
China und Taiwan: Angst vor Militärschlag
Militärbericht Taiwan fürchtet chinesische Invasion ab 2020
Alle zwei Jahre produziert das Verteidigungsministerium von Taiwan einen ansehnlichen Packen Papier. In den acht Kapiteln der aktuellen Ausgabe listet der "2013 ROC National Defense Report" auf, wie es um das Militär des Inselstaates im Detail steht. Und in dem 215-seitigen Dokument findet sich eine eindrückliche Warnung: Bis zum Jahr 2020, so die Prognose der Experten, könnte die chinesische Armee in der Lage sein, das taiwanische Gebiet inklusive der vorgelagerten Inseln anzugreifen.
Die Webseite "Focus Taiwan" zitiert aus dem in dieser Woche veröffentlichten Papier. Demnach zielt die Volksbefreiungsarmee Chinas bei ihrer Modernisierung darauf ab, dritte Parteien - also allen voran die USA - an einem Eingreifen in einen möglichen Taiwan-Konflikt zu hindern. In diesem Zusammenhang sei etwa die Entwicklung der Anti-Schiffsrakete "Dong Feng 21D" zu sehen, die gezielt gegen US-Flugzeugträger eingesetzt werden kann.
Derzeit sollen 1000 Raketen vom Festland auf Ziele in Taiwan gerichtet sein - Tendenz steigend, berichtet Taiwans Nachrichtenagentur CNA. In dem Militärbericht heißt es außerdem, dass eine "große Zahl" chinesischer Kampfflugzeuge Taiwan ohne Auftanken erreichen könnten - was im Fall einer Invasion für massive Luftüberlegenheit sorgen würde.
Für eine Landungsoperation könnte China zwei neu gekaufte amphibische Angriffsschiffe einsetzen. Außerdem arbeite Peking an einem Heer von Cyberkriegern, um das digitale Leben auf Taiwan zu treffen. Chinas Militäretat ist allein im vergangenen Jahr um mehr als zehn Prozent gestiegen. Mittlerweile verfügt das Land über einen einsatzfähigen Flugzeugträger und wohl sogar Stealth-Kampfdrohnen.
"In 10 Jahren könnte es so weit sein"
Der taiwanische Spitzenmilitär Cheang Yun-pung erklärte, das Jahr 2020 für eine mögliche Invasion sei nur eine "grobe Schätzung". Man entwickle eigene Waffensysteme, wie die Anti-Schiffsrakete "Hsiung Feng 3", benötige aber auch die Unterstützung anderer Staaten. So seien außer den existierenden F-16-Jets weitere "fortschrittliche" Kampfflugzeuge nötig - vermutlich spielte er damit auf die F-35-Jets an, die sein Land gern von den USA kaufen möchte. Ebenso wie übrigens auch U-Boote.
Klar ist: Bedrohungsszenarien, wie das einer möglichen Invasion ab 2020 dienen den Militärs dazu, mehr Geld zu fordern. Insofern muss man die Einschätzungen mit Vorsicht genießen. Andererseits wird auch in den USA die chinesische Aufrüstung mit Sorge verfolgt. Im aktuellen Bericht des Pentagons an den Kongress über das chinesische Militär heißt es: "Die Volksbefreiungsarmee ist zu immer ausgereifteren Militäraktionen gegen Taiwan in der Lage." Peking könne etwa in einem Blitzangriff versuchen, die Insel einzunehmen, bevor sich andere Länder in den Konflikt einschalten könnten.
Chinesische Experten sehen die Volksbefreiungsarmee hingegen noch nicht so weit. Das Jahr 2020 sei für eine Intervention zu ambitioniert gedacht, meint Professor Yan Xuetong von der Pekinger Tsinghua Universität. "In zehn Jahren könnte es so weit sein. 2020 wird Chinas Militär das Niveau von Russland erreichen, aber noch deutlich hinter den USA sein", so Yan gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. "Wenn Taiwan den Weg einer juristischen Unabhängigkeit geht, muss die Volksbefreiungsarmee sie gewaltsam stoppen."
"Probleme nicht an die nächste Generation weitergeben"
Anfang Oktober hatte Chinas Staatschef Xi Jinping bei einem Treffen mit einem Wirtschaftsvertreter aus Taiwan zu den konfliktgeladenen Beziehungen gesagt: "Wir können die Probleme nicht an die nächste Generation weitergeben." Während manche Beobachter dies als Signal für eine Entspannung der Beziehungen werteten, sahen andere darin mehr Druck auf die Führung in Taipeh, der Zentralregierung in Peking entgegenzukommen.
Das Verhältnis zu Taiwan oder zur "abtrünnigen Provinz" ist von zentraler Bedeutung für China. Die Militärs haben das Thema in ihrem neuesten Weißbuch zu einem der "Kernthemen" erklärt. Die - in dem Dokument bewusst in Anführungsstriche gesetzten - taiwanesischen Unabhängigkeitsbestrebungen seien die "größte Gefahr für die friedliche Entwicklung" von Beziehungen über die Meeresstraßen hinweg.
Bereits 2005 hatte der chinesische Volkskongress jegliche Absage an eine Unabhängigkeit Taiwans sogar in Gesetzesform gegossen. Mit dem "Anti-Abspaltungsgesetz" schrieb Peking fest, dass es auf eine Unabhängigkeitserklärung mit "nicht-friedlichen Mitteln" reagieren könne.
Der US-Militärexperte David Shambaugh von der George Washington University sagt, Chinas Militär habe schon fast alle Fähigkeiten für eine Invasion. "Es fehlt nur noch die Fähigkeit eine konventionelle Attacke mit der Landung Hunderttausender Soldaten zu erreichen."