunklen Kontinent verkommen, zu einer Großregion der Krisen, Krankheiten und Konflikte, die viele Risiken und wenig Chancen bietet. Auf der politischen Bühne ist diese Region kein Thema, mit dem man sich profilieren könnte. Wer sich im Bundestag für Afrika interessiert, ist - anders als mit Kenntnissen über die USA, Russland oder China - automatisch außenpolitischer Hinterbänkler.

Mit Ach und Krach hat das Außenministerium soeben ein Afrika-Konzept erstellt, das von "Partnerschaft auf Augenhöhe" spricht und erstmals auch von einer "interessengeleiteten" Politik. Das war bislang verpönt. Grundlegend ändern wird das Konzept am Desinteresse nichts. Ein paar Jahre lang hat Bundespräsident Horst Köhler diese Leerstelle ausbalanciert; doch Köhler ist nicht mehr Bundespräsident, und sein Nachfolger zeigt keine Ambitionen, ihm nachzueifern.

Die deutsche Wirtschaft tut sich schwer mit Afrika

Immerhin, Köhler hat aus seiner Amtszeit ein zartes Pflänzchen hinterlassen: Seit fünf Jahren gibt es das von ihm initiierte Programm "Go Africa... Go Germany...", das junge deutsche und afrikanische Akademiker zusammenbringt. Es ist der Versuch, ein Netzwerk zu bilden, das Bemühen, sich gegenseitig nicht aus den Augen zu verlieren. Vielleicht erwächst daraus irgendwann einmal eine deutsch-afrikanische Jugendbildungsstiftung. Pläne dafür gibt es.

Auch die Wirtschaft tut sich schwer mit Afrika. Viele früher enge Kontakte sind verlorengegangen, die deutschen Unternehmen scheuen die Risiken, die mit einem Afrika-Engagement verbunden sind. Sie orientieren sich eher in Richtung Osteuropa und Asien, wo sie sich trittfester fühlen und ihre Investitionen besser abgesichert sehen.

Vor allem die global operierenden Konzerne sind zögerlich. Deutsche Automodelle zum Beispiel findet man auf dem Kontinent nur noch in Ausnahmefällen - abgesehen von Südafrika und von Daimler-Limousinen in den Regierungsfuhrparks. Die japanischen Autobauer haben den Markt, der rasant wächst, fest im Griff.

Der Energieriese E.on wollte in Äquatorialguinea in ein milliardenschweres Gasgeschäft einsteigen. Er zog sich wieder zurück, nachdem die Bundesregierung die Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke beschlossen hatte.

Einzig Lufthansa hat sich eine Marktnische erobert, und die Airline lebt glänzend damit. Sie fliegt unter anderem nach Luanda, nach Port Harcourt, nach Malabo und Accra und befördert auf diesen Strecken Geschäftsreisende: Es sind Mitarbeiter der Ölfirmen, die gerne Business Class fliegen, weil ihre Unternehmen die Ausgaben unter Produktionskosten verbuchen können.

Andere sehen Wachstumsraten, Potentiale, Ressourcen

Es sind eher mittelständische Unternehmen, die ihr Glück in Afrika suchen. Firmen wie die Ingenieure von Gauff, die Traditionshandelsfirma Woermann oder die Flaschenabfüller von Krones. Sie sehen in Afrika einen Wachstumsmarkt. Die Spezialisten für Hochdruckpumpen von Kärcher sondieren gerade im Südsudan das Terrain. Die Frankfurter Messegesellschaft will ein Büro in Nairobi eröffnen. Auch Solarfirmen versuchen vorsichtig, in Ostafrika ins Geschäft zu kommen.

Man kann es der Wirtschaft nicht einmal vorwerfen, denn auch etliche Medien haben sich zurückgezogen. Fast alle deutschen Zeitungen haben ihre Berichterstattung über den Kontinent ausgedünnt, aus Nairobi haben vor gut zehn Jahren mehr als doppelt so viele deutsche Korrespondenten berichtet wie heute.

Doch andere Staaten sehen die Wachstumsraten, die Potentiale, haben Strategien entwickelt, die Beziehungen systematisch intensiviert, Netzwerke geknüpft. Sie gehen Risiken ein, denn sie wollen etwas haben von diesem Kontinent, von seiner wachsenden Mittelschicht, von seinen Ressourcen, von seiner Dynamik. Es ist längst nicht mehr nur die Wirtschaftssupermacht China, die sich in Afrika ausbreitet. Die Türkei, Brasilien, Indien, aber auch Japan und Israel haben Afrika als Rohstofflieferanten - und als Markt - entdeckt. Und selbst Länder wie Malaysia oder Singapur beginnen, die Kontakte zu intensivieren.

