Forensische Analyse Kreml hat offenbar Satellitenfotos zu MH17-Absturz gefälscht

Russland macht noch immer Kiew für den Abschuss von Flug MH17 verantwortlich. Doch die Fotos, die ukrainische Luftabwehrsysteme in dem Absturzgebiet zeigen sollen, sind offenbar gefälscht. Laut Experten hat der Kreml mit Photoshop manipuliert.
Trümmerteil von MH17 (am 20. Juli 2014): Moskaus Absturztheorien lassen sich kaum halten

Trümmerteil von MH17 (am 20. Juli 2014): Moskaus Absturztheorien lassen sich kaum halten

Foto: MAXIM ZMEYEV/ REUTERS

Die offizielle russische Version zum Abschuss von Malaysia-Airlines-Flug MH17 über der Ostukraine gerät immer mehr ins Wanken. Das Verteidigungsministerium hatte der Weltöffentlichkeit am 21. Juli 2014 in Moskau mehrere Satellitenbilder präsentiert. Die Aufnahmen sollten Aktivitäten der ukrainischen Luftabwehr am 17. Juli 2014 in der Ostukraine belegen - jenem Gebiet also, über dem die Boeing 777 damals abgeschossen wurde.

Das Team der unabhängigen Investigativplattform Bellingcat hat zwei dieser Satellitenbilder des russischen Verteidigungsministeriums forensisch analysiert. Das Ergebnis ist eindeutig: "Die forensische Analyse des Bellingcat-Untersuchungsteams hat eindeutig und unzweifelhaft nachgewiesen, dass diese Satellitenfotos falsch datiert und durch die Software Adobe Photoshop CS5 digital verändert wurden." (Lesen Sie hier den gesamten Untersuchungsbericht als PDF .)

Das eine Bild sollte laut Moskauer Verteidigungsministerium belegen, dass mindestens ein selbstfahrender BUK-Raketenwerfer und drei Fahrzeuge der technischen Unterstützung am 17. Juli 2014 nicht mehr auf dem Militärstützpunkt nördlich von Donezk vorhanden waren.

Wolken sollten wohl Brisantes verdecken

Doch diese Satellitenaufnahme hatten die russischen Verantwortlichen vor der Veröffentlichung per Photoshop manipuliert. "Mit hoher Wahrscheinlichkeit wurden Wolken im linken und rechten Bildbereich digital hinzugefügt. Dadurch wurden weitere Details zum Vergleich mit anderen Bildern verdeckt", schreiben die Bellingcat-Experten.

Trotzdem ließen sich die Bildinhalte mit historischen Satellitenbildern aus Google Earth vergleichen. Das Ergebnis: Das Satellitenfoto sei "unzweifelhaft im Zeitraum zwischen dem 1. Juni 2014 und dem 18. Juni 2014 entstanden" - also einen Monat vor dem Abschuss von MH17. Das lässt sich unter anderem anhand von veränderten Bodenstrukturen und Veränderungen der Vegetation auf den Bildern erkennen.

Das zweite Bild soll eine Buk-Batterie der ukrainischen Armee am 17. Juli 2014 in der Nähe des Dorfes Saroschenskoje zeigen - in diesem Gebiet wurde MH17 an jenem Tag abgeschossen. Auch hier kam das Bellingcat-Team zu dem Schluss, dass das Satellitenfoto digital verändert wurde. Zudem sei durch Bildervergleiche klar, "dass das Satellitenfoto ohne jeden Zweifel vor dem 15. Juli 2014 entstanden ist."

Auch die Theorie der "Nowaja Gaseta" lässt sich kaum halten

Offiziell hat der Kreml bis heute immer behauptet, ein ukrainisches Kampfflugzeug habe die Boeing der Malaysia Airlines abgeschossen. Die Satellitenaufnahmen, die Russland kurz nach dem Absturz veröffentlich hatte, sollten in erster Linie die ukrainische Regierung diskreditieren, die eine Präsenz eigener Flugabwehrgeschütze in dem Gebiet stets abgestritten hatte.

Doch dann präsentierte Anfang Mai die angesehene Moskauer Zeitung "Nowaja Gaseta" plötzlich eine neue Theorie. "Es war eine Buk", titelte das Blatt plötzlich. Auf vier Seiten veröffentlichte die Zeitung einen ausführlichen Untersuchungsbericht von russischen Ingenieuren aus den Reihen des "militärisch-industriellen Komplexes".

Demnach sei das Flugzeug mit 298 Menschen an Bord von einer Buk abgeschossen worden - aber von einer ukrainischen Stellung aus. Der Bericht stützte sich maßgeblich auf das Satellitenbild von der angeblichen Flugabwehrbatterie nahe des Dorfes Saroschenskoje.

Doch nun haben die Experten von Bellingcat eben diese Aufnahme als Fälschung enttarnt.


Update: Professionelle Bild-Forensiker kritisieren die Bellingcat-Analyse als unwissenschaftlich. Sie erlaube keine zuverlässigen Rückschlüsse, ob die Aufnahmen des russischen Verteidigungsministeriums tatsächlich manipuliert wurden. "Das ist eine Fehlinterpretation", sagt der Hamburger Bild-Forensiker Jens Kriese. Bellingcat betreibe "Kaffeesatzleserei". Wie er zu diesem Fazit kommt, lesen Sie hier.

Auch der Betreiber der Plattform FotoForensic.com, auf die sich die Bellingcat-Untersuchung beruft, kritisiert das Verfahren scharf. Auf Twitter schrieb Neal Krawetz, der Fall zeige "wie man eine Analyse nicht machen sollte".

Unsere Überlegungen zu dem gesamten Fall lesen Sie hier in einem Eintrag im SPIEGEL-Blog.

syd
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