Demokraten bei den Midterm-Wahlen Gewonnen, aber
Sie ahnten es. Schon vor 19 Uhr, als die meisten Ergebnisse noch ausstanden, verschickte US-Regierungssprecherin Sarah Huckabee Sanders eine E-Mail ans Pressekorps. "Donald Trump ist sagenhafte fünfzigmal im Wahlkampf aufgetreten", schrieb sie. "Der Präsident hat enorm viele Amerikaner motiviert."
Als wolle sie sagen: Wenn's schief geht, dann hat er keine Schuld daran.
Und, ging es schief? Für die Demokraten endet die nervenaufreibende Nacht jedenfalls mit einem Teilerfolg: Sie erobern die Mehrheit im Repräsentantenhaus zurück. Es ist eine späte Rache für ihre Niederlage von 2016 - und eine erste Abrechnung der Amerikaner mit Trump und seiner Politik: Für die nächsten zwei Jahre können die Demokraten nun Trumps Agenda ausbremsen und ihm das Regieren schwer machen.
Die wichtigsten Erkenntnisse im Überblick.
Ist das Wahlergebnis eine Überraschung?
In den Umfragen hatte sich bereits angedeutet, dass die Demokraten gute Chancen haben, zumindest das Repräsentantenhaus zurückzuerobern. Nach den jüngsten Hochrechnungen konnten sie 30 Sitze hinzugewinnen, damit werden sie ab Januar mindestens 231 von 435 Abgeordneten im Repräsentantenhaus stellen. (Alle Entwicklungen können Sie hier im Newsblog verfolgen.)
Die Hoffnung auf eine echte "blaue Welle", einen demokratischen Umbruch im Land, wurde hingegen nicht erfüllt. Dafür verlief der Kampf um den Senat für die Demokraten zu enttäuschend. Natürlich war die Ausgangslage schon schwierig gewesen: Von den 35 Bundesstaaten, in denen Senatswahlen stattfanden, hätte die Partei ohne eigene Verluste mindestens zwei republikanisch regierte Staaten gewinnen müssen. Das ist nicht gelungen - zudem verloren demokratische Amtsinhaber in Indiana und North Dakota. Nach letztem Stand können die Republikaner ihre Senatsmehrheit sogar noch ausbauen.
Vor allem in Texas bedeutet das für die Demokraten einen herben Rückschlag: Ihr Kandidat Beto O'Rourke galt als großer Hoffnungsträger, wurde bereits als neuer Kennedy gefeiert. Doch er unterlag gegen Ted Cruz.
Wie verliefen die Gouverneurswahlen?
Zwei Demokraten standen hier besonders im Fokus: In Georgia sah es in Umfragen zunächst so aus, als hätte mit Stacy Abrams erstmals eine schwarze Frau die Chance, das Amt der Gouverneurin zu übernehmen. Sie lag in den Hochrechnungen zuletzt hinter ihrem Konkurrenten Brian Kemp, weigerte sich am frühen Mittwochmorgen (Ortszeit) aber noch, eine Niederlage einzugestehen. "Die Auszählung ist noch nicht vorbei. Es gibt Stimmen, die gehört werden wollen", sagte sie laut "Washington Post".
Knapp verlief auch das Rennen in Florida: Der Afroamerikaner Andrew Gillum war mit einem progressiven Wahlprogramm angetreten. So hatte er sich klar gegen die Todesstrafe ausgesprochen, kritisierte die Waffenlobby immer wieder scharf und würde die Abschiebe-Behörde ICE am liebsten abschaffen. Ein Sieg hätte ihn zu einem Anwärter auf die Präsidentschaftskandidatur 2020 gemacht. Doch nach einem von republikanischer Seite zuletzt offen rassistisch geprägten Wahlkampf stimmten rund 50.000 Wähler mehr für den Republikaner Ron DeSantis.
Was bedeutet das für Trump?
Dem Präsidenten droht in Washington eine ungemütliche Zeit. Erstmals wird er politisch zur Rechenschaft gezogen, muss sich mit einem demokratisch dominierten Repräsentantenhaus auseinandersetzen. Doch Trump hat die Schuld für seine Rückschläge immer schon anderen zugeschoben. So hat er auch jetzt bereits einen Sündenbock ausgemacht - Paul Ryan, den scheidenden Sprecher des Repräsentantenhauses. Der habe es nicht geschafft, genug Unterstützung für die die republikanischen House-Kandidaten zu organisieren.

US-Midterms: Die Gewinner und die Verlierer
Problematisch wird es für Trump trotzdem, weil die Demokraten im Repräsentantenhaus fortan deutlich mehr Macht besitzen. Sie können Ermittlungsverfahren anstoßen, die Russlandaffäre in die Schlagzeilen zurückholen und sogar - was unwahrscheinlich ist - ein Amtsenthebungsverfahren einleiten. In der Nacht kündigten sie an, Trumps bisher geheime Steuererklärungen einzufordern, in denen sie Hinweise auf Kontakte zu Russland oder anderen dubiosen Gruppen vermuten.
Was bedeutet das Ergebnis für die Republikaner?
Die Midterms waren ein Kampf um die Seele beider US-Parteien. Für die Republikaner, die unter Trump dramatisch nach rechts gerückt sind, stellte sich die Frage: Würde sich die Nähe zu Trump auszahlen - oder rächen? Ein eindeutiges Urteil gibt es noch nicht.
So wurde etwa für Kris Kobach, Innenminister von Kansas, die enge Verbindung zum Präsidenten zum Problem. Kobach, der jetzt Gouverneur werden wollte, unterlag der Demokratin Laura Kelly. Der Abgeordnete Steve King aus Iowa, der zuletzt durch rassistische und antisemitische Sprüche aufgefallen war, konnte sich dagegen halten.
Was bedeutet das für die Demokraten?
"Morgen beginnt ein neuer Tag für Amerika!", rief die Topdemokratin Nancy Pelosi in der Nacht. Für ihre Partei ist die Rückeroberung der House-Mehrheit ein moralischer Sieg, der sie endlich vom Trauma der Wahlnacht 2016 befreit. Zwei Jahre waren sie politisch bedeutungslos gewesen, machtlos, von Trump verhöhnt und von Selbstzweifeln geplagt.
Ihre Krise ist mit diesen Midterms nicht beendet, aber immerhin die Richtung stimmt. Die neuen, progressiven Jungstars - etwa die Sozialistin Alexandria Ocasio-Cortes aus der Bronx, die in den Kongress einzieht - können die Probleme der Partei nicht alleine lösen. Erst recht, da gehypte Kandidaten wie O'Rourke und Gillum bittere Niederlagen hinnehmen mussten.
Dagegen stehen demokratische Sensationserfolge wie Rashida Tlaib aus Michigan und Ilhan Omar (Minnesota), die im Januar als erste muslimische Frauen im Kongress sitzen werden. Oder Sharice Davis aus Kansas, dann die erste indianische - und lesbische - Abgeordnete. Oder Jared Polis aus Colorado, erster offen schwuler Gouverneur. Sie hatten eins gemein: Sie konzentrierten sich auf Sachthemen, mieden das nationale Rampenlicht - und Trump.
Das betonte auch Pelosi, die designierte Demokraten-Chefin im Repräsentantenhaus. Sie sieht in dieser neuen Sachlichkeit einen der Hauptgründe für den Wiederaufstieg der Partei. Ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump kommt für sie auch deshalb erst mal nicht infrage.