Die "Partnerschaft auf Augenhöhe", die Außenminister Guido Westerwelle bei der Vorstellung des Afrika-Konzepts vor einigen Wochen proklamiert hat, ist das vielleicht größte Missverständnis. Denn was die Bundesregierung unter "Augenhöhe" versteht, fassen die Afrikaner ganz anders auf. Ihnen sind ausbalancierte Beziehungen zu China, Indien oder Brasilien lieber; zu Regierungen nämlich, die nicht ständig an die Menschenrechte erinnern und politische Freiheiten einfordern, sondern angepasste Produkte, Investitionen, Stipendien und billige Kredite anbieten. Und dafür zahlen die Afrikaner auch gerne mit Rohstoffen und Ressourcen. Lehrmeister hingegen haben afrikanische Regierungen nicht gern. Sagen wird es Angela Merkel wohl niemand. Auffallen könnte es ihr trotzdem.

Und so engagieren sich andere Länder in Afrika:

China: Die neuen Herrscher des Kontinents

Chinesische Arbeiter in Algerien (2007)

Chinesische Arbeiter in Algerien (2007)

Foto: Pascal Parrot/ Getty Images

Sie fördern Öl vor der angolanischen Küste, sie graben im Niger Uran aus dem Boden, sie betreiben Kupferminen in Sambia, sie bauen achtspurige Straßen in Kenia, sie holen das Tropenholz aus dem kongolesischen Dschungel. Kein Land der Welt ist so umfangreich und so flächendeckend in Afrika engagiert wie China. Die Chinesen bauen Stadien und Parlamentsgebäude, Flug- und Schiffshäfen, Konferenzzentren und Präsidentenpaläste. Und sie überschwemmen den Kontinent mit ihren eigenen Produkten, manche in guter Qualität, viele von kürzester Haltbarkeit und stets unschlagbar billig. Die Afrikaner stöhnen über die schlechte Verarbeitung der Produkte - und kaufen sie trotzdem. Entwickelt hat sich die ungleiche Beziehung mit explosionsartiger Geschwindigkeit: 1995 betrug das Handelsvolumen zwischen China und Afrika noch rund drei Milliarden Dollar, 2010 lag es schon bei mehr als 110 Milliarden Dollar.

Dabei gehen die Chinesen geschickt vor: Sie entwickelten die Gipfel-Idee mit dem ersten sino-afrikanischen Treffen 2006 in Peking. Sie vergaben günstige Kredite ohne Auflagen und zwangen so Weltbank und IWF, ihre Politik zu modifizieren. Und die Afrikaner haben schnell gelernt, dass viele Kredite gestundet werden oder ganz verfallen. Staatsbanken haben es da einfacher.

Zur Geschäftsphilosophie gehört auch, dass demokratische Strukturen nebensächlich sind: Öl aus dem Sudan, Blutdiamanten aus Simbabwe, Coltan aus dem Kongo - genommen wird von jedem und alles, was die eigene Industrie am Laufen hält und Gewinne verspricht. Hofiert und mit Bruderkuss empfangen wird der Anti-Demokrat Robert Mugabe (Simbabwe) genauso wie der vom Internationalen Strafgerichtshof verfolgte Umar al-Baschir (Sudan) oder der Despot Teodoro Obiang (Äquatorialguinea).

Rund eine Million Chinesen sollen sich inzwischen auf dem Kontinent niedergelassen haben. Die Chinesen sind so dominant, dass die US-Außenministerin Hillary Clinton neulich glaubte, die Afrikaner vor einem neuen Kolonialismus warnen zu müssen: "Wir haben es doch in der Kolonialzeit gesehen: Es ist leicht, reinzukommen, die Ressourcen zu räubern, die Herrscher zu bezahlen und wieder zu verschwinden." Ihre Botschaft: Wir wollen keinen neuen Kolonialismus in Afrika sehen. Jedenfalls keinen, von dem nicht auch die Amerikaner profitieren.

