Merkels Kopenhagen-Mission Klimakanzlerin bangt um ihren Ruf
Berlin - Die Kanzlerin ist dieser Tage nervös. hat das neulich wörtlich so gesagt, was bemerkenswert ist, weil Politiker ihre Anspannung gemeinhin eher verbergen als umschreiben.
Wie nervös Merkel ist, kann man an diesem Donnerstag im Bundestag beobachten.
Sie wippt auf der Regierungsbank. Sie schüttelt heftig den Kopf. Vor allem aber: Sie tippt unentwegt in ihr Handy. Beidhändig, mit allen Fingern, die ihr zur Verfügung stehen. Nur sporadisch blickt sie auf, um Interesse für die Redner zu suggerieren.
Es sieht aus, als müsse sie unbedingt irgendwo etwas in Ordnung bringen.
Muss sie auch. In Kopenhagen nämlich, der dortige Klimagipfel droht aus den Fugen zu geraten. Während Merkels Regierungserklärung im Bundestag trudeln die ersten Eilmeldungen ein, die Dänen würden das Ziel eines globalen Nachfolgeabkommens für "Kyoto" aufgeben.
Vielleicht ist das alles ein großer Bluff. Wenn die Erwartungen auf dem Nullpunkt sind, ist es nachher umso einfacher, sich als großer Weltenretter feiern zu lassen. Aber momentan spricht zu viel dafür, dass die Lage beim Klimagipfel tatsächlich völlig verfahren ist. Die ehrgeizigen Schwellenländer sind sauer auf die egoistischen Industriestaaten, die wiederum streiten sich miteinander und die Entwicklungsländer fühlen sich sowieso nicht ausreichend gewürdigt. Die Elefantenrunde der Staats- und Regierungschefs ist jetzt wohl die letzte Hoffnung.
"Wir müssen verstehen, dass wir auf einem Planeten leben"
Merkel macht am Nachmittag im Tagungszentrum in Kopenhagen den Anfang. Sie spricht nur ein paar Minuten, aber der Pathos in ihrer Stimme verrät, dass das nicht irgendeine Rede ist für sie. Sie appelliert an die Vernunft der Weltgemeinschaft. "Wir haben eine gemeinsame Verantwortung", ruft sie den Gästen der Konferenz entgegen. "Wir müssen verstehen, dass wir auf einem Planeten leben."
In den nächsten 24 Stunden müsse man zu einer politischen Vereinbarung kommen, mit der man gesichtswahrend "vor die Weltöffentlichkeit" treten könne. Der Anstieg der Temperatur müsse dringend auf höchstens zwei Grad begrenzt, die CO2-Emissionen weltweit bis 2050 um die Hälfte unter den Wert von 1990 gebracht werden. Besonders die Industrieländer nimmt die Kanzlerin in die Pflicht. Diese müssten sich auf eine ehrgeizige Senkung ihrer Klimagasausstöße festlegen - 25 Prozent bis zum Jahr 2020. "Wenn jeder ein bisschen mehr beiträgt, können wir es schaffen", so Merkel. "Lassen Sie uns alle in diesem Geist die nächsten 24 Stunden verbringen."
Es geht auch um Merkels Ruf
Merkel dürfte alles was sie hat in die Waagschale werfen. Sie sagte selbst, sie reise zur Weltklimakonferenz, um mit ihrem Gewicht einen Erfolg herbeizuführen. Nun ja, es steht auch einiges auf dem Spiel. Nicht nur, was die Umwelt angeht.
Es geht auch um ihren eigenen Ruf.
Eigentlich ist es ganz einfach. Einigt sich die internationale Gemeinschaft in der dänischen Hauptstadt doch noch auf einigermaßen ambitionierte Klimaziele, fällt der Glanz auch ein bisschen auf sie ab. Scheitert der Gipfel, könnte sie fortan als durchsetzungsschwach gelten. Zumindest auf internationaler Bühne. Aber auch daheim würde ein Misserfolg wohl ausstrahlen auf all die anderen Probleme, die ihre Regierung momentan paralysieren. Sie wäre am Tiefpunkt ihrer Macht angekommen. Das Bild einer saft- und kraftlosen Kanzlerin ohne Visionen, es würde sich wohl festsetzen. Und natürlich wäre sie auch ihren Titel als "Klima-Kanzlerin" los.
Bisher lief es gut für sie auf diesem Feld. In wenigen anderen Bereichen hat sie größeres Engagement gezeigt. Unter Helmut Kohl war sie Umweltministerin. Als Kanzlerin reiste sie auf Grönlands Gletscher, um vor den Folgen einer Erderwärmung zu warnen. In der Europäischen Union drängte sie auf ehrgeizige Emissionsreduktionen von 30 Prozent bis zum Jahr 2020.
In Erinnerung ist aber vor allem, wie sie den amerikanischen Präsidenten George W. Bush vor dem G-8-Gipfel in Heiligendamm 2007 derart penetrant bearbeitete, bis er sich bewegte. Bush akzeptierte damals immerhin die Formulierung, dass die G8 "ernsthaft erwägt", den weltweiten Ausstoß von Treibhausgasen bis zum Jahr 2050 um die Hälfte zu reduzieren.
In Kopenhagen wird sie daran gemessen.