Indien: Die Herausforderer

Tansanias Präsident Kikwete und Indiens Premier Singh beim Gipfel 2008

Tansanias Präsident Kikwete und Indiens Premier Singh beim Gipfel 2008

Foto: ? B Mathur / Reuters/ REUTERS

Indien entwickelt den Ehrgeiz, dem Engagement der Chinesen in Afrika Konkurrenz zu machen. Und das in Höchstgeschwindigkeit. Noch 2006 war das chinesische Engagement allein in Ghana höher als das von Indien auf dem gesamten Kontinent. Das hat sich dramatisch geändert. Das indisch-afrikanische Handelsvolumen, das noch 2000 bei rund drei Milliarden Dollar dümpelte, lag 2010 bereits bei 46 Milliarden und soll 2015 rund 70 Milliarden Dollar erreichen.

Allein in Tansania haben indische Unternehmen in den vergangenen Jahren 1,3 Milliarden Dollar investiert und 32.000 Jobs geschaffen. Nochmals sieben Firmen haben sich angekündigt, um für weitere 250 Millionen Dollar Anlagen und Gebäude zu bauen. Anders als die Chinesen, die vor allem auf Rohstoffe fixiert sind, setzen die Inder grundsätzlich eher auf "softe" Angebote: auf Trainingsprogramme, Stipendien, die Finanzierung von Forschungseinrichtungen oder erleichterten Zugängen für den indischen Markt.

Aber sie haben auch Strategien kopiert: 2008 luden sie zum ersten Mal zu einem afroindischen Gipfel nach Neu-Delhi ein. Den jüngsten Gipfel Ende Mai in Addis Abeba eröffnete Premierminister Manmohan Singh mit salbungsvollen Worten: "Die Menschen in Afrika und in Indien stehen vor einer historischen Chance." Dann schmeichelte er weiter: "Es gibt eine neue wirtschaftliche Wachstumsphase, und sie geht von Afrika aus. Afrika hat alle Voraussetzungen, um einer der globalen großen Wachstumspole zu werden." Er bot den Afrikanern Kredite in Höhe von fünf Milliarden Dollar an, auszahlbar innerhalb der nächsten drei Jahre. Und weil sie in Geberlaune angereist waren, offerierten die Inder weitere 700 Millionen für Einrichtungen und Trainingsprogramme sowie 300 Millionen Dollar für eine neue Eisenbahnverbindung zwischen Dschibuti und Äthiopien.

Viermal war Premier Singh inzwischen auf Business-Tour in Afrika. Jedes Mal kam er mit Abschlüssen in Milliardenhöhe zurück. Fest etabliert ist inzwischen das jährliche indisch-afrikanische "Business-Konklave" in Neu-Delhi, wo Handels- und Geschäftsmöglichkeiten sondiert werden. Erst im vergangenen März trafen dort wieder 650 Unternehmer aufeinander, sie sollen Deals im Wert von rund 18 Milliarden Dollar ausgehandelt haben.

Einen Schatz haben die Inder noch gar nicht gehoben: Mehr als zwei Millionen Menschen indischer Abstammung leben in Afrika, vor allem im Osten und Süden des Kontinents. "Wir haben es noch nicht geschafft, die indische Gemeinde in Afrika in eine gewinnbringende Ressource umzumünzen", sagt Suresh Kumar, Leiter der Afrika-Abteilung an der Universität in Neu-Delhi. Das könnte sich in absehbarer Zeit ändern.

Türkei: Blitzbauwerke am Atlantikstrand

Blitz-Neubau in Äquatorialguinea: Türkische Arbeiter schufteten Tag und Nacht

Blitz-Neubau in Äquatorialguinea: Türkische Arbeiter schufteten Tag und Nacht

Foto: AFP

Es war 1998, als die damalige türkische Regierung beschloss, ihre außenpolitische Rolle neu zu definieren - weg von einem Verbündeten des Westens, hin zu einem eigenständigen Spieler auf der globalen Bühne. Es dauerte ein paar Jahre, aber dann begann die Offensive: 2005 rief die Regierung ein "Afrika-Jahr" aus.

Der Premierminister begann, Afrika so intensiv zu bereisen wie keiner seiner Vorgänger. Das Engagement war nicht unumstritten: "Zeit- und Energieverschwendung", maulten Opposition und Medien. Doch die Regierung machte weiter. 2007 richtete die Türkei einen Gipfel für die am wenigsten entwickelten Länder der Erde aus - 33 von ihnen liegen auf dem afrikanischen Kontinent. 2008 fand in Istanbul der erste türkisch-afrikanische Gipfel zur Zusammenarbeit statt, an dem sich 42 afrikanische Länder beteiligten.

Im gleichen Jahr eröffnete die Universität in Ankara ein eigenes Forschungsinstitut für Afrika-Studien. Mehr als 2000 afrikanische Studenten haben inzwischen mit Stipendien ein Studium an türkischen Universitäten begonnen. Ein Ergebnis des türkischen Engagements: Im Herbst 2008 sicherte sich die Türkei einen Platz im Uno-Sicherheitsrat - 51 von 53 afrikanischen Staaten hatten den Antrag unterstützt. Inzwischen stehen in der Hälfte aller afrikanischen Länder türkische Botschaften, 15 wurden allein 2009 und 2010 eröffnet.

Zur Offensive gehört, wie so häufig, auch die Luftfahrt: Turkish Airlines fliegt inzwischen zwölf afrikanische Länder an. So hat der Handel zwischen der Türkei und dem subsaharischen Afrika 2009 beachtliche 20 Milliarden Dollar erreicht. Zehn Prozent aller türkischen Exporte gehen dorthin. Türkische Waren haben gute Chancen auf dem afrikanischen Markt: Sie sind 20 bis 30 Prozent billiger als westeuropäische Angebote und haben bei den Afrikanern einen allemal besseren Ruf als chinesische Produkte. Kürzlich reisten rund 200 Unternehmer zwei Wochen lang durch Kenia, um nach Investitionsmöglichkeiten Ausschau zu halten. In Nairobi hielt die Türkei soeben ihre dritte Handelsmesse ab.

Auch in Zentralafrika ist die Türkei mittlerweile gut im Geschäft. In Malabo, der Hauptstadt von Äquatorialguinea, setzte der Istanbuler Baukonzern Summa in nur fünf Monaten für 100 Millionen Dollar ein hochmodernes Konferenzzentrum an den Strand des Atlantiks. Es war eine logistische Präzisionsarbeit, denn die Zeit drängte. Aus der Türkei kamen 13.000 Tonnen Material und 600 Arbeiter, die Tag und Nacht schufteten. Am Ende war der Bau drei Wochen früher fertig als geplant. Der Präsident von Äquatorialguinea zeigte sich hochzufrieden mit der Operation, weitere Aufträge dürften folgen.

Brasilien: Agrar-Know-how für den Hunger-Kontinent

Brasiliens Ex-Präsident Lula (im Senegal 2011): Jahrelanges Engagement in Afrika

Brasiliens Ex-Präsident Lula (im Senegal 2011): Jahrelanges Engagement in Afrika

Foto: ? STR New / Reuters/ REUTERS

Auch Brasilien baut seine Beziehungen zu Afrika massiv aus. Zu verdanken hat Afrika das vor allem der Präsidentschaft von Lula da Silva. In den acht Jahren seiner Amtszeit besuchte er mehr als zwei Dutzend afrikanische Länder. In dieser Zeit eröffnete er 19 neue Botschaften auf dem Kontinent, umgekehrt sind 33 afrikanische Vertretungen in Brasilien ansässig.

Präsident ist er nicht mehr, aber die Afrikaner haben sein Engagement nicht vergessen. "Die Beziehungen zu Afrika sind von strategischer Bedeutung für Brasilien", verkündete Lula kürzlich beim Gipfel der Afrikanischen Union in Äquatorialguinea, wo er als Gastredner so viel Applaus erhielt wie niemand sonst. Auf ihn geht auch der Bau der ersten afrobrasilianischen Universität zurück, die im nächsten Jahr in Redenção im Nordosten des Landes eröffnet werden soll. Sie soll mittelfristig 10.000 Studenten aufnehmen, die Hälfte davon aus Afrika.

Die Brasilianer mischen in Geschäftsbereichen mit, die lange anderen überlassen waren. Vale, die größte Eisenerzfirma der Welt, liefert sich gerade in Südafrika einen harten Bieterkampf mit dem chinesischen Kupfer-Riesen Jinchuan. Es geht um die Übernahme der Minenfirma Metorex. Der Flugzeughersteller Embraer hat mit Kenya Airways einen dankbaren Kunden für seine Mittelstrecken-Maschinen gefunden. Mit ihnen will die Airline ihren Geschäftsreiseverkehr beflügeln. Schon ist auch die Rede von einer Flugverbindung zwischen São Paulo und Nairobi.

Die Brasilianer bauen Straßen und Brücken im südlichen Afrika, allen voran ihr Odebrecht-Konzern, sie beraten intensiv in der Landwirtschaft, bisher vor allem in Ghana, Angola und Mosambik, künftig aber auch darüber hinaus. Sie kommen mit der Empfehlung der höchsten jährlichen landwirtschaftlichen Produktionssteigerungen in den letzten 50 Jahren, ein Erfolg, den viele Länder in Afrika gerne kopieren würden, wenigstens ansatzweise.

Erst vor wenigen Wochen kam eine große brasilianische Delegation in Kenia für eine fünftägige Messe vorbei, um weitere Kooperationsmöglichkeiten zu sondieren. Die nüchterne Analyse: "Kenia könnte in der Landwirtschaft dreimal so viel produzieren, wie es das tatsächlich tut", sagte Marcos Brandalise, der Organisator der Messe. Da wurden die Kenianer wach, die gerade wieder einen Mais-Notstand erleben und im dürregeplagten Norden des Landes Hungertote zu beklagen haben.

Japan: Wie man einen neuen Markt für Gebrauchtwagen erschließt

Ölplattform in Angola: Japan investiert gern im Land

Ölplattform in Angola: Japan investiert gern im Land

Foto: MARCEL MOCHET/ AFP

Japan hat den Schalter umgelegt. Handelsbeziehungen zu Afrika gibt es seit Jahrzehnten. Und seit Jahrzehnten ist Afrika auch einer der größten Absatzmärkte für Gebrauchtwagen aus Japan. Auch wenn sich die Regierung in Tokio lange eher auf Entwicklungshilfeprojekte konzentrierte - inzwischen stehen kommerzielle Vorhaben im Vordergrund. Die Handelsbeziehungen mit Afrika wachsen deutlich langsamer als etwa die von China und Indien. Aber das Interesse ist erkennbar gestiegen.

Die Japaner haben erkannt, wie man in Afrika an Aufträge kommt: Man erstellt eine (zumeist noch kostenlose) Machbarkeitsstudie für ein Projekt und bietet dann - im positiven Fall - ein Gesamtpaket an, das Finanzierung, Planung und Ausführung beinhaltet. Das reicht nicht immer zum Zuschlag für ein Projekt, hat aber die Chancen deutlich verbessert.

Generell versuchen die Japaner in erster Linie, schon bestehende Beziehungen zu intensivieren. Einer der Lieblingsorte japanischer Regierungsleute und Investoren: Angola. Kein Wunder: Das Land ist (wegen seiner Öl- und Gasvorkommen) reich, hat einen hohen Investitionsbedarf und beträchtliche Wachstumspotentiale. Die Japaner sollen mit Krediten und Rat helfen, etwa um zwischen der Exklave Cabinda und dem Kongo eine 20 Kilometer lange Brücke zu errichten, sie sollen die Häfen von Lobito und Namibe modernisieren, das öffentliche Wassernetz aufrüsten und dabei assistieren, die malade Textilindustrie wieder in Schwung zu bringen.

Andere versuchen es auf sanften Wegen: Der Multi Mitsubishi etwa stellte 2009 einem Dorf in Äthiopien eine Photovoltaikanlage zur Stromversorgung kostenlos zur Verfügung. Das Projekt diente im Wesentlichen der Imagepflege, um das Terrain für andere Projekte, nicht zuletzt den Absatz von Autos, zu ebnen.

Toyota will in Angola mit einer Milliarde Dollar in den Bau einer Düngemittelfabrik einsteigen, Sojitz will, ebenfalls in Angola, in den Bau einer gewaltigen Zementfabrik investieren, die 25 Prozent von Angolas Verbrauch abdecken würde. Und der Bau-Nachholbedarf und damit auch der Zementverbrauch sind beträchtlich in Angola.

Frankreich: Abschied vom großen Gendarmen

Frankreichs Präsident Sarkozy (bei einem Besuch im Niger 2009)

Frankreichs Präsident Sarkozy (bei einem Besuch im Niger 2009)

Foto: PHILIPPE WOJAZER/ AFP

Natürlich spielen die Franzosen mit ihren ehemaligen Kolonien eine Sonderrolle auf dem Kontinent. Aber mit erheblichem Einsatz hat Präsident Nicolas Sarkozy Afrika auch strategisch neu ins Blickfeld gerückt. Schon unmittelbar nach seiner Wahl 2007 erklärte er, Frankreich wolle künftig von ungebührlichen Interventionen in seinen früheren Kolonien absehen. "Die Zeiten haben sich geändert, und Frankreich muss nicht mehr den Gendarmen in Afrika spielen", sagte er. Die Wahrheit aber ist, dass Frankreich in afrikanischen Ländern nicht weniger mit Verteidigungsbündnissen, militärischen Abkommen oder Truppenbasen verbandelt ist als zuvor.

Sarkozy ist in Afrika so viel unterwegs wie kaum ein anderer Staatsmann, fünfmal in nicht einmal drei Jahren. Und er scheute auch die unangenehmen Reisen nicht. Er brachte das angespannte Verhältnis zu Angola wieder in Ordnung, er restaurierte die abgebrochenen Beziehungen zu Ruanda, nachdem französische Ermittler der Regierung von Paul Kagame eine Mittäterschaft am Ausbruch des Genozids in Ruanda im April 1994 vorgeworfen hatten. Er reiste nach Kinshasa, nach Brazzaville, nach Gabun, in den Niger, immer mit mächtigen Wirtschaftsdelegationen im Gefolge. So viel Interesse bleibt nicht ohne Resonanz: Im Januar trat er als Gastredner beim Gipfel der Afrikanischen Union in Addis Abeba auf. Es war das erste Mal seit 1963, dass ein französischer Präsident bei einem afrikanischen Gipfel als Ehrengast sprechen durfte.

Und auch Frankreich lud im Mai 2010 zu einem zweitägigen französisch-afrikanischen Gipfel nach Nizza. Dazu reisten 40 afrikanische Regierungschefs und rund 250 Geschäftsleute und Unternehmer an.

Im Auge hat Sarkozy dabei einerseits die Handelsbeziehungen, nicht zuletzt aber auch das strategische Interesse an Rohstoffen. Der Ölmulti Total zum Beispiel ist nicht nur mit einem der dichtesten Tankstellennetze in Afrika vertreten, er gehört in Angola und Nigeria zu den wichtigsten Förderfirmen von Öl und Gas. Der Minenkonzern Areva holt im Niger Uran aus dem Boden, im Kongo sind zahlreiche französische Bergbau-Unternehmen engagiert.

Treu ist sich Sarkozy dabei nicht geblieben. Zu Beginn seiner Amtszeit hatte er noch angekündigt, die traditionelle französische Afrika-Politik zu beenden, die Menschenrechtsverletzungen, Korruption und totalitäre Strukturen weitgehend ignoriert hatte. Davon kann inzwischen keine Rede mehr sein. Das Geschäft zählt, nicht die demokratische Verfasstheit eines Landes.

Israel: Diskrete Geschäftspartner

Israels Außenminister Lieberman (in Kenia 2009): Kriegsschiffe für den Diktator

Israels Außenminister Lieberman (in Kenia 2009): Kriegsschiffe für den Diktator

Foto: SIMON MAINA/ AFP

Etwas diskreter, aber nicht weniger zielstrebig, gehen die Israelis vor. Zu Zeiten der Dekolonisation pflegte Israel zu zahlreichen Ländern enge Beziehungen, die nach den beiden Kriegen 1967 und 1973 jäh abbrachen. Nach Ende des Kalten Krieges normalisierten sich die Kontakte wieder. Das Verhältnis zu den afrikanischen Ländern hatte für Israel allerdings stets eher sicherheitsbezogene als ökonomische Bedeutung. Und so erfährt man vieles nicht. Viele höchstrangige Kontakte pflegen die Israelis im Verborgenen, und sie kommen eher zufällig und verspätet zutage. So haben israelische Abhörspezialisten jahrelang den ivorischen Präsidenten Laurent Gbagbo unterstützt, Israelis haben 2002 in Angola den Unita-Chef Jonas Savimbi geortet und sein Versteck der Regierung in Luanda verraten. Aus Israel kamen gerade zwei neue Korvetten der Saar-Klasse für den diktatorischen Präsidenten von Äquatorialguinea, Teodoro Obiang.

Auch mit ihrer landwirtschaftlichen Expertise sind die Israelis hochgefragt in Afrika. In Kenia, in Äthiopien oder in Angola arbeiten sie als Berater, um die unterentwickelte Bewässerungswirtschaft voranzutreiben.

Bezogen auf das Handelsvolumen sind die Israelis jedoch kein entscheidender Player. Israel importierte Waren für rund 1,5 Milliarden Dollar und exportierte für eine Milliarde Dollar.